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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Westfalen und die Rheinlande.

Die bedeutendsten Rohstahlfabrikanten um 1800 waren:

Karl Bertram u. Komp. zu Gevelsberg, welche unter an-
derem das grosse, aus 5 Hämmern bestehende Werk in der Milspe
bei Schwelm besassen. Ihr Stammvater, Clemens Bertram aus
Remscheid, war einer der ersten dener, die im letzten Viertel
des 17. Jahrhunderts die Rohstahlfabrik aus dem Bergischen in das
Land gebracht hatten.

Moritz Heilenbeck zu Heilenbeck, dessen Vorfahren schon
im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts Stahlreidung betrieben hatten.
Ihr Stahl war durch seine Güte besonders berühmt.

Kaspar Heilenbeck zur Milspe, Joh. Arn. Brand zu Möllen-
kotten, Peter und Daniel Göbel zu Vörde, Gebrüder Elbers zu
Hagen, Brüninghaus u. Komp. zu Brüninghausen im Kirchspiel
Lüdenscheid, Joh. Kaspar Söding bei Hagen, Gebrüder Harkort
zu Harkort bei Hagen, Witwe Hoppe u. Söhne zu Breckerfeld,
Gebrüder Voormann daselbst, Gebrüder Bülbering und van
Eicken
zu Vörde, Gebrüder Höfinghoff daselbst. Alle diese be-
sassen Reckhämmer, auf denen der Rohstahl raffiniert wurde. Im
ganzen gab es 55 Stahlfeuer, welche 2750 Karren Stahl zum mitt-
leren Werte von 85 Thlr. pro Karren produzierten. 1798 waren in
51 Werken von 158 Arbeitern für 221000 Thlr. Rohstahl erzeugt
worden, der sämtlich im Inlande weiter verarbeitet wurde.

1788 hatte Bürgermeister Rumpe zu Altena eine Cementstahl-
fabrik
angelegt, worin er guten Brennstahl machte. Dennoch musste
er sie wieder aufgeben, weil der Schweissstahl wohlfeiler und nament-
lich zu Schmiedewaren besser war.

Die eigenartigste und wichtigste Eisenfabrikation in der Mark
war die Osemundschmiederei, welche auf 79 Hämmern mit
88 Feuern betrieben wurde. Sie hatte ihren Hauptsitz im Kreise
Altena. Die Osemundfabrik bezog ihr Roheisen hauptsächlich von
den 8 Hütten in Sayn-Altenkirchen, sodann von der Weyershagener,
Kaldenbacher und Ründerother Hütte. Die Osemundfeuer waren tief
mit sehr stechendem Wind. Am liebsten verwendete man ein
dichtes, weisses, grelles, stahlartiges Roheisen mit einem schwarzen
Band. Die Arbeit war eine Anlaufschmiede (siehe Bd. II, S. 487).
Ein Hauptvorzug der Osemundschmiederei bestand in dem Gärben
des Eisens unter leichten, schnellgehenden, gutfedernden Schwanz-
hämmern. Das Osemundeisen diente hauptsächlich für die Draht-
fabrikation (Drahtosemund). Der nicht zum Drahtzug bestimmte
Osemund hiess Land- oder Knüppelosemund und wurde meist zu

Beck, Geschichte des Eisens. 60
Westfalen und die Rheinlande.

Die bedeutendsten Rohstahlfabrikanten um 1800 waren:

Karl Bertram u. Komp. zu Gevelsberg, welche unter an-
derem das groſse, aus 5 Hämmern bestehende Werk in der Milspe
bei Schwelm besaſsen. Ihr Stammvater, Clemens Bertram aus
Remscheid, war einer der ersten dener, die im letzten Viertel
des 17. Jahrhunderts die Rohstahlfabrik aus dem Bergischen in das
Land gebracht hatten.

Moritz Heilenbeck zu Heilenbeck, dessen Vorfahren schon
im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts Stahlreidung betrieben hatten.
Ihr Stahl war durch seine Güte besonders berühmt.

Kaspar Heilenbeck zur Milspe, Joh. Arn. Brand zu Möllen-
kotten, Peter und Daniel Göbel zu Vörde, Gebrüder Elbers zu
Hagen, Brüninghaus u. Komp. zu Brüninghausen im Kirchspiel
Lüdenscheid, Joh. Kaspar Söding bei Hagen, Gebrüder Harkort
zu Harkort bei Hagen, Witwe Hoppe u. Söhne zu Breckerfeld,
Gebrüder Voormann daselbst, Gebrüder Bülbering und van
Eicken
zu Vörde, Gebrüder Höfinghoff daselbst. Alle diese be-
saſsen Reckhämmer, auf denen der Rohstahl raffiniert wurde. Im
ganzen gab es 55 Stahlfeuer, welche 2750 Karren Stahl zum mitt-
leren Werte von 85 Thlr. pro Karren produzierten. 1798 waren in
51 Werken von 158 Arbeitern für 221000 Thlr. Rohstahl erzeugt
worden, der sämtlich im Inlande weiter verarbeitet wurde.

