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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Die Eisenbahnen 1831 bis 1850.
mit dem Bau von Pferdebahnlinien begonnen und ging dann erst spät
zu Lokomotivbahnen über. Die Paris-Lyoner Eisenbahngesellschaft
hatte in den Jahren 1828 bis 1834 im Loiredepartement ein ganzes
Netz von Pferdebahnen, welches hauptsächlich dem Steinkohlenverkehr
diente, erbaut. Die erste Strecke St. Etienne-Andregieux wurde am
1. Oktober 1828, die zweite, Rive de Giers-Givors, am 1. Oktober 1830
eröffnet. Das ganze Netz umfasste Ende 1834 141 km.

Erst am 26. August 1837 wurde die erste Lokomotivbahn Frank-
reichs von Paris nach St. Germain dem Verkehr übergeben.

Der Eisenbahnbau schritt in Frankreich nur langsam voran, da
die Kammern das Staatsbahnprojekt im Jahre 1835 verwarfen und
man nur beschränkte Konzessionen erteilte. Erst nach mehreren
Jahren brachte ein Engländer, Locke, den Bahnbau wieder etwas
in Fluss, doch dauerte es bis 1842, ehe die Regierung dem Druck
der öffentlichen Meinung nachgab und die Hauptlinien von Paris nach
Belgien, nach Strassburg, nach Lyon und Marseille, nach Bordeaux
und nach Nantes feststellte. Ende 1839 hatte Frankreich 240 km Eisen-
bahnen, Ende 1840 427 km, Ende 1842 586 km, Ende 1845 870 km,
Ende 1846 1309 km, 1847 1817 km, 1848 2207 km, 1849 2845 km, Ende
1850 2996 km. Das reiche Frankreich war also bis zu dieser Zeit
nur langsam mit Bahnbauten vorangegangen.

Noch viel mehr waren die übrigen Länder Europas zurück-
geblieben.

Dagegen hatten die Vereinigten Staaten von Nordamerika
von dem neuen Kulturmittel mit Energie Gebrauch gemacht und ihr
Eisenbahnwesen, zum Teil schon unabhängig von England, in eigen-
artiger, grossartiger Weise ausgebildet. Zu dem raschen Aufschwung
des amerikanischen Eisenbahnwesens trug besonders die Leichtigkeit
der Konzessionserwerbung bei. Die Freibriefe, welche die Anlage einer
Eisenbahn erlaubten, wurden in den Vereinigten Staaten von den
Einzelstaaten erteilt, und eine beliebige Anzahl Bürger konnte zum
Bau einer Eisenbahn zu einer Gesellschaft zusammentreten, sobald
für jede englische Meile 1000 Dollar gezeichnet und 100 Dollar
eingezahlt waren.

Die erste Eisenbahn in den Vereinigten Staaten wurde von
Quincy bei Boston nach dem Flusse Neponset im Jahre 1825 gebaut,
um Steine von den Brüchen nach dem Verladeplatze zu schaffen.
Diese Strecke wurde auch, wie die in den darauffolgenden Jahren
erbauten von Mauch Chunk nach dem Lehigh-River (Pa.) und die
Baltimore-Ohio-Bahn, noch mit Pferden betrieben. Aber schon am

Die Eisenbahnen 1831 bis 1850.
mit dem Bau von Pferdebahnlinien begonnen und ging dann erst spät
zu Lokomotivbahnen über. Die Paris-Lyoner Eisenbahngesellschaft
hatte in den Jahren 1828 bis 1834 im Loiredepartement ein ganzes
Netz von Pferdebahnen, welches hauptsächlich dem Steinkohlenverkehr
diente, erbaut. Die erste Strecke St. Etienne-Andrégieux wurde am
1. Oktober 1828, die zweite, Rive de Giers-Givors, am 1. Oktober 1830
eröffnet. Das ganze Netz umfaſste Ende 1834 141 km.

Erst am 26. August 1837 wurde die erste Lokomotivbahn Frank-
reichs von Paris nach St. Germain dem Verkehr übergeben.

Der Eisenbahnbau schritt in Frankreich nur langsam voran, da
die Kammern das Staatsbahnprojekt im Jahre 1835 verwarfen und
man nur beschränkte Konzessionen erteilte. Erst nach mehreren
Jahren brachte ein Engländer, Locke, den Bahnbau wieder etwas
in Fluſs, doch dauerte es bis 1842, ehe die Regierung dem Druck
der öffentlichen Meinung nachgab und die Hauptlinien von Paris nach
Belgien, nach Straſsburg, nach Lyon und Marseille, nach Bordeaux
und nach Nantes feststellte. Ende 1839 hatte Frankreich 240 km Eisen-
bahnen, Ende 1840 427 km, Ende 1842 586 km, Ende 1845 870 km,
Ende 1846 1309 km, 1847 1817 km, 1848 2207 km, 1849 2845 km, Ende
1850 2996 km. Das reiche Frankreich war also bis zu dieser Zeit
nur langsam mit Bahnbauten vorangegangen.

