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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Die gewerblichen Verhältnisse.
radikalen Ideen. Das Recht auf Arbeit erklärte Turgot für den
heiligsten Besitz 1). Jedes Gesetz, welches dawider streite, sei als
Verletzung des Naturrechtes ipso facto nichtig; die Zünfte grotesk
und tyrannisch, ein Ergebnis der Selbstsucht, Habgier und Gewalt.
Natürlich jubelten die Arbeiter über das neue Gesetz. Mit solch
revolutionären Grundsätzen liess sich aber nicht lange in einem
monarchischen Staate regieren, schon nach sechs Monaten erfolgte
Turgots Sturz und die geschlossenen Zünfte thaten sich wieder auf.
Allerdings verschwanden von den 110 aufgehobenen Zünften 21 dauernd,
die übrigen schlossen sich zu 44 Verbänden zusammen. Auch dieser
Zustand dauerte nicht lange; die französische Revolution brach
aus und am 17. Juni 1791 schaffte die konstituierende National-
versammlung die Zünfte von neuem ab. Nach diesem Vorgehen
Frankreichs strebten auch in den anderen Kontinentalstaaten die
freisinnigen Geister nach Gewerbefreiheit.

In England bestand diese in der Praxis schon lange. Das Zunft-
wesen hatte dort nie die starre Form angenommen wie auf dem
Kontinent. Der Grund lag zum grossen Teil darin, dass die Gewerbe
lange zurückgeblieben und die Könige gezwungen waren, fremde
Arbeiter und Künstler in das Land zu ziehen. Erst seit der Herr-
schaft der Tudors, seit Heinrich VII. (1485 bis 1509) und Heinrich VIII.
(1509 bis 1547) trat das Bestreben hervor, die nationale Arbeit zu
schützen, die heimische Produktion zu heben. Eine Menge einzelner
Monopole und Privilegien wurden erteilt. Eine eigentliche Gewerbe-
ordnung erliess aber erst Königin Elisabeth durch die sogenannte
"Lehrlingsakte" 1562. Die Hauptbestimmungen derselben waren, dass
keiner ein Gewerbe, welches technische Geschicklichkeiten erforderte,
betreiben durfte, der nicht sieben Jahre in der Lehre gewesen war.
Wer in die Lehre treten wollte, durfte noch nicht 21 Jahre alt sein
und seine Eltern mussten einiges Vermögen besitzen. Die Zahl der
Lehrlinge gegenüber den Gesellen war bestimmt. Niemand durfte
einen Gesellen auf weniger als ein Jahr dingen mit gegenseitiger
vierteljähriger Kündigung. Die Arbeitszeit war festgesetzt auf zwölf
Stunden im Sommer und auf die Zeit von Tagesanbruch bis Sonnen-
untergang im Winter. Der Lohn sollte jährlich von Friedensrichtern
und Stadtmagistraten auf einer allgemeinen Sitzung nach Ostern fest-
gesetzt werden. Dieselben Behörden sollten auch Streitigkeiten zwischen
Meistern und Lehrlingen schlichten und die letzteren beschützen.

1) Wilhelm Roscher, System der Volkswirtschaft, Bd. III, S. 657.

Die gewerblichen Verhältnisse.
radikalen Ideen. Das Recht auf Arbeit erklärte Turgot für den
heiligsten Besitz 1). Jedes Gesetz, welches dawider streite, sei als
Verletzung des Naturrechtes ipso facto nichtig; die Zünfte grotesk
und tyrannisch, ein Ergebnis der Selbstsucht, Habgier und Gewalt.
Natürlich jubelten die Arbeiter über das neue Gesetz. Mit solch
revolutionären Grundsätzen lieſs sich aber nicht lange in einem
monarchischen Staate regieren, schon nach sechs Monaten erfolgte
Turgots Sturz und die geschlossenen Zünfte thaten sich wieder auf.
Allerdings verschwanden von den 110 aufgehobenen Zünften 21 dauernd,
die übrigen schlossen sich zu 44 Verbänden zusammen. Auch dieser
Zustand dauerte nicht lange; die französische Revolution brach
aus und am 17. Juni 1791 schaffte die konstituierende National-
versammlung die Zünfte von neuem ab. Nach diesem Vorgehen
Frankreichs strebten auch in den anderen Kontinentalstaaten die
freisinnigen Geister nach Gewerbefreiheit.

