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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Belgien bis 1830.

Im Jahre 1803 hatte der Mechaniker Perier 1) in Paris eine Lie-
ferung von 3000 Stück 36-Pfünder-Kanonen für die französische Flotte
übernommen, worauf er in Raten 1700000 Franken an Vorschüssen er-
hielt. Er wählte Lüttich zum Platze für seine Giesserei und baute
innerhalb zweier Jahre eine grosse Anlage mit sechs Flammöfen, aus
denen er 20 Stück Rohre auf einmal giessen konnte. Er stellte sechs
Dampfmaschinen von 96 Pferdekräften mit einem Kostenaufwande
von 160000 Franken auf. Dem Betriebe stellten sich aber durch un-
geübte Arbeiter, Mangel an gutem Formsand u. s. w. solche Schwie-
rigkeiten in den Weg, dass er seinen Vertrag nicht erfüllen konnte,
in Konkurs geriet und die Regierung gezwungen wurde, das Werk
selbst zu übernehmen. Während des Kaiserreiches wurden etwa 7000 Ge-
schützrohre hier gegossen. Man benutzte nur Holzkohlenroheisen,
welches meistens von Doulong bei Longwy, St. Roche bei Couvin, Vaux,
Moniat, Bouvignes, Dieupart und Bouillon geliefert wurde.

Der Zusammenbruch der napoleonischen Macht befreite die Nieder-
lande von der Herrschaft Frankreichs. Für die belgische Eisenindustrie
war dies unmittelbar kein Vorteil. Sie verlor damit ihr wichtigstes
Absatzgebiet. Die Aussichten im Jahre 1815 schienen für die bel-
gische Eisenindustrie in der That trostlos. Hierzu kam, dass die
holländische Zollpolitik einseitig den Handel auf Kosten der inländi-
schen Industrie begünstigte. Da trat John Cockerill auf und brachte
einen Umschwung und Aufschwung der Eisenindustrie Belgiens zu-
stande, der erstaunlich war.

John Cockerill war als der jüngste Sohn des Mechanikers
William Cockerill 1790 zu Haslington in Lancastershire geboren.
Bald nach seiner Geburt verliess der Vater, ein geschickter und unter-
nehmender Mann, mit seinen älteren Söhnen, William und James,
sein Vaterland, um in Schweden und Belgien seine verbesserten Spinn-
maschinen zu bauen und zu vertreiben. 1802 folgte der 12jährige
John seinem Vater nach Verviers. Sein ältester Bruder William
gründete in Frankreich eine Fabrik, und als diese abbrannte, wandte
er sich 1816 nach Guben in Preussen, errichtete dort eine grosse
Spinnerei mit Dampfbetrieb und erhob Guben zu einer der ansehn-
lichsten und gewerbreichsten Fabrikstädte des preussischen Staates.
Der alte Cockerill legte 1807 mit seinen Söhnen James und John eine
Maschinenbauanstalt in Lüttich an. Schon 1805 hatte der 15jährige

1) Jaques Constantin Perier, geb. 1742 zu Paris, hatte zuerst die
Dampfmaschine in Frankreich eingeführt, die beiden grossen Dampfpumpen zu
Chaillot und eine dritte zu Grand-Caillou erbaut (vergl. Bd. III, Perier).
Belgien bis 1830.

Im Jahre 1803 hatte der Mechaniker Perier 1) in Paris eine Lie-
ferung von 3000 Stück 36-Pfünder-Kanonen für die französische Flotte
übernommen, worauf er in Raten 1700000 Franken an Vorschüssen er-
hielt. Er wählte Lüttich zum Platze für seine Gieſserei und baute
innerhalb zweier Jahre eine groſse Anlage mit sechs Flammöfen, aus
denen er 20 Stück Rohre auf einmal gieſsen konnte. Er stellte sechs
Dampfmaschinen von 96 Pferdekräften mit einem Kostenaufwande
von 160000 Franken auf. Dem Betriebe stellten sich aber durch un-
geübte Arbeiter, Mangel an gutem Formsand u. s. w. solche Schwie-
rigkeiten in den Weg, daſs er seinen Vertrag nicht erfüllen konnte,
in Konkurs geriet und die Regierung gezwungen wurde, das Werk
selbst zu übernehmen. Während des Kaiserreiches wurden etwa 7000 Ge-
schützrohre hier gegossen. Man benutzte nur Holzkohlenroheisen,
welches meistens von Doulong bei Longwy, St. Roche bei Couvin, Vaux,
Moniat, Bouvignes, Dieupart und Bouillon geliefert wurde.

