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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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messen und die lineare Ausdehnung zu 1/145, die körperliche Aus-
dehnung zu 1/48 ermittelt. Er hat durch interessante Versuche
festgestellt, dass eine Gewichtsänderung hierbei nicht eintrat, dass
also weder ein Stoff hinzugetreten noch ausgetreten ist: also kann
die wunderbare Erscheinung, dass der durch die Hitze ausgedehnte
Stahl durch das Ablöschen hart wird, nur auf einer inneren Ver-
änderung, einer anderen Lagerung der kleinsten Teile der Mole-
küle, beruhen. Um dies zu ermitteln, hat Reaumur mikro-
skopische
Untersuchungen angestellt 1), und hat dadurch zuerst das
Mikroskop zur Untersuchung des Eisens in Anwendung gebracht.
Diese Untersuchungen bestärkten ihn in seiner Hypothese, dass ge-
wisse Verbindungen flüchtiger Stoffe sich in die Hohlräume zwischen
den Molekülen des Eisens einlagerten. Die Einsatzhärtung, welche
nur eine Oberflächenhärtung, durch Zufuhr flüchtiger (schweflig-sal-
ziger) Stoffe bezwecke, bestätigt nach seiner Meinung seine Theorie.
Während aber durch das Ablöschen des erhitzten Stahles die Härte
sich sehr gesteigert hat, sei seine Festigkeit, entsprechend seinem
lockeren Zustande, geringer geworden: gehärteter Stahl zerreisse bei
geringerer Kraft als ungehärteter 2). Die Härte stehe also in keinem
unmittelbaren Zusammenhange mit der Festigkeit. Durch die Aus-
dehnung beim Erhitzen und die darauf folgende Härtung ist die Be-
rührung der Moleküle eine geringere, beziehungsweise der Abstand
derselben ein grösserer geworden, und daraus erklärt Reaumur die
Abnahme der Festigkeit; die Thatsache selbst stellte er durch Ver-
suche fest, welche einen beträchtlichen Unterschied der Festigkeit
bei dem gehärteten und bei dem ungehärteten Stahl ergaben.

Die Härte wächst mit dem Grade der Hitze bei der Härtung, dies
hat aber seine Grenze, überhitzter Stahl wird wieder weicher. Dies
erklärt sich leicht aus der angegebenen Theorie, denn die Über-
hitzung tritt ein, wenn die schweflig-salzige Materie, welche die
Zwischenräume der Moleküle ausgefüllt hatte, anfängt, sich zu
verflüchtigen. Dass der gehärtete Stahl durch Erhitzen und lang-
sames Abkühlen wieder weich wird, erklärt sich nach Reaumurs
Hypothese einfach daraus, dass hierbei die schweflig-salzige Materie
wieder in ihre ursprüngliche Verbindung mit dem Eisen zurückkehrt.
Auch das erhitzte Eisen wird durch das Ablöschen in kaltem Wasser

1) l. c. S. 321 und 330.
2) Dies ist aber nur bei geringer oder bei starker Erhitzung richtig, da-
zwischen tritt die umgekehrte Erscheinung ein: die Festigkeit des Stahls wächst
durch das Härten.

Physik.
messen und die lineare Ausdehnung zu 1/145, die körperliche Aus-
dehnung zu 1/48 ermittelt. Er hat durch interessante Versuche
festgestellt, daſs eine Gewichtsänderung hierbei nicht eintrat, daſs
also weder ein Stoff hinzugetreten noch ausgetreten ist: also kann
die wunderbare Erscheinung, daſs der durch die Hitze ausgedehnte
Stahl durch das Ablöschen hart wird, nur auf einer inneren Ver-
änderung, einer anderen Lagerung der kleinsten Teile der Mole-
küle, beruhen. Um dies zu ermitteln, hat Reaumur mikro-
skopische
Untersuchungen angestellt 1), und hat dadurch zuerst das
Mikroskop zur Untersuchung des Eisens in Anwendung gebracht.
Diese Untersuchungen bestärkten ihn in seiner Hypothese, daſs ge-
wisse Verbindungen flüchtiger Stoffe sich in die Hohlräume zwischen
den Molekülen des Eisens einlagerten. Die Einsatzhärtung, welche
nur eine Oberflächenhärtung, durch Zufuhr flüchtiger (schweflig-sal-
ziger) Stoffe bezwecke, bestätigt nach seiner Meinung seine Theorie.
Während aber durch das Ablöschen des erhitzten Stahles die Härte
sich sehr gesteigert hat, sei seine Festigkeit, entsprechend seinem
lockeren Zustande, geringer geworden: gehärteter Stahl zerreiſse bei
geringerer Kraft als ungehärteter 2). Die Härte stehe also in keinem
unmittelbaren Zusammenhange mit der Festigkeit. Durch die Aus-
dehnung beim Erhitzen und die darauf folgende Härtung ist die Be-
rührung der Moleküle eine geringere, beziehungsweise der Abstand
derselben ein gröſserer geworden, und daraus erklärt Reaumur die
Abnahme der Festigkeit; die Thatsache selbst stellte er durch Ver-
suche fest, welche einen beträchtlichen Unterschied der Festigkeit
bei dem gehärteten und bei dem ungehärteten Stahl ergaben.

