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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Hessen und Thüringen.
und wenn er den Schmelzprozess verstand, Oberknecht oder Meister.
Der Lehrjunge musste 10 Meissenische Gulden Aufdinggeld geben,
eine Kaution von 50 bis 150 Thlr. stellen und den Eid der Ver-
schwiegenheit leisten; die Stahlschmiede wurden jedes Jahr auf Jakobi
von neuem gedungen. -- Der Schmalkaldische Stahl wurde durch
öfteres Bearbeiten besser und konnte 10 bis 13 Hitzen aushalten.

In der Nähe der Stadt Schmalkalden befanden sich sechs Draht-
hämmer; ferner war in der Stadt eine Messerfabrik, welche jährlich
30000 Messerklingen liefern konnte. Überhaupt war das Eisengewerbe
in Schmalkalden sehr mannigfaltig. 1788 1) gab es daselbst 110 Ahlen-
schmiede, 56 Feilenhauer, 86 Schlosser, 12 Scherenschmiede, 22 Bohr-
und Zangenschmiede, 10 Striegelmacher, 84 Messerschmiede, 23 Klingen-
schmiede, 6 Schneid- und Hackmesserschmiede, 51 Zweckenschmiede,
50 Kellenschmiede und 60 Ring- und Schnallenschmiede, welche meist
in den Nachbardörfern ansässig waren. Ausserdem gab es etwa
100 Huf- und Nagelschmiede. Die Professionisten verarbeiteten jähr-
lich gegen 3000 Ctr. Stahl und 4000 bis 5000 Ctr. Eisen. Jedes dieser
Gewerbe bildete unter sich eine Innung. Lichtputzenmacher gab
es besonders viele in Steinbach. Ein Haus Gebr. Sanner hatte
20000 Dutzend in einem Jahre verschickt. Es gab im Schmalkal-
dischen 17 Zainhämmer und 22 Schleifkotten, um Ahlen, Schneidmesser,
Äxte u. s. w. zu schleifen. -- Ein Blechhammer war eingegangen. Die
Gewehrfabrik von W. M. Pistor beschäftigte in 15 Häusern 50 Rohr-
schmiede, Schlosser und Schäfter. Vor kurzem hatte sie 20000 Stück Ge-
wehre an das hessische Militär geliefert. Sie arbeitete nur für die
Landesherrschaft und war deshalb unregelmässig beschäftigt. Um
1800 arbeiteten 327 Arbeiter bei der Gewehrfabrikation für die hes-
sischen Truppen. Salomon Merkel war der Hauptstahlfabrikant,
er besass drei Stahlhämmer und hatte ein Kontor in Hamburg.

Ordinärer Stahl kostete damals 5 Thlr. 10 Gr. (16 Mark) und
raffinierter 8 Thlr. 3 Gr. (24,30 Mark) der Centner.

Suhl hatte ebenfalls furchtbar unter den Stürmen des 30jäh-
rigen Krieges gelitten und seine berühmte Gewehrfabrik war
dadurch sehr in Rückgang gekommen. Dazu kam der weitere Um-
stand, dass alle grösseren Staaten nach dem 30jährigen Kriege eigene
Gewehrfabriken errichteten, wodurch Suhl einen grossen Teil seines
Absatzes verlor. Dennoch erhielt sich die Gewehrfabrikation und
blieb auch im 18. Jahrhundert ein angesehenes Gewerbe. Aber

1) Siehe Handlungszeitung 1788, S. 193.

Hessen und Thüringen.
und wenn er den Schmelzprozeſs verstand, Oberknecht oder Meister.
Der Lehrjunge muſste 10 Meiſsenische Gulden Aufdinggeld geben,
eine Kaution von 50 bis 150 Thlr. stellen und den Eid der Ver-
schwiegenheit leisten; die Stahlschmiede wurden jedes Jahr auf Jakobi
von neuem gedungen. — Der Schmalkaldische Stahl wurde durch
öfteres Bearbeiten besser und konnte 10 bis 13 Hitzen aushalten.

In der Nähe der Stadt Schmalkalden befanden sich sechs Draht-
hämmer; ferner war in der Stadt eine Messerfabrik, welche jährlich
30000 Messerklingen liefern konnte. Überhaupt war das Eisengewerbe
in Schmalkalden sehr mannigfaltig. 1788 1) gab es daselbst 110 Ahlen-
schmiede, 56 Feilenhauer, 86 Schlosser, 12 Scherenschmiede, 22 Bohr-
und Zangenschmiede, 10 Striegelmacher, 84 Messerschmiede, 23 Klingen-
schmiede, 6 Schneid- und Hackmesserschmiede, 51 Zweckenschmiede,
50 Kellenschmiede und 60 Ring- und Schnallenschmiede, welche meist
in den Nachbardörfern ansässig waren. Auſserdem gab es etwa
100 Huf- und Nagelschmiede. Die Professionisten verarbeiteten jähr-
lich gegen 3000 Ctr. Stahl und 4000 bis 5000 Ctr. Eisen. Jedes dieser
Gewerbe bildete unter sich eine Innung. Lichtputzenmacher gab
es besonders viele in Steinbach. Ein Haus Gebr. Sanner hatte
20000 Dutzend in einem Jahre verschickt. Es gab im Schmalkal-
dischen 17 Zainhämmer und 22 Schleifkotten, um Ahlen, Schneidmesser,
Äxte u. s. w. zu schleifen. — Ein Blechhammer war eingegangen. Die
Gewehrfabrik von W. M. Pistor beschäftigte in 15 Häusern 50 Rohr-
schmiede, Schlosser und Schäfter. Vor kurzem hatte sie 20000 Stück Ge-
wehre an das hessische Militär geliefert. Sie arbeitete nur für die
Landesherrschaft und war deshalb unregelmäſsig beschäftigt. Um
1800 arbeiteten 327 Arbeiter bei der Gewehrfabrikation für die hes-
sischen Truppen. Salomon Merkel war der Hauptstahlfabrikant,
er besaſs drei Stahlhämmer und hatte ein Kontor in Hamburg.

