der Ruhr lagen, wurden damals alle noch mit Holzkohlen be- trieben.
Am 28. April 1820 war zu Sterkrade die erste doppeltwirkende Gebläsemaschine in Betrieb gesetzt worden und am 22. Juli desselben Jahres errichtete die Gutehoffnungshütte eine eigene Werkstätte für den Bau von Dampf- und Gebläsemaschinen. Es war dies die letzte Schöpfung Gottlob Jakobis, der so viel für die Eisenindustrie ge- wirkt hat und zu den Hauptförderern des Dampfmaschinenbetriebes in der deutschen Eisenindustrie gezählt werden muss. Die Eisen- hütten bei Sterkrade, die Gutehoffnungshütte und die Antonienhütte gingen damals noch ausschliesslich auf Gusswaren. Erstere hatte ausser dem Hochofen noch drei Kupolöfen (6 Fuss 5 Zoll, 6 Fuss 6 Zoll und 6 Fuss 9 Zoll hoch) und einen Flammofen, machte besonders Maschinen- guss und feineren Guss, während die Antonienhütte mehr die groben Gussstücke lieferte. Die Hochöfen wurden ausschliesslich mit Holz- kohlen betrieben.
Im Kreise Hamm erwarben sich Kaspar und Wilhelm Hob- recker Verdienste um Verbesserungen in der Eisenindustrie. Ersterer, 1819 von Amerika zurückgekehrt, legte mit seinem Bruder, der Schlosser war, an der Lippe ein Blechwalzwerk an. 1828 erweiterten sie die Anlage zu einem Eisenhammer mit Puddelofen und fügten später eine Drahtwalze und Drahtzieherei hinzu.
Freiherr Theodor von Dücker legte 1826 zu Rödinghausen ebenfalls ein Blechwalzwerk an. Durch diese Anlagen ging der Betrieb der Breithämmer im Kreise Olpe zurück.
Besonders wichtig waren aber die Gründungen von Piepen- stock, Vater und Sohn, zu Neu-Öye 1) und Hörde. Der alte Kaspar Diedrich Piepenstock war gewöhnlicher Arbeiter gewesen, hatte sich aber durch einen erstaunlichen Unternehmungs- und Geschäfts- geist zu einem bedeutenden Fabrikanten emporgearbeitet. Er machte anfänglich allein mit seiner Frau Haarnadeln und Haken und Augen, die er selbst auf dem Rücken nach Holland trug und dort ver- kaufte. Als sein Sohn Hermann Diedrich (geboren am 6. August 1782) heranwuchs, nahm er ihn mit auf den Hausierhandel, und bald konnten sie sich ein einspänniges Gefährt anschaffen. Von Jahr zu Jahr nahm der Absatz und der Verdienst zu, und der Gewinn war in den Kriegsjahren eher grösser als geringer. Als die napoleonische Herrschaft in Deutschland ein Ende hatte und der Friede zurück-
1) Siehe Jakobi, a. a. O., S. 357.
Deutschland bis 1830.
der Ruhr lagen, wurden damals alle noch mit Holzkohlen be- trieben.
Am 28. April 1820 war zu Sterkrade die erste doppeltwirkende Gebläsemaschine in Betrieb gesetzt worden und am 22. Juli desselben Jahres errichtete die Gutehoffnungshütte eine eigene Werkstätte für den Bau von Dampf- und Gebläsemaschinen. Es war dies die letzte Schöpfung Gottlob Jakobis, der so viel für die Eisenindustrie ge- wirkt hat und zu den Hauptförderern des Dampfmaschinenbetriebes in der deutschen Eisenindustrie gezählt werden muſs. Die Eisen- hütten bei Sterkrade, die Gutehoffnungshütte und die Antonienhütte gingen damals noch ausschlieſslich auf Guſswaren. Erstere hatte auſser dem Hochofen noch drei Kupolöfen (6 Fuſs 5 Zoll, 6 Fuſs 6 Zoll und 6 Fuſs 9 Zoll hoch) und einen Flammofen, machte besonders Maschinen- guſs und feineren Guſs, während die Antonienhütte mehr die groben Guſsstücke lieferte. Die Hochöfen wurden ausschlieſslich mit Holz- kohlen betrieben.
Im Kreise Hamm erwarben sich Kaspar und Wilhelm Hob- recker Verdienste um Verbesserungen in der Eisenindustrie. Ersterer, 1819 von Amerika zurückgekehrt, legte mit seinem Bruder, der Schlosser war, an der Lippe ein Blechwalzwerk an. 1828 erweiterten sie die Anlage zu einem Eisenhammer mit Puddelofen und fügten später eine Drahtwalze und Drahtzieherei hinzu.