1788 hatte Bürgermeister Rumpe zu Altena eine Cementstahl-
fabrik
angelegt, worin er guten Brennstahl machte. Dennoch muſste
er sie wieder aufgeben, weil der Schweiſsstahl wohlfeiler und nament-
lich zu Schmiedewaren besser war.

Die eigenartigste und wichtigste Eisenfabrikation in der Mark
war die Osemundschmiederei, welche auf 79 Hämmern mit
88 Feuern betrieben wurde. Sie hatte ihren Hauptsitz im Kreise
Altena. Die Osemundfabrik bezog ihr Roheisen hauptsächlich von
den 8 Hütten in Sayn-Altenkirchen, sodann von der Weyershagener,
Kaldenbacher und Ründerother Hütte. Die Osemundfeuer waren tief
mit sehr stechendem Wind. Am liebsten verwendete man ein
dichtes, weiſses, grelles, stahlartiges Roheisen mit einem schwarzen
Band. Die Arbeit war eine Anlaufschmiede (siehe Bd. II, S. 487).
Ein Hauptvorzug der Osemundschmiederei bestand in dem Gärben
des Eisens unter leichten, schnellgehenden, gutfedernden Schwanz-
hämmern. Das Osemundeisen diente hauptsächlich für die Draht-
fabrikation (Drahtosemund). Der nicht zum Drahtzug bestimmte
Osemund hieſs Land- oder Knüppelosemund und wurde meist zu

Beck, Geschichte des Eisens. 60
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[945/0959] Westfalen und die Rheinlande. Die bedeutendsten Rohstahlfabrikanten um 1800 waren: Karl Bertram u. Komp. zu Gevelsberg, welche unter an- derem das groſse, aus 5 Hämmern bestehende Werk in der Milspe bei Schwelm besaſsen. Ihr Stammvater, Clemens Bertram aus Remscheid, war einer der ersten dener, die im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts die Rohstahlfabrik aus dem Bergischen in das Land gebracht hatten. Moritz Heilenbeck zu Heilenbeck, dessen Vorfahren schon im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts Stahlreidung betrieben hatten. Ihr Stahl war durch seine Güte besonders berühmt. Kaspar Heilenbeck zur Milspe, Joh. Arn. Brand zu Möllen- kotten, Peter und Daniel Göbel zu Vörde, Gebrüder Elbers zu Hagen, Brüninghaus u. Komp. zu Brüninghausen im Kirchspiel Lüdenscheid, Joh. Kaspar Söding bei Hagen, Gebrüder Harkort zu Harkort bei Hagen, Witwe Hoppe u. Söhne zu Breckerfeld, Gebrüder Voormann daselbst, Gebrüder Bülbering und van Eicken zu Vörde, Gebrüder Höfinghoff daselbst. Alle diese be- saſsen Reckhämmer, auf denen der Rohstahl raffiniert wurde. Im ganzen gab es 55 Stahlfeuer, welche 2750 Karren Stahl zum mitt- leren Werte von 85 Thlr. pro Karren produzierten. 1798 waren in 51 Werken von 158 Arbeitern für 221000 Thlr. Rohstahl erzeugt worden, der sämtlich im Inlande weiter verarbeitet wurde. 1788 hatte Bürgermeister Rumpe zu Altena eine Cementstahl- fabrik angelegt, worin er guten Brennstahl machte. Dennoch muſste er sie wieder aufgeben, weil der Schweiſsstahl wohlfeiler und nament- lich zu Schmiedewaren besser war. Die eigenartigste und wichtigste Eisenfabrikation in der Mark war die Osemundschmiederei, welche auf 79 Hämmern mit 88 Feuern betrieben wurde. Sie hatte ihren Hauptsitz im Kreise Altena. Die Osemundfabrik bezog ihr Roheisen hauptsächlich von den 8 Hütten in Sayn-Altenkirchen, sodann von der Weyershagener, Kaldenbacher und Ründerother Hütte. Die Osemundfeuer waren tief mit sehr stechendem Wind. Am liebsten verwendete man ein dichtes, weiſses, grelles, stahlartiges Roheisen mit einem schwarzen Band. Die Arbeit war eine Anlaufschmiede (siehe Bd. II, S. 487). Ein Hauptvorzug der Osemundschmiederei bestand in dem Gärben des Eisens unter leichten, schnellgehenden, gutfedernden Schwanz- hämmern. Das Osemundeisen diente hauptsächlich für die Draht- fabrikation (Drahtosemund). Der nicht zum Drahtzug bestimmte Osemund hieſs Land- oder Knüppelosemund und wurde meist zu Beck, Geschichte des Eisens. 60

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 945. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/959>, abgerufen am 26.11.2024.