Der Zusammenbruch der napoleonischen Macht befreite die Nieder-
lande von der Herrschaft Frankreichs. Für die belgische Eisenindustrie
war dies unmittelbar kein Vorteil. Sie verlor damit ihr wichtigstes
Absatzgebiet. Die Aussichten im Jahre 1815 schienen für die bel-
gische Eisenindustrie in der That trostlos. Hierzu kam, daſs die
holländische Zollpolitik einseitig den Handel auf Kosten der inländi-
schen Industrie begünstigte. Da trat John Cockerill auf und brachte
einen Umschwung und Aufschwung der Eisenindustrie Belgiens zu-
stande, der erstaunlich war.

John Cockerill war als der jüngste Sohn des Mechanikers
William Cockerill 1790 zu Haslington in Lancastershire geboren.
Bald nach seiner Geburt verlieſs der Vater, ein geschickter und unter-
nehmender Mann, mit seinen älteren Söhnen, William und James,
sein Vaterland, um in Schweden und Belgien seine verbesserten Spinn-
maschinen zu bauen und zu vertreiben. 1802 folgte der 12jährige
John seinem Vater nach Verviers. Sein ältester Bruder William
gründete in Frankreich eine Fabrik, und als diese abbrannte, wandte
er sich 1816 nach Guben in Preuſsen, errichtete dort eine groſse
Spinnerei mit Dampfbetrieb und erhob Guben zu einer der ansehn-
lichsten und gewerbreichsten Fabrikstädte des preuſsischen Staates.
Der alte Cockerill legte 1807 mit seinen Söhnen James und John eine
Maschinenbauanstalt in Lüttich an. Schon 1805 hatte der 15jährige

1) Jaques Constantin Perier, geb. 1742 zu Paris, hatte zuerst die
Dampfmaschine in Frankreich eingeführt, die beiden groſsen Dampfpumpen zu
Chaillot und eine dritte zu Grand-Caillou erbaut (vergl. Bd. III, Perier).
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[338/0354] Belgien bis 1830. Im Jahre 1803 hatte der Mechaniker Perier 1) in Paris eine Lie- ferung von 3000 Stück 36-Pfünder-Kanonen für die französische Flotte übernommen, worauf er in Raten 1700000 Franken an Vorschüssen er- hielt. Er wählte Lüttich zum Platze für seine Gieſserei und baute innerhalb zweier Jahre eine groſse Anlage mit sechs Flammöfen, aus denen er 20 Stück Rohre auf einmal gieſsen konnte. Er stellte sechs Dampfmaschinen von 96 Pferdekräften mit einem Kostenaufwande von 160000 Franken auf. Dem Betriebe stellten sich aber durch un- geübte Arbeiter, Mangel an gutem Formsand u. s. w. solche Schwie- rigkeiten in den Weg, daſs er seinen Vertrag nicht erfüllen konnte, in Konkurs geriet und die Regierung gezwungen wurde, das Werk selbst zu übernehmen. Während des Kaiserreiches wurden etwa 7000 Ge- schützrohre hier gegossen. Man benutzte nur Holzkohlenroheisen, welches meistens von Doulong bei Longwy, St. Roche bei Couvin, Vaux, Moniat, Bouvignes, Dieupart und Bouillon geliefert wurde. Der Zusammenbruch der napoleonischen Macht befreite die Nieder- lande von der Herrschaft Frankreichs. Für die belgische Eisenindustrie war dies unmittelbar kein Vorteil. Sie verlor damit ihr wichtigstes Absatzgebiet. Die Aussichten im Jahre 1815 schienen für die bel- gische Eisenindustrie in der That trostlos. Hierzu kam, daſs die holländische Zollpolitik einseitig den Handel auf Kosten der inländi- schen Industrie begünstigte. Da trat John Cockerill auf und brachte einen Umschwung und Aufschwung der Eisenindustrie Belgiens zu- stande, der erstaunlich war. John Cockerill war als der jüngste Sohn des Mechanikers William Cockerill 1790 zu Haslington in Lancastershire geboren. Bald nach seiner Geburt verlieſs der Vater, ein geschickter und unter- nehmender Mann, mit seinen älteren Söhnen, William und James, sein Vaterland, um in Schweden und Belgien seine verbesserten Spinn- maschinen zu bauen und zu vertreiben. 1802 folgte der 12jährige John seinem Vater nach Verviers. Sein ältester Bruder William gründete in Frankreich eine Fabrik, und als diese abbrannte, wandte er sich 1816 nach Guben in Preuſsen, errichtete dort eine groſse Spinnerei mit Dampfbetrieb und erhob Guben zu einer der ansehn- lichsten und gewerbreichsten Fabrikstädte des preuſsischen Staates. Der alte Cockerill legte 1807 mit seinen Söhnen James und John eine Maschinenbauanstalt in Lüttich an. Schon 1805 hatte der 15jährige 1) Jaques Constantin Perier, geb. 1742 zu Paris, hatte zuerst die Dampfmaschine in Frankreich eingeführt, die beiden groſsen Dampfpumpen zu Chaillot und eine dritte zu Grand-Caillou erbaut (vergl. Bd. III, Perier).

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/354>, abgerufen am 23.11.2024.