Freiherr Theodor von Dücker legte 1826 zu Rödinghausen ebenfalls ein Blechwalzwerk an. Durch diese Anlagen ging der Betrieb der Breithämmer im Kreise Olpe zurück.
Besonders wichtig waren aber die Gründungen von Piepen- stock, Vater und Sohn, zu Neu-Öye 1) und Hörde. Der alte Kaspar Diedrich Piepenstock war gewöhnlicher Arbeiter gewesen, hatte sich aber durch einen erstaunlichen Unternehmungs- und Geschäfts- geist zu einem bedeutenden Fabrikanten emporgearbeitet. Er machte anfänglich allein mit seiner Frau Haarnadeln und Haken und Augen, die er selbst auf dem Rücken nach Holland trug und dort ver- kaufte. Als sein Sohn Hermann Diedrich (geboren am 6. August 1782) heranwuchs, nahm er ihn mit auf den Hausierhandel, und bald konnten sie sich ein einspänniges Gefährt anschaffen. Von Jahr zu Jahr nahm der Absatz und der Verdienst zu, und der Gewinn war in den Kriegsjahren eher gröſser als geringer. Als die napoleonische Herrschaft in Deutschland ein Ende hatte und der Friede zurück-
1) Siehe Jakobi, a. a. O., S. 357.
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Deutschland bis 1830.
der Ruhr lagen, wurden damals alle noch mit Holzkohlen be-
trieben.
Am 28. April 1820 war zu Sterkrade die erste doppeltwirkende
Gebläsemaschine in Betrieb gesetzt worden und am 22. Juli desselben
Jahres errichtete die Gutehoffnungshütte eine eigene Werkstätte für
den Bau von Dampf- und Gebläsemaschinen. Es war dies die letzte
Schöpfung Gottlob Jakobis, der so viel für die Eisenindustrie ge-
wirkt hat und zu den Hauptförderern des Dampfmaschinenbetriebes
in der deutschen Eisenindustrie gezählt werden muſs. Die Eisen-
hütten bei Sterkrade, die Gutehoffnungshütte und die Antonienhütte
gingen damals noch ausschlieſslich auf Guſswaren. Erstere hatte auſser
dem Hochofen noch drei Kupolöfen (6 Fuſs 5 Zoll, 6 Fuſs 6 Zoll und
6 Fuſs 9 Zoll hoch) und einen Flammofen, machte besonders Maschinen-
guſs und feineren Guſs, während die Antonienhütte mehr die groben
Guſsstücke lieferte. Die Hochöfen wurden ausschlieſslich mit Holz-
kohlen betrieben.
Im Kreise Hamm erwarben sich Kaspar und Wilhelm Hob-
recker Verdienste um Verbesserungen in der Eisenindustrie. Ersterer,
1819 von Amerika zurückgekehrt, legte mit seinem Bruder, der Schlosser
war, an der Lippe ein Blechwalzwerk an. 1828 erweiterten sie die
Anlage zu einem Eisenhammer mit Puddelofen und fügten später
eine Drahtwalze und Drahtzieherei hinzu.
Freiherr Theodor von Dücker legte 1826 zu Rödinghausen
ebenfalls ein Blechwalzwerk an. Durch diese Anlagen ging der Betrieb
der Breithämmer im Kreise Olpe zurück.
Besonders wichtig waren aber die Gründungen von Piepen-
stock, Vater und Sohn, zu Neu-Öye 1) und Hörde. Der alte Kaspar
Diedrich Piepenstock war gewöhnlicher Arbeiter gewesen, hatte
sich aber durch einen erstaunlichen Unternehmungs- und Geschäfts-
geist zu einem bedeutenden Fabrikanten emporgearbeitet. Er machte
anfänglich allein mit seiner Frau Haarnadeln und Haken und Augen,
die er selbst auf dem Rücken nach Holland trug und dort ver-
kaufte. Als sein Sohn Hermann Diedrich (geboren am 6. August
1782) heranwuchs, nahm er ihn mit auf den Hausierhandel, und bald
konnten sie sich ein einspänniges Gefährt anschaffen. Von Jahr zu
Jahr nahm der Absatz und der Verdienst zu, und der Gewinn war
in den Kriegsjahren eher gröſser als geringer. Als die napoleonische
Herrschaft in Deutschland ein Ende hatte und der Friede zurück-
1) Siehe Jakobi, a. a. O., S. 357.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/366>, abgerufen am 22.11.2024.
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