Ordinärer Stahl kostete damals 5 Thlr. 10 Gr. (16 Mark) und
raffinierter 8 Thlr. 3 Gr. (24,30 Mark) der Centner.

Suhl hatte ebenfalls furchtbar unter den Stürmen des 30jäh-
rigen Krieges gelitten und seine berühmte Gewehrfabrik war
dadurch sehr in Rückgang gekommen. Dazu kam der weitere Um-
stand, daſs alle gröſseren Staaten nach dem 30jährigen Kriege eigene
Gewehrfabriken errichteten, wodurch Suhl einen groſsen Teil seines
Absatzes verlor. Dennoch erhielt sich die Gewehrfabrikation und
blieb auch im 18. Jahrhundert ein angesehenes Gewerbe. Aber

1) Siehe Handlungszeitung 1788, S. 193.
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[855/0869] Hessen und Thüringen. und wenn er den Schmelzprozeſs verstand, Oberknecht oder Meister. Der Lehrjunge muſste 10 Meiſsenische Gulden Aufdinggeld geben, eine Kaution von 50 bis 150 Thlr. stellen und den Eid der Ver- schwiegenheit leisten; die Stahlschmiede wurden jedes Jahr auf Jakobi von neuem gedungen. — Der Schmalkaldische Stahl wurde durch öfteres Bearbeiten besser und konnte 10 bis 13 Hitzen aushalten. In der Nähe der Stadt Schmalkalden befanden sich sechs Draht- hämmer; ferner war in der Stadt eine Messerfabrik, welche jährlich 30000 Messerklingen liefern konnte. Überhaupt war das Eisengewerbe in Schmalkalden sehr mannigfaltig. 1788 1) gab es daselbst 110 Ahlen- schmiede, 56 Feilenhauer, 86 Schlosser, 12 Scherenschmiede, 22 Bohr- und Zangenschmiede, 10 Striegelmacher, 84 Messerschmiede, 23 Klingen- schmiede, 6 Schneid- und Hackmesserschmiede, 51 Zweckenschmiede, 50 Kellenschmiede und 60 Ring- und Schnallenschmiede, welche meist in den Nachbardörfern ansässig waren. Auſserdem gab es etwa 100 Huf- und Nagelschmiede. Die Professionisten verarbeiteten jähr- lich gegen 3000 Ctr. Stahl und 4000 bis 5000 Ctr. Eisen. Jedes dieser Gewerbe bildete unter sich eine Innung. Lichtputzenmacher gab es besonders viele in Steinbach. Ein Haus Gebr. Sanner hatte 20000 Dutzend in einem Jahre verschickt. Es gab im Schmalkal- dischen 17 Zainhämmer und 22 Schleifkotten, um Ahlen, Schneidmesser, Äxte u. s. w. zu schleifen. — Ein Blechhammer war eingegangen. Die Gewehrfabrik von W. M. Pistor beschäftigte in 15 Häusern 50 Rohr- schmiede, Schlosser und Schäfter. Vor kurzem hatte sie 20000 Stück Ge- wehre an das hessische Militär geliefert. Sie arbeitete nur für die Landesherrschaft und war deshalb unregelmäſsig beschäftigt. Um 1800 arbeiteten 327 Arbeiter bei der Gewehrfabrikation für die hes- sischen Truppen. Salomon Merkel war der Hauptstahlfabrikant, er besaſs drei Stahlhämmer und hatte ein Kontor in Hamburg. Ordinärer Stahl kostete damals 5 Thlr. 10 Gr. (16 Mark) und raffinierter 8 Thlr. 3 Gr. (24,30 Mark) der Centner. Suhl hatte ebenfalls furchtbar unter den Stürmen des 30jäh- rigen Krieges gelitten und seine berühmte Gewehrfabrik war dadurch sehr in Rückgang gekommen. Dazu kam der weitere Um- stand, daſs alle gröſseren Staaten nach dem 30jährigen Kriege eigene Gewehrfabriken errichteten, wodurch Suhl einen groſsen Teil seines Absatzes verlor. Dennoch erhielt sich die Gewehrfabrikation und blieb auch im 18. Jahrhundert ein angesehenes Gewerbe. Aber 1) Siehe Handlungszeitung 1788, S. 193.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 855. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/869>, abgerufen am 07.07.2024.