In England bestand diese in der Praxis schon lange. Das Zunft-
wesen hatte dort nie die starre Form angenommen wie auf dem
Kontinent. Der Grund lag zum groſsen Teil darin, daſs die Gewerbe
lange zurückgeblieben und die Könige gezwungen waren, fremde
Arbeiter und Künstler in das Land zu ziehen. Erst seit der Herr-
schaft der Tudors, seit Heinrich VII. (1485 bis 1509) und Heinrich VIII.
(1509 bis 1547) trat das Bestreben hervor, die nationale Arbeit zu
schützen, die heimische Produktion zu heben. Eine Menge einzelner
Monopole und Privilegien wurden erteilt. Eine eigentliche Gewerbe-
ordnung erlieſs aber erst Königin Elisabeth durch die sogenannte
„Lehrlingsakte“ 1562. Die Hauptbestimmungen derselben waren, daſs
keiner ein Gewerbe, welches technische Geschicklichkeiten erforderte,
betreiben durfte, der nicht sieben Jahre in der Lehre gewesen war.
Wer in die Lehre treten wollte, durfte noch nicht 21 Jahre alt sein
und seine Eltern muſsten einiges Vermögen besitzen. Die Zahl der
Lehrlinge gegenüber den Gesellen war bestimmt. Niemand durfte
einen Gesellen auf weniger als ein Jahr dingen mit gegenseitiger
vierteljähriger Kündigung. Die Arbeitszeit war festgesetzt auf zwölf
Stunden im Sommer und auf die Zeit von Tagesanbruch bis Sonnen-
untergang im Winter. Der Lohn sollte jährlich von Friedensrichtern
und Stadtmagistraten auf einer allgemeinen Sitzung nach Ostern fest-
gesetzt werden. Dieselben Behörden sollten auch Streitigkeiten zwischen
Meistern und Lehrlingen schlichten und die letzteren beschützen.

1) Wilhelm Roscher, System der Volkswirtschaft, Bd. III, S. 657.
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[781/0795] Die gewerblichen Verhältnisse. radikalen Ideen. Das Recht auf Arbeit erklärte Turgot für den heiligsten Besitz 1). Jedes Gesetz, welches dawider streite, sei als Verletzung des Naturrechtes ipso facto nichtig; die Zünfte grotesk und tyrannisch, ein Ergebnis der Selbstsucht, Habgier und Gewalt. Natürlich jubelten die Arbeiter über das neue Gesetz. Mit solch revolutionären Grundsätzen lieſs sich aber nicht lange in einem monarchischen Staate regieren, schon nach sechs Monaten erfolgte Turgots Sturz und die geschlossenen Zünfte thaten sich wieder auf. Allerdings verschwanden von den 110 aufgehobenen Zünften 21 dauernd, die übrigen schlossen sich zu 44 Verbänden zusammen. Auch dieser Zustand dauerte nicht lange; die französische Revolution brach aus und am 17. Juni 1791 schaffte die konstituierende National- versammlung die Zünfte von neuem ab. Nach diesem Vorgehen Frankreichs strebten auch in den anderen Kontinentalstaaten die freisinnigen Geister nach Gewerbefreiheit. In England bestand diese in der Praxis schon lange. Das Zunft- wesen hatte dort nie die starre Form angenommen wie auf dem Kontinent. Der Grund lag zum groſsen Teil darin, daſs die Gewerbe lange zurückgeblieben und die Könige gezwungen waren, fremde Arbeiter und Künstler in das Land zu ziehen. Erst seit der Herr- schaft der Tudors, seit Heinrich VII. (1485 bis 1509) und Heinrich VIII. (1509 bis 1547) trat das Bestreben hervor, die nationale Arbeit zu schützen, die heimische Produktion zu heben. Eine Menge einzelner Monopole und Privilegien wurden erteilt. Eine eigentliche Gewerbe- ordnung erlieſs aber erst Königin Elisabeth durch die sogenannte „Lehrlingsakte“ 1562. Die Hauptbestimmungen derselben waren, daſs keiner ein Gewerbe, welches technische Geschicklichkeiten erforderte, betreiben durfte, der nicht sieben Jahre in der Lehre gewesen war. Wer in die Lehre treten wollte, durfte noch nicht 21 Jahre alt sein und seine Eltern muſsten einiges Vermögen besitzen. Die Zahl der Lehrlinge gegenüber den Gesellen war bestimmt. Niemand durfte einