brachten. In vorhandenen alten Akten von 1770, betreffend die Be- schreibung der Eisen- und Drahtfabriken, wird lebhaft geklagt1), dass der Osemund, soweit er nicht zu Draht gezogen würde, ferner das Stabeisen und der gare Stahl ausser Landes, namentlich ins Bergische wanderten, wo man aus märkischen Metallen und mit märkischen Steinkohlen die Waren fertige, welche nach allen vier Teilen der Welt gingen. In den gewerbereichsten Orten des Bergischen bestehe über die Hälfte der Bevölkerung aus märkischen Unterthanen. Wer nur eben "gross gefüttert" sei und merke, dass er "zu dienen ka- pabel", entweiche ins Ausland. "Werbefreiheit" sei das Zauberwort, welches die Mark in ein gewerbreiches Land verwandeln könne. Der General Wolff von Wolffersdorf (in Hamm) und seine Offiziere möchten sich dafür umsomehr an den Hellweg halten, woselbst, indem man dort nur allein mit dem Ackerbau zu schaffen habe, keine Privilegierung des Landes zu hoffen.
Nur die Drahtosemund- und Drahtfabrikation waren durch Kan- tonfreiheit geschützt, und Friedrich der Grosse hielt strenge darauf, was genannter General Wolff erfahren musste, der einen unglücklichen Versuch, die Altenaer Cyklopen unter die Spiessruten zu bringen, beinahe, wie der König droht, mit Spandau gebüsst, "die mauvaise Geschichte in Erwägung der sonstigen Meriten für diesmal pardonnirend". Sonst war der König auf die Markaner, wegen ihrer Abneigung gegen den Soldatendienst, schlecht zu sprechen und betrachtete sie als widerspenstige Unterthanen. "Friedrich der Einzige", sagt J. Fr. Möller, "kannte unter allen Provinzen seines Reiches am allerwenigsten seine westfälische Mark, er hat sie niemals bereist, der Strom seiner königlichen Wohlthaten reichte nicht zu uns." Erst in den 80er Jahren wurde der Nachteil und die Ursache der Auswanderung lebhafter erkannt. Es war dies ein grosses Ver- dienst des um die Mark soviel verdienten, bürgerfreundlichen, ge- werbskundigen und von unseren Vorfahren in jeder Beziehung hoch- gefeierten Ministers von Heinitz. Auf seine Vorstellung hin wurde die ganze Fabrikgegend für kantonfrei erklärt, die Werbungen auf einen mässigen Fuss gesetzt und den Ausgetretenen Generalpardon bewilligt. "Am späten Abend seines Lebens sah der königliche Greis auf die Mark mit seiner Huld herab." Daraufhin kehrten die Aus- wanderer in Scharen zurück, brachten gleichsam als Sühngeld die im Bergischen erworbene Kunstfertigkeit mit und zogen eine Menge Fremder hinter sich her.
1) Siehe Jacobi, a. a. O., S. 336.
Westfalen und die Rheinlande.
brachten. In vorhandenen alten Akten von 1770, betreffend die Be- schreibung der Eisen- und Drahtfabriken, wird lebhaft geklagt1), daſs der Osemund, soweit er nicht zu Draht gezogen würde, ferner das Stabeisen und der gare Stahl auſser Landes, namentlich ins Bergische wanderten, wo man aus märkischen Metallen und mit märkischen Steinkohlen die Waren fertige, welche nach allen vier Teilen der Welt gingen. In den gewerbereichsten Orten des Bergischen bestehe über die Hälfte der Bevölkerung aus märkischen Unterthanen. Wer nur eben „groſs gefüttert“ sei und merke, daſs er „zu dienen ka- pabel“, entweiche ins Ausland. „Werbefreiheit“ sei das Zauberwort, welches die Mark in ein gewerbreiches Land verwandeln könne. Der General Wolff von Wolffersdorf (in Hamm) und seine Offiziere möchten sich dafür umsomehr an den Hellweg halten, woselbst, indem man dort nur allein mit dem Ackerbau zu schaffen habe, keine Privilegierung des Landes zu hoffen.
