Dieses Wachstum der englischen Eisenindustrie vollzog sich aber unter heftigen handelspolitischen Stürmen. Zwei schwere Handels- krisen hatte England in der Zeit von 1815 bis 1830 durchzumachen. Die erste brach 1815 nach dem Wiener Frieden infolge der Über- produktion der englischen Fabriken, welche die Kaufkraft des Kon- tinents bedeutend überschätzt hatten, aus; die zweite von 1825 war hauptsächlich durch Aktienschwindel veranlasst. Auch übte die Zoll- politik einen grossen Einfluss auf den Eisenhandel aus.
England war bis zu dem Jahre 1825 streng schutzzöllnerisch. Die Einfuhrzölle auf Eisen waren vom Beginn des 19. Jahrhunderts an fortwährend gestiegen und betrugen nahezu 100 Proz. des inländischen Eisenpreises. 1819 erreichten sie die Höhe von 6 £ 10 sh. pro Tonne für Stabeisen, welches auf englischen Schiffen, und 7 £ 18 sh. 6 Pf für Eisen, welches auf fremden Schiffen eingeführt wurde. Die Einfuhr von fremdem Roheisen war bis 1823 gänzlich verboten. 1822 kostete englisches Roheisen in London 6 bis 7 £, und Shropshire-Stabeisen in Bristol 7 £ 10 sh. die Tonne. Der Bedarf an Eisen nahm von Jahr zu Jahr zu, und trat infolgedessen von 1824 an eine ausserordentliche Preissteigerung ein, die namentlich die Maschinenfabriken, welche einen grossen Absatz im Auslande hatten, empfindlich traf. Infolgedessen beantragte der Sekretär des Schatzamts Herries, auf Veranlassung des Ministers Huskisson, bei der Vorlage des Budgets im Jahre 1825 eine bedeutende Reduktion der Eisenzölle. Er wollte den Zoll von 6 £ 10 sh. auf 1 £ 10 sh. pro Tonne herabgesetzt haben. Seinen Antrag begründete er in überzeugender Weise aus der Lage des eng- lischen Handels. Die ungeheure Preissteigerung des Eisens bedrücke viele englische Industrieen schwer. Dieselbe sei nicht hervorgerufen durch Spekulation, sondern durch den wachsenden Bedarf. Er werde also von der englischen Industrie bezahlt. Die hohen Eisenpreise, welche diese zu zahlen hätten, kämen nur der ausländischen Kon- kurrenz zu gut. Es sei ihm bekannt, dass grosse ausländische Ordres, welche in Sheffield und Birmingham vorgelegen hätten, nicht hätten ausgeführt werden können, weil sie wegen des hohen Eisenzolles nicht zu den Preisen, welche von der ausländischen Konkurrenz gestellt wurden, arbeiten konnten. Es sei keine gesunde Politik, Schutzzölle aufrecht zu erhalten, welche wichtige inländische Industriezweige lahm legten. Selbst die einsichtsvollen Produzenten hielten die jetzigen Zölle für ungesund und dem Lande schädlich. Der Ausfall der Zolleinnahmen für den Staat sei gar nicht in Betracht zu ziehen. Er sei überzeugt, dass die Herabsetzung der Zölle nach Ablauf eines
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England 1816 bis 1830.
Dieses Wachstum der englischen Eisenindustrie vollzog sich aber unter heftigen handelspolitischen Stürmen. Zwei schwere Handels- krisen hatte England in der Zeit von 1815 bis 1830 durchzumachen. Die erste brach 1815 nach dem Wiener Frieden infolge der Über- produktion der englischen Fabriken, welche die Kaufkraft des Kon- tinents bedeutend überschätzt hatten, aus; die zweite von 1825 war hauptsächlich durch Aktienschwindel veranlaſst. Auch übte die Zoll- politik einen groſsen Einfluſs auf den Eisenhandel aus.