Die Härte wächst mit dem Grade der Hitze bei der Härtung, dies
hat aber seine Grenze, überhitzter Stahl wird wieder weicher. Dies
erklärt sich leicht aus der angegebenen Theorie, denn die Über-
hitzung tritt ein, wenn die schweflig-salzige Materie, welche die
Zwischenräume der Moleküle ausgefüllt hatte, anfängt, sich zu
verflüchtigen. Daſs der gehärtete Stahl durch Erhitzen und lang-
sames Abkühlen wieder weich wird, erklärt sich nach Reaumurs
Hypothese einfach daraus, daſs hierbei die schweflig-salzige Materie
wieder in ihre ursprüngliche Verbindung mit dem Eisen zurückkehrt.
Auch das erhitzte Eisen wird durch das Ablöschen in kaltem Wasser

1) l. c. S. 321 und 330.
2) Dies ist aber nur bei geringer oder bei starker Erhitzung richtig, da-
zwischen tritt die umgekehrte Erscheinung ein: die Festigkeit des Stahls wächst
durch das Härten.
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[80/0094] Physik. messen und die lineare Ausdehnung zu 1/145, die körperliche Aus- dehnung zu 1/48 ermittelt. Er hat durch interessante Versuche festgestellt, daſs eine Gewichtsänderung hierbei nicht eintrat, daſs also weder ein Stoff hinzugetreten noch ausgetreten ist: also kann die wunderbare Erscheinung, daſs der durch die Hitze ausgedehnte Stahl durch das Ablöschen hart wird, nur auf einer inneren Ver- änderung, einer anderen Lagerung der kleinsten Teile der Mole- küle, beruhen. Um dies zu ermitteln, hat Reaumur mikro- skopische Untersuchungen angestellt 1), und hat dadurch zuerst das Mikroskop zur Untersuchung des Eisens in Anwendung gebracht. Diese Untersuchungen bestärkten ihn in seiner Hypothese, daſs ge- wisse Verbindungen flüchtiger Stoffe sich in die Hohlräume zwischen den Molekülen des Eisens einlagerten. Die Einsatzhärtung, welche nur eine Oberflächenhärtung, durch Zufuhr flüchtiger (schweflig-sal- ziger) Stoffe bezwecke, bestätigt nach seiner Meinung seine Theorie. Während aber durch das Ablöschen des erhitzten Stahles die Härte sich sehr gesteigert hat, sei seine Festigkeit, entsprechend seinem lockeren Zustande, geringer geworden: gehärteter Stahl zerreiſse bei geringerer Kraft als ungehärteter 2). Die Härte stehe also in keinem unmittelbaren Zusammenhange mit der Festigkeit. Durch die Aus- dehnung beim Erhitzen und die darauf folgende Härtung ist die Be- rührung der Moleküle eine geringere, beziehungsweise der Abstand derselben ein gröſserer geworden, und daraus erklärt Reaumur die Abnahme der Festigkeit; die Thatsache selbst stellte er durch Ver- suche fest, welche einen beträchtlichen Unterschied der Festigkeit bei dem gehärteten und bei dem ungehärteten Stahl ergaben. Die Härte wächst mit dem Grade der Hitze bei der Härtung, dies hat aber seine Grenze, überhitzter Stahl wird wieder weicher. Dies erklärt sich leicht aus der angegebenen Theorie, denn die Über- hitzung tritt ein, wenn die schweflig-salzige Materie, welche die Zwischenräume der Moleküle ausgefüllt hatte, anfängt, sich zu verflüchtigen. Daſs der gehärtete Stahl durch Erhitzen und lang- sames Abkühlen wieder weich wird, erklärt sich nach Reaumurs Hypothese einfach daraus, daſs hierbei die schweflig-salzige Materie wieder in ihre ursprüngliche Verbindung mit dem Eisen zurückkehrt. Auch das erhitzte Eisen wird durch das Ablöschen in kaltem Wasser 1) l. c. S. 321 und 330. 2) Dies ist aber nur bei geringer oder bei starker Erhitzung richtig, da- zwischen tritt die umgekehrte Erscheinung ein: die Festigkeit des Stahls wächst durch das Härten.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/94>, abgerufen am 28.11.2024.