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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Chemie 1801 bis 1815.
Irrtum beruhe, indem ein stahlartiges Produkt hierbei nur dann er-
halten würde, wenn die kohlenden Gase des Brennmaterials in den
Tiegel eindringen könnten. Dagegen gelang es ihm allerdings, Guss-
stahl durch Zusammenschmelzen von Stabeisen mit Kohlen bei sehr
hoher Temperatur zu erzeugen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen
ist kurz zusammengestellt in dem Patent, welches er am 13. No-
vember 1800 nahm (Nr. 2447) 1).

"Gemenge von Schmiedeeisen mit Holzkohle, Koks, Graphit oder
anderen kohlenden Substanzen werden in Tiegeln in Öfen, welche
eine grosse Hitze erzeugen, geschmolzen, wodurch Gussstahl erzeugt
wird, welcher in Ingots oder Formen ausgegossen werden kann.
Durch Abänderung des Kohlenzusatzes von 1/200 bis zu 1/40 des Ge-
wichtes des Eisens lassen sich verschiedene Stahlsorten darstellen
und wird das Eisen um so weicher und leichter zu schweissen, je
geringer der Kohlenzusatz ist. Stabeisen kann auch für sich ge-
schmolzen werden, wobei es aber etwas Kohle aus den Feuergasen
aufnimmt, wodurch ein ganz weicher Stahl entsteht. Wenn etwa 1/40
Kohle zugesetzt wird, lässt sich der Stahl in Formen giessen und
lassen sich diese Stahlgussstücke feilen und polieren. Dieser Prozess
macht die Cementation des Eisens vor dem Einschmelzen zu Guss-
stahl überflüssig. Auch das Ausschmelzen der Erze im Hochofen und
die Umwandlung des erhaltenen Roheisens in Stabeisen lässt sich
vermeiden, wenn man reiche, reine Erze, nachdem man sie geröstet
hat, mit soviel Kohle zusammenschmilzt, dass daraus Gussstahl (Erz-
stahl) entsteht." In das Patent hat Mushet auch die übrigen von
Clouet angegebenen Methoden, insbesondere das Schmelzen mit
Kalk, Kreide oder anderen Karbonaten und mit Thon, Glas oder
anderen Flüssen mit aufgenommen.

Der Erfinder giebt ferner an, dass durch mehrtägiges Glühen
seines Gussstahls in Kohle oder Erde derselbe so schweissbar werde
wie deutscher Stahl. Die Koks bereitete er in geschlossenen Gefässen
oder Kammern, welche von aussen geheizt wurden. Einen besonderen
Erfolg hatte Mushet mit seinem Patent nicht, doch führten seine
Untersuchungen später zu dem wichtigen Verfahren von Heath.

Die Ansicht, dass der Sauerstoff ein wesentlicher Bestandteil des
Roheisens sei, war noch im Anfange des 19. Jahrhunderts ziemlich
allgemein angenommen; in Deutschland war es namentlich Lam-

1) Ferner findet man eine kurze Beschreibung seines Verfahrens in Crells
Chemischen Annalen 1802, I. Bd., S. 218.

Chemie 1801 bis 1815.
Irrtum beruhe, indem ein stahlartiges Produkt hierbei nur dann er-
halten würde, wenn die kohlenden Gase des Brennmaterials in den
Tiegel eindringen könnten. Dagegen gelang es ihm allerdings, Guſs-
stahl durch Zusammenschmelzen von Stabeisen mit Kohlen bei sehr
hoher Temperatur zu erzeugen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen
ist kurz zusammengestellt in dem Patent, welches er am 13. No-
vember 1800 nahm (Nr. 2447) 1).

„Gemenge von Schmiedeeisen mit Holzkohle, Koks, Graphit oder
anderen kohlenden Substanzen werden in Tiegeln in Öfen, welche
eine groſse Hitze erzeugen, geschmolzen, wodurch Guſsstahl erzeugt
wird, welcher in Ingots oder Formen ausgegossen werden kann.
Durch Abänderung des Kohlenzusatzes von 1/200 bis zu 1/40 des Ge-
wichtes des Eisens lassen sich verschiedene Stahlsorten darstellen
und wird das Eisen um so weicher und leichter zu schweiſsen, je
geringer der Kohlenzusatz ist. Stabeisen kann auch für sich ge-
schmolzen werden, wobei es aber etwas Kohle aus den Feuergasen
aufnimmt, wodurch ein ganz weicher Stahl entsteht. Wenn etwa 1/40
Kohle zugesetzt wird, läſst sich der Stahl in Formen gieſsen und
lassen sich diese Stahlguſsstücke feilen und polieren. Dieser Prozeſs
macht die Cementation des Eisens vor dem Einschmelzen zu Guſs-
stahl überflüssig. Auch das Ausschmelzen der Erze im Hochofen und
die Umwandlung des erhaltenen Roheisens in Stabeisen läſst sich
vermeiden, wenn man reiche, reine Erze, nachdem man sie geröstet
hat, mit soviel Kohle zusammenschmilzt, daſs daraus Guſsstahl (Erz-
stahl) entsteht.“ In das Patent hat Mushet auch die übrigen von
Clouet angegebenen Methoden, insbesondere das Schmelzen mit
Kalk, Kreide oder anderen Karbonaten und mit Thon, Glas oder
anderen Flüssen mit aufgenommen.

