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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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strebungen entgegen, indem sie möglichst freie Entfaltung des Hand-
werks erstrebten, denn Freiheit sei das beste Mittel, um den Kauf-
leuten zu ermöglichen, den Arbeitern gute Bedingungen zu stellen.

Ein feindseliges Verhältnis herrschte auch zwischen den Schmieden
und den Schleifern. Die Schleifkotten gehörten fast ausschliesslich
der Familie Pickard. Diese hatte es also in der Hand, die Schleiflöhne
zu bestimmen und hielt sie hoch. Das passte den Schmieden nicht,
und sie behaupteten, berechtigt zu sein, ihre Kleineisenwaren schleifen
zu lassen, wo sie wollten; das Privilegium der Schleifer beziehe sich
nur auf die weissen Sensen, auf welche Fabrikation die Zunft ur-
sprünglich begründet gewesen war. Diese Fabrikation hatte aber
fast gänzlich aufgehört, indem sie teils nach der Mark verzogen, teils
durch die blauen Sensen verdrängt war. Gegen diese Auslegung der
Schmiede riefen die Schleifer den Rechtsschutz an, und die Gerichte
entschieden in zahlreichen Prozessen zu ihren Gunsten. Die Schleifer
behaupteten durch das ganze 18. Jahrhundert ihr Monopol und ihre
hohen Löhne, wodurch aber die Konkurrenz mit der Mark immer
schwieriger wurde. Die Zahl der Eisenwarenfabriken nahm von Jahr
zu Jahr zu, die der Schleifkotten aber nicht. Da traf die Remscheider
Industrie ein schwerer Schlag durch die Einführung hoher Schutz-
zölle auf Eisen- und Stahlwaren in Frankreich. Der Eingangszoll
auf grobe Stahlwaren betrug 10 Proz., auf Sensen, Sägen u. s. w.
20 Proz., auf feinere Stahl- und Messingwaren 371/2 Proz. Dadurch
wurde die Einfuhr nach Frankreich unmöglich gemacht, Remscheid
verlor seinen besten Markt. Frankreich strebte danach, diese Indu-
strie im eigenen Lande wieder anzusiedeln und veranlasste die ber-
gischen Schmiede durch glänzende Versprechungen zur Auswanderung.
Ein Kaufmann Brink erliess beispielsweise von Lothringen aus einen
Aufruf, in welchem er freie Wohnung, 5000 Pfd. Steinkohlen jährlich
frei, 20 Proz. Lohnerhöhung gegen Remscheid und volle Beschäftigung.
versprach. Bis zum Jahre 1797 waren aus Kronenberg 127, aus
Remscheid etwa 200 Personen ausgewandert; die Hungerjahre 1794
bis 1796, verbunden mit einer vollständigen Stockung der Geschäfte,
hatten hierzu am meisten beigetragen. 300 Eisenarbeiter wanderten in
diesen Jahren nach Nordamerika aus, doch fanden dort damals nur
wenige ihr Glück. Eine grosse Zahl wanderte 1796 in die Gegend
von Danzig aus, wo sie am sogen. Silberhammer, einer der 1772 ge-
gründeten Seehandlung gehörigen Stahl- und Eisenwarenfabrik, Be-
schäftigung fanden.

Die Kaufleute kauften ihre Ware in der Mark billiger ein, in-

Westfalen und die Rheinlande.
strebungen entgegen, indem sie möglichst freie Entfaltung des Hand-
werks erstrebten, denn Freiheit sei das beste Mittel, um den Kauf-
leuten zu ermöglichen, den Arbeitern gute Bedingungen zu stellen.