Noch viel mehr waren die übrigen Länder Europas zurück-
geblieben.

Dagegen hatten die Vereinigten Staaten von Nordamerika
von dem neuen Kulturmittel mit Energie Gebrauch gemacht und ihr
Eisenbahnwesen, zum Teil schon unabhängig von England, in eigen-
artiger, groſsartiger Weise ausgebildet. Zu dem raschen Aufschwung
des amerikanischen Eisenbahnwesens trug besonders die Leichtigkeit
der Konzessionserwerbung bei. Die Freibriefe, welche die Anlage einer
Eisenbahn erlaubten, wurden in den Vereinigten Staaten von den
Einzelstaaten erteilt, und eine beliebige Anzahl Bürger konnte zum
Bau einer Eisenbahn zu einer Gesellschaft zusammentreten, sobald
für jede englische Meile 1000 Dollar gezeichnet und 100 Dollar
eingezahlt waren.

Die erste Eisenbahn in den Vereinigten Staaten wurde von
Quincy bei Boston nach dem Flusse Neponset im Jahre 1825 gebaut,
um Steine von den Brüchen nach dem Verladeplatze zu schaffen.
Diese Strecke wurde auch, wie die in den darauffolgenden Jahren
erbauten von Mauch Chunk nach dem Lehigh-River (Pa.) und die
Baltimore-Ohio-Bahn, noch mit Pferden betrieben. Aber schon am

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[548/0564] Die Eisenbahnen 1831 bis 1850. mit dem Bau von Pferdebahnlinien begonnen und ging dann erst spät zu Lokomotivbahnen über. Die Paris-Lyoner Eisenbahngesellschaft hatte in den Jahren 1828 bis 1834 im Loiredepartement ein ganzes Netz von Pferdebahnen, welches hauptsächlich dem Steinkohlenverkehr diente, erbaut. Die erste Strecke St. Etienne-Andrégieux wurde am 1. Oktober 1828, die zweite, Rive de Giers-Givors, am 1. Oktober 1830 eröffnet. Das ganze Netz umfaſste Ende 1834 141 km. Erst am 26. August 1837 wurde die erste Lokomotivbahn Frank- reichs von Paris nach St. Germain dem Verkehr übergeben. Der Eisenbahnbau schritt in Frankreich nur langsam voran, da die Kammern das Staatsbahnprojekt im Jahre 1835 verwarfen und man nur beschränkte Konzessionen erteilte. Erst nach mehreren Jahren brachte ein Engländer, Locke, den Bahnbau wieder etwas in Fluſs, doch dauerte es bis 1842, ehe die Regierung dem Druck der öffentlichen Meinung nachgab und die Hauptlinien von Paris nach Belgien, nach Straſsburg, nach Lyon und Marseille, nach Bordeaux und nach Nantes feststellte. Ende 1839 hatte Frankreich 240 km Eisen- bahnen, Ende 1840 427 km, Ende 1842 586 km, Ende 1845 870 km, Ende 1846 1309 km, 1847 1817 km, 1848 2207 km, 1849 2845 km, Ende 1850 2996 km. Das reiche Frankreich war also bis zu dieser Zeit nur langsam mit Bahnbauten vorangegangen. Noch viel mehr waren die übrigen Länder Europas zurück- geblieben. Dagegen hatten die Vereinigten Staaten von Nordamerika von dem neuen Kulturmittel mit Energie Gebrauch gemacht und ihr Eisenbahnwesen, zum Teil schon unabhängig von England, in eigen- artiger, groſsartiger Weise ausgebildet. Zu dem raschen Aufschwung des amerikanischen Eisenbahnwesens trug besonders die Leichtigkeit der Konzessionserwerbung bei. Die Freibriefe, welche die Anlage einer Eisenbahn erlaubten, wurden in den Vereinigten Staaten von den Einzelstaaten erteilt, und eine beliebige Anzahl Bürger konnte zum Bau einer Eisenbahn zu einer Gesellschaft zusammentreten, sobald für jede englische Meile 1000 Dollar gezeichnet und 100 Dollar eingezahlt waren. Die erste Eisenbahn in den Vereinigten Staaten wurde von Quincy bei Boston nach dem Flusse Neponset im Jahre 1825 gebaut, um Steine von den Brüchen nach dem Verladeplatze zu schaffen. Diese Strecke wurde auch, wie die in den darauffolgenden Jahren erbauten von Mauch Chunk nach dem Lehigh-River (Pa.) und die Baltimore-Ohio-Bahn, noch mit Pferden betrieben. Aber schon am

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/564>, abgerufen am 22.11.2024.