Der Erfinder giebt ferner an, daſs durch mehrtägiges Glühen
seines Guſsstahls in Kohle oder Erde derselbe so schweiſsbar werde
wie deutscher Stahl. Die Koks bereitete er in geschlossenen Gefäſsen
oder Kammern, welche von auſsen geheizt wurden. Einen besonderen
Erfolg hatte Mushet mit seinem Patent nicht, doch führten seine
Untersuchungen später zu dem wichtigen Verfahren von Heath.

Die Ansicht, daſs der Sauerstoff ein wesentlicher Bestandteil des
Roheisens sei, war noch im Anfange des 19. Jahrhunderts ziemlich
allgemein angenommen; in Deutschland war es namentlich Lam-

1) Ferner findet man eine kurze Beschreibung seines Verfahrens in Crells
Chemischen Annalen 1802, I. Bd., S. 218.
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[25/0041] Chemie 1801 bis 1815. Irrtum beruhe, indem ein stahlartiges Produkt hierbei nur dann er- halten würde, wenn die kohlenden Gase des Brennmaterials in den Tiegel eindringen könnten. Dagegen gelang es ihm allerdings, Guſs- stahl durch Zusammenschmelzen von Stabeisen mit Kohlen bei sehr hoher Temperatur zu erzeugen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen ist kurz zusammengestellt in dem Patent, welches er am 13. No- vember 1800 nahm (Nr. 2447) 1). „Gemenge von Schmiedeeisen mit Holzkohle, Koks, Graphit oder anderen kohlenden Substanzen werden in Tiegeln in Öfen, welche eine groſse Hitze erzeugen, geschmolzen, wodurch Guſsstahl erzeugt wird, welcher in Ingots oder Formen ausgegossen werden kann. Durch Abänderung des Kohlenzusatzes von 1/200 bis zu 1/40 des Ge- wichtes des Eisens lassen sich verschiedene Stahlsorten darstellen und wird das Eisen um so weicher und leichter zu schweiſsen, je geringer der Kohlenzusatz ist. Stabeisen kann auch für sich ge- schmolzen werden, wobei es aber etwas Kohle aus den Feuergasen aufnimmt, wodurch ein ganz weicher Stahl entsteht. Wenn etwa 1/40 Kohle zugesetzt wird, läſst sich der Stahl in Formen gieſsen und lassen sich diese Stahlguſsstücke feilen und polieren. Dieser Prozeſs macht die Cementation des Eisens vor dem Einschmelzen zu Guſs- stahl überflüssig. Auch das Ausschmelzen der Erze im Hochofen und die Umwandlung des erhaltenen Roheisens in Stabeisen läſst sich vermeiden, wenn man reiche, reine Erze, nachdem man sie geröstet hat, mit soviel Kohle zusammenschmilzt, daſs daraus Guſsstahl (Erz- stahl) entsteht.“ In das Patent hat Mushet auch die übrigen von Clouet angegebenen Methoden, insbesondere das Schmelzen mit Kalk, Kreide oder anderen Karbonaten und mit Thon, Glas oder anderen Flüssen mit aufgenommen. Der Erfinder giebt ferner an, daſs durch mehrtägiges Glühen seines Guſsstahls in Kohle oder Erde derselbe so schweiſsbar werde wie deutscher Stahl. Die Koks bereitete er in geschlossenen Gefäſsen oder Kammern, welche von auſsen geheizt wurden. Einen besonderen Erfolg hatte Mushet mit seinem Patent nicht, doch führten seine Untersuchungen später zu dem wichtigen Verfahren von Heath. Die Ansicht, daſs der Sauerstoff ein wesentlicher Bestandteil des Roheisens sei, war noch im Anfange des 19. Jahrhunderts ziemlich allgemein angenommen; in Deutschland war es namentlich Lam- 1) Ferner findet man eine kurze Beschreibung seines Verfahrens in Crells Chemischen Annalen 1802, I. Bd., S. 218.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/41>, abgerufen am 28.03.2024.