Ein feindseliges Verhältnis herrschte auch zwischen den Schmieden
und den Schleifern. Die Schleifkotten gehörten fast ausschlieſslich
der Familie Pickard. Diese hatte es also in der Hand, die Schleiflöhne
zu bestimmen und hielt sie hoch. Das paſste den Schmieden nicht,
und sie behaupteten, berechtigt zu sein, ihre Kleineisenwaren schleifen
zu lassen, wo sie wollten; das Privilegium der Schleifer beziehe sich
nur auf die weiſsen Sensen, auf welche Fabrikation die Zunft ur-
sprünglich begründet gewesen war. Diese Fabrikation hatte aber
fast gänzlich aufgehört, indem sie teils nach der Mark verzogen, teils
durch die blauen Sensen verdrängt war. Gegen diese Auslegung der
Schmiede riefen die Schleifer den Rechtsschutz an, und die Gerichte
entschieden in zahlreichen Prozessen zu ihren Gunsten. Die Schleifer
behaupteten durch das ganze 18. Jahrhundert ihr Monopol und ihre
hohen Löhne, wodurch aber die Konkurrenz mit der Mark immer
schwieriger wurde. Die Zahl der Eisenwarenfabriken nahm von Jahr
zu Jahr zu, die der Schleifkotten aber nicht. Da traf die Remscheider
Industrie ein schwerer Schlag durch die Einführung hoher Schutz-
zölle auf Eisen- und Stahlwaren in Frankreich. Der Eingangszoll
auf grobe Stahlwaren betrug 10 Proz., auf Sensen, Sägen u. s. w.
20 Proz., auf feinere Stahl- und Messingwaren 37½ Proz. Dadurch
wurde die Einfuhr nach Frankreich unmöglich gemacht, Remscheid
verlor seinen besten Markt. Frankreich strebte danach, diese Indu-
strie im eigenen Lande wieder anzusiedeln und veranlaſste die ber-
gischen Schmiede durch glänzende Versprechungen zur Auswanderung.
Ein Kaufmann Brink erlieſs beispielsweise von Lothringen aus einen
Aufruf, in welchem er freie Wohnung, 5000 Pfd. Steinkohlen jährlich
frei, 20 Proz. Lohnerhöhung gegen Remscheid und volle Beschäftigung.
versprach. Bis zum Jahre 1797 waren aus Kronenberg 127, aus
Remscheid etwa 200 Personen ausgewandert; die Hungerjahre 1794
bis 1796, verbunden mit einer vollständigen Stockung der Geschäfte,
hatten hierzu am meisten beigetragen. 300 Eisenarbeiter wanderten in
diesen Jahren nach Nordamerika aus, doch fanden dort damals nur
wenige ihr Glück. Eine groſse Zahl wanderte 1796 in die Gegend
von Danzig aus, wo sie am sogen. Silberhammer, einer der 1772 ge-
gründeten Seehandlung gehörigen Stahl- und Eisenwarenfabrik, Be-
schäftigung fanden.

Die Kaufleute kauften ihre Ware in der Mark billiger ein, in-

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[975/0989] Westfalen und die Rheinlande. strebungen entgegen, indem sie möglichst freie Entfaltung des Hand- werks erstrebten, denn Freiheit sei das beste Mittel, um den Kauf- leuten zu ermöglichen, den Arbeitern gute Bedingungen zu stellen. Ein feindseliges Verhältnis herrschte auch zwischen den Schmieden und den Schleifern. Die Schleifkotten gehörten fast ausschlieſslich der Familie Pickard. Diese hatte es also in der Hand, die Schleiflöhne zu bestimmen und hielt sie hoch. Das paſste den Schmieden nicht, und sie behaupteten, berechtigt zu sein, ihre Kleineisenwaren schleifen zu lassen, wo sie wollten; das Privilegium der Schleifer beziehe sich nur auf die weiſsen Sensen, auf welche Fabrikation die Zunft ur- sprünglich begründet gewesen war. Diese Fabrikation hatte aber fast gänzlich aufgehört, indem sie teils nach der Mark verzogen, teils durch die blauen Sensen verdrängt war. Gegen diese Auslegung der Schmiede riefen die Schleifer den Rechtsschutz an, und die Gerichte entschieden in zahlreichen Prozessen zu ihren Gunsten. Die Schleifer behaupteten durch das ganze 18. Jahrhundert ihr Monopol und ihre hohen Löhne, wodurch aber die Konkurrenz mit der Mark immer schwieriger wurde. Die Zahl der Eisenwarenfabriken nahm von Jahr zu Jahr zu, die der Schleifkotten aber nicht. Da traf die Remscheider Industrie ein schwerer Schlag durch die Einführung hoher Schutz- zölle auf Eisen- und Stahlwaren in Frankreich. Der Eingangszoll auf grobe Stahlwaren betrug 10 Proz., auf Sensen, Sägen u. s. w. 20 Proz., auf feinere Stahl- und Messingwaren 37½ Proz. Dadurch wurde die Einfuhr nach Frankreich unmöglich gemacht, Remscheid verlor seinen besten Markt. Frankreich strebte danach, diese Indu- strie im eigenen Lande wieder anzusiedeln und veranlaſste die ber- gischen Schmiede durch glänzende Versprechungen zur Auswanderung. Ein Kaufmann Brink erlieſs beispielsweise von Lothringen aus einen Aufruf, in welchem er freie Wohnung, 5000 Pfd. Steinkohlen jährlich frei, 20 Proz. Lohnerhöhung gegen Remscheid und volle Beschäftigung. versprach. Bis zum Jahre 1797 waren aus Kronenberg 127, aus Remscheid etwa 200 Personen ausgewandert; die Hungerjahre 1794 bis 1796, verbunden mit einer vollständigen Stockung der Geschäfte, hatten hierzu am meisten beigetragen. 300 Eisenarbeiter wanderten in diesen Jahren nach Nordamerika aus, doch fanden dort damals nur wenige ihr Glück. Eine groſse Zahl wanderte 1796 in die Gegend von Danzig aus, wo sie am sogen. Silberhammer, einer der 1772 ge- gründeten Seehandlung gehörigen Stahl- und Eisenwarenfabrik, Be- schäftigung fanden. Die Kaufleute kauften ihre Ware in der Mark billiger ein, in-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 975. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/989>, abgerufen am 26.11.2024.