Nur die Drahtosemund- und Drahtfabrikation waren durch Kan- tonfreiheit geschützt, und Friedrich der Groſse hielt strenge darauf, was genannter General Wolff erfahren muſste, der einen unglücklichen Versuch, die Altenaer Cyklopen unter die Spieſsruten zu bringen, beinahe, wie der König droht, mit Spandau gebüſst, „die mauvaise Geschichte in Erwägung der sonstigen Meriten für diesmal pardonnirend“. Sonst war der König auf die Markaner, wegen ihrer Abneigung gegen den Soldatendienst, schlecht zu sprechen und betrachtete sie als widerspenstige Unterthanen. „Friedrich der Einzige“, sagt J. Fr. Möller, „kannte unter allen Provinzen seines Reiches am allerwenigsten seine westfälische Mark, er hat sie niemals bereist, der Strom seiner königlichen Wohlthaten reichte nicht zu uns.“ Erst in den 80er Jahren wurde der Nachteil und die Ursache der Auswanderung lebhafter erkannt. Es war dies ein groſses Ver- dienst des um die Mark soviel verdienten, bürgerfreundlichen, ge- werbskundigen und von unseren Vorfahren in jeder Beziehung hoch- gefeierten Ministers von Heinitz. Auf seine Vorstellung hin wurde die ganze Fabrikgegend für kantonfrei erklärt, die Werbungen auf einen mäſsigen Fuſs gesetzt und den Ausgetretenen Generalpardon bewilligt. „Am späten Abend seines Lebens sah der königliche Greis auf die Mark mit seiner Huld herab.“ Daraufhin kehrten die Aus- wanderer in Scharen zurück, brachten gleichsam als Sühngeld die im Bergischen erworbene Kunstfertigkeit mit und zogen eine Menge Fremder hinter sich her.
1) Siehe Jacobi, a. a. O., S. 336.
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der Osemund, soweit er nicht zu Draht gezogen würde, ferner das
Stabeisen und der gare Stahl auſser Landes, namentlich ins Bergische
wanderten, wo man aus märkischen Metallen und mit märkischen
Steinkohlen die Waren fertige, welche nach allen vier Teilen der
Welt gingen. In den gewerbereichsten Orten des Bergischen bestehe
über die Hälfte der Bevölkerung aus märkischen Unterthanen. Wer
nur eben „groſs gefüttert“ sei und merke, daſs er „zu dienen ka-
pabel“, entweiche ins Ausland. „Werbefreiheit“ sei das Zauberwort,
welches die Mark in ein gewerbreiches Land verwandeln könne. Der
General Wolff von Wolffersdorf (in Hamm) und seine Offiziere
möchten sich dafür umsomehr an den Hellweg halten, woselbst, indem
man dort nur allein mit dem Ackerbau zu schaffen habe, keine
Privilegierung des Landes zu hoffen.
Nur die Drahtosemund- und Drahtfabrikation waren durch Kan-
tonfreiheit geschützt, und Friedrich der Groſse hielt strenge
darauf, was genannter General Wolff erfahren muſste, der einen
unglücklichen Versuch, die Altenaer Cyklopen unter die Spieſsruten
zu bringen, beinahe, wie der König droht, mit Spandau gebüſst,
„die mauvaise Geschichte in Erwägung der sonstigen Meriten für
diesmal pardonnirend“. Sonst war der König auf die Markaner,
wegen ihrer Abneigung gegen den Soldatendienst, schlecht zu sprechen
und betrachtete sie als widerspenstige Unterthanen. „Friedrich der
Einzige“, sagt J. Fr. Möller, „kannte unter allen Provinzen seines
Reiches am allerwenigsten seine westfälische Mark, er hat sie niemals
bereist, der Strom seiner königlichen Wohlthaten reichte nicht zu
uns.“ Erst in den 80er Jahren wurde der Nachteil und die Ursache
der Auswanderung lebhafter erkannt. Es war dies ein groſses Ver-
dienst des um die Mark soviel verdienten, bürgerfreundlichen, ge-
werbskundigen und von unseren Vorfahren in jeder Beziehung hoch-
gefeierten Ministers von Heinitz. Auf seine Vorstellung hin wurde
die ganze Fabrikgegend für kantonfrei erklärt, die Werbungen auf
einen mäſsigen Fuſs gesetzt und den Ausgetretenen Generalpardon
bewilligt. „Am späten Abend seines Lebens sah der königliche Greis
auf die Mark mit seiner Huld herab.“ Daraufhin kehrten die Aus-
wanderer in Scharen zurück, brachten gleichsam als Sühngeld die im
Bergischen erworbene Kunstfertigkeit mit und zogen eine Menge
Fremder hinter sich her.
1) Siehe Jacobi, a. a. O., S. 336.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 959. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/973>, abgerufen am 22.11.2024.
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