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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Winderhitzung 1831 bis 1850.
bedungene Gebühr zu verweigern, sein Patent anzufechten und ihn in
einen langen kostspieligen Prozess zu verwickeln, obgleich sie zugeben
mussten, dass sie in 10 Jahren einen reinen Nutzen von 260000 £
und im Jahre 1840 allein 54000 £ durch die Erfindung erzielt hatten.
Die Bairds hatten ihre Hintermänner besonders an den Hüttenherren
in Wales, die ebenfalls gern ohne Kosten die Erfindung ausgenutzt
hätten. Der Besitzer der Eisenwerke von Ystalifera, James Palmer
Budd
, verstieg sich sogar zu der kühnen Behauptung: "Kalter Wind
sei ökonomischer, er erzeuge mehr Eisen bei geringeren Kosten für
Löhne und Materialien." Die Richter aber entschieden zu Gunsten
des Erfinders. Sehr bald danach führte der genannte Budd die
Winderhitzung auf seiner Hütte ein. Mushet und andere sach-
verständige und gerechte Gutachter erklärten dagegen öffentlich:
Neilsons Erfindung verdiene hinsichtlich der Entwickelung des
Nationalwohlstandes mit Recht, Arkwrights Spinnmaschine an die
Seite gestellt zu werden.

Neilson gewann denn auch seinen Prozess, und das Ein-
kommen aus seiner Erfindung bereitete ihm einen behaglichen Lebens-
abend. In der That hat die Anwendung des heissen Windes einen
vollständigen Umschwung der Roheisenfabrikation herbeigeführt. War
auch der Erfolg nicht überall so in die Augen springend wie in
Schottland, so war er doch allerwärts sehr bedeutend. Die Anwen-
dung des heissen Windes erhöhte die Produktion und verringerte
die Kosten.

Es entwickelte sich über die Anwendung des heissen Windes eine
umfangreiche, vielseitige Litteratur, aus der wir im Anschluss an
das Obige das Wichtigste hier kurz hervorheben wollen.

1833 veröffentlichte in Frankreich Emil Gueymard einen amt-
lichen Bericht über die ersten Versuche der Anwendung des heissen
Windes beim Hochofenbetriebe zu Vienne 1). Aus demselben geht
hervor, dass die Herren Taylor de Lunont und Beugon ein Aus-
landspatent (Brevet d'importation) für das englische Verfahren in
Frankreich erhalten hatten und dass die Hütte zu Vienne die erste
war, welche dasselbe einführte. Während man bei kaltem Winde
für 100 kg Roheisen 254,87 kg Koks verbraucht hatte, erforderten
100 kg bei heissem Winde nur 131,82 kg, wozu noch 14,42 kg Koks
als Äquivalent für die zur Winderhitzung verbrauchten Steinkohlen

1) Siehe Journal des connaissances usuelles, Juli 1833, S. 23; Dinglers polyt.
Journ., Bd. 49, S. 189; Annales des mines, 3. Ser., IV, 87.

Winderhitzung 1831 bis 1850.
bedungene Gebühr zu verweigern, sein Patent anzufechten und ihn in
einen langen kostspieligen Prozeſs zu verwickeln, obgleich sie zugeben
muſsten, daſs sie in 10 Jahren einen reinen Nutzen von 260000 £
und im Jahre 1840 allein 54000 £ durch die Erfindung erzielt hatten.
Die Bairds hatten ihre Hintermänner besonders an den Hüttenherren
in Wales, die ebenfalls gern ohne Kosten die Erfindung ausgenutzt
hätten. Der Besitzer der Eisenwerke von Ystalifera, James Palmer
Budd
, verstieg sich sogar zu der kühnen Behauptung: „Kalter Wind
sei ökonomischer, er erzeuge mehr Eisen bei geringeren Kosten für
Löhne und Materialien.“ Die Richter aber entschieden zu Gunsten
des Erfinders. Sehr bald danach führte der genannte Budd die
Winderhitzung auf seiner Hütte ein. Mushet und andere sach-
verständige und gerechte Gutachter erklärten dagegen öffentlich:
Neilsons Erfindung verdiene hinsichtlich der Entwickelung des
Nationalwohlstandes mit Recht, Arkwrights Spinnmaschine an die
Seite gestellt zu werden.