England war bis zu dem Jahre 1825 streng schutzzöllnerisch. Die Einfuhrzölle auf Eisen waren vom Beginn des 19. Jahrhunderts an fortwährend gestiegen und betrugen nahezu 100 Proz. des inländischen Eisenpreises. 1819 erreichten sie die Höhe von 6 £ 10 sh. pro Tonne für Stabeisen, welches auf englischen Schiffen, und 7 £ 18 sh. 6 ₰ für Eisen, welches auf fremden Schiffen eingeführt wurde. Die Einfuhr von fremdem Roheisen war bis 1823 gänzlich verboten. 1822 kostete englisches Roheisen in London 6 bis 7 £, und Shropshire-Stabeisen in Bristol 7 £ 10 sh. die Tonne. Der Bedarf an Eisen nahm von Jahr zu Jahr zu, und trat infolgedessen von 1824 an eine auſserordentliche Preissteigerung ein, die namentlich die Maschinenfabriken, welche einen groſsen Absatz im Auslande hatten, empfindlich traf. Infolgedessen beantragte der Sekretär des Schatzamts Herries, auf Veranlassung des Ministers Huskisson, bei der Vorlage des Budgets im Jahre 1825 eine bedeutende Reduktion der Eisenzölle. Er wollte den Zoll von 6 £ 10 sh. auf 1 £ 10 sh. pro Tonne herabgesetzt haben. Seinen Antrag begründete er in überzeugender Weise aus der Lage des eng- lischen Handels. Die ungeheure Preissteigerung des Eisens bedrücke viele englische Industrieen schwer. Dieselbe sei nicht hervorgerufen durch Spekulation, sondern durch den wachsenden Bedarf. Er werde also von der englischen Industrie bezahlt. Die hohen Eisenpreise, welche diese zu zahlen hätten, kämen nur der ausländischen Kon- kurrenz zu gut. Es sei ihm bekannt, daſs groſse ausländische Ordres, welche in Sheffield und Birmingham vorgelegen hätten, nicht hätten ausgeführt werden können, weil sie wegen des hohen Eisenzolles nicht zu den Preisen, welche von der ausländischen Konkurrenz gestellt wurden, arbeiten konnten. Es sei keine gesunde Politik, Schutzzölle aufrecht zu erhalten, welche wichtige inländische Industriezweige lahm legten. Selbst die einsichtsvollen Produzenten hielten die jetzigen Zölle für ungesund und dem Lande schädlich. Der Ausfall der Zolleinnahmen für den Staat sei gar nicht in Betracht zu ziehen. Er sei überzeugt, daſs die Herabsetzung der Zölle nach Ablauf eines
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England 1816 bis 1830.
Dieses Wachstum der englischen Eisenindustrie vollzog sich aber
unter heftigen handelspolitischen Stürmen. Zwei schwere Handels-
krisen hatte England in der Zeit von 1815 bis 1830 durchzumachen.
Die erste brach 1815 nach dem Wiener Frieden infolge der Über-
produktion der englischen Fabriken, welche die Kaufkraft des Kon-
tinents bedeutend überschätzt hatten, aus; die zweite von 1825 war
hauptsächlich durch Aktienschwindel veranlaſst. Auch übte die Zoll-
politik einen groſsen Einfluſs auf den Eisenhandel aus.
England war bis zu dem Jahre 1825 streng schutzzöllnerisch.
Die Einfuhrzölle auf Eisen waren vom Beginn des 19. Jahrhunderts an
fortwährend gestiegen und betrugen nahezu 100 Proz. des inländischen
Eisenpreises. 1819 erreichten sie die Höhe von 6 £ 10 sh. pro Tonne
für Stabeisen, welches auf englischen Schiffen, und 7 £ 18 sh. 6 ₰ für
Eisen, welches auf fremden Schiffen eingeführt wurde. Die Einfuhr
von fremdem Roheisen war bis 1823 gänzlich verboten. 1822 kostete
englisches Roheisen in London 6 bis 7 £, und Shropshire-Stabeisen
in Bristol 7 £ 10 sh. die Tonne. Der Bedarf an Eisen nahm von Jahr
zu Jahr zu, und trat infolgedessen von 1824 an eine auſserordentliche
Preissteigerung ein, die namentlich die Maschinenfabriken, welche
einen groſsen Absatz im Auslande hatten, empfindlich traf. Infolgedessen
beantragte der Sekretär des Schatzamts Herries, auf Veranlassung
des Ministers Huskisson, bei der Vorlage des Budgets im Jahre 1825
eine bedeutende Reduktion der Eisenzölle. Er wollte den Zoll von
6 £ 10 sh. auf 1 £ 10 sh. pro Tonne herabgesetzt haben. Seinen
Antrag begründete er in überzeugender Weise aus der Lage des eng-
lischen Handels. Die ungeheure Preissteigerung des Eisens bedrücke
viele englische Industrieen schwer. Dieselbe sei nicht hervorgerufen
durch Spekulation, sondern durch den wachsenden Bedarf. Er werde
also von der englischen Industrie bezahlt. Die hohen Eisenpreise,
welche diese zu zahlen hätten, kämen nur der ausländischen Kon-
kurrenz zu gut. Es sei ihm bekannt, daſs groſse ausländische Ordres,
welche in Sheffield und Birmingham vorgelegen hätten, nicht hätten
ausgeführt werden können, weil sie wegen des hohen Eisenzolles nicht
zu den Preisen, welche von der ausländischen Konkurrenz gestellt
wurden, arbeiten konnten. Es sei keine gesunde Politik, Schutzzölle
aufrecht zu erhalten, welche wichtige inländische Industriezweige
lahm legten. Selbst die einsichtsvollen Produzenten hielten die
jetzigen Zölle für ungesund und dem Lande schädlich. Der Ausfall
der Zolleinnahmen für den Staat sei gar nicht in Betracht zu ziehen.
Er sei überzeugt, daſs die Herabsetzung der Zölle nach Ablauf eines
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/339>, abgerufen am 24.11.2024.
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