Neilson gewann denn auch seinen Prozeſs, und das Ein-
kommen aus seiner Erfindung bereitete ihm einen behaglichen Lebens-
abend. In der That hat die Anwendung des heiſsen Windes einen
vollständigen Umschwung der Roheisenfabrikation herbeigeführt. War
auch der Erfolg nicht überall so in die Augen springend wie in
Schottland, so war er doch allerwärts sehr bedeutend. Die Anwen-
dung des heiſsen Windes erhöhte die Produktion und verringerte
die Kosten.

Es entwickelte sich über die Anwendung des heiſsen Windes eine
umfangreiche, vielseitige Litteratur, aus der wir im Anschluſs an
das Obige das Wichtigste hier kurz hervorheben wollen.

1833 veröffentlichte in Frankreich Emil Gueymard einen amt-
lichen Bericht über die ersten Versuche der Anwendung des heiſsen
Windes beim Hochofenbetriebe zu Vienne 1). Aus demselben geht
hervor, daſs die Herren Taylor de Lunont und Beugon ein Aus-
landspatent (Brevet d’importation) für das englische Verfahren in
Frankreich erhalten hatten und daſs die Hütte zu Vienne die erste
war, welche dasselbe einführte. Während man bei kaltem Winde
für 100 kg Roheisen 254,87 kg Koks verbraucht hatte, erforderten
100 kg bei heiſsem Winde nur 131,82 kg, wozu noch 14,42 kg Koks
als Äquivalent für die zur Winderhitzung verbrauchten Steinkohlen

1) Siehe Journal des connaissances usuelles, Juli 1833, S. 23; Dinglers polyt.
Journ., Bd. 49, S. 189; Annales des mines, 3. Ser., IV, 87.
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[422/0438] Winderhitzung 1831 bis 1850. bedungene Gebühr zu verweigern, sein Patent anzufechten und ihn in einen langen kostspieligen Prozeſs zu verwickeln, obgleich sie zugeben muſsten, daſs sie in 10 Jahren einen reinen Nutzen von 260000 £ und im Jahre 1840 allein 54000 £ durch die Erfindung erzielt hatten. Die Bairds hatten ihre Hintermänner besonders an den Hüttenherren in Wales, die ebenfalls gern ohne Kosten die Erfindung ausgenutzt hätten. Der Besitzer der Eisenwerke von Ystalifera, James Palmer Budd, verstieg sich sogar zu der kühnen Behauptung: „Kalter Wind sei ökonomischer, er erzeuge mehr Eisen bei geringeren Kosten für Löhne und Materialien.“ Die Richter aber entschieden zu Gunsten des Erfinders. Sehr bald danach führte der genannte Budd die Winderhitzung auf seiner Hütte ein. Mushet und andere sach- verständige und gerechte Gutachter erklärten dagegen öffentlich: Neilsons Erfindung verdiene hinsichtlich der Entwickelung des Nationalwohlstandes mit Recht, Arkwrights Spinnmaschine an die Seite gestellt zu werden. Neilson gewann denn auch seinen Prozeſs, und das Ein- kommen aus seiner Erfindung bereitete ihm einen behaglichen Lebens- abend. In der That hat die Anwendung des heiſsen Windes einen vollständigen Umschwung der Roheisenfabrikation herbeigeführt. War auch der Erfolg nicht überall so in die Augen springend wie in Schottland, so war er doch allerwärts sehr bedeutend. Die Anwen- dung des heiſsen Windes erhöhte die Produktion und verringerte die Kosten. Es entwickelte sich über die Anwendung des heiſsen Windes eine umfangreiche, vielseitige Litteratur, aus der wir im Anschluſs an das Obige das Wichtigste hier kurz hervorheben wollen. 1833 veröffentlichte in Frankreich Emil Gueymard einen amt- lichen Bericht über die ersten Versuche der Anwendung des heiſsen Windes beim Hochofenbetriebe zu Vienne 1). Aus demselben geht hervor, daſs die Herren Taylor de Lunont und Beugon ein Aus- landspatent (Brevet d’importation) für das englische Verfahren in Frankreich erhalten hatten und daſs die Hütte zu Vienne die erste war, welche dasselbe einführte. Während man bei kaltem Winde für 100 kg Roheisen 254,87 kg Koks verbraucht hatte, erforderten 100 kg bei heiſsem Winde nur 131,82 kg, wozu noch 14,42 kg Koks als Äquivalent für die zur Winderhitzung verbrauchten Steinkohlen 1) Siehe Journal des connaissances usuelles, Juli 1833, S. 23; Dinglers polyt. Journ., Bd. 49, S. 189; Annales des mines, 3. Ser., IV, 87.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/438>, abgerufen am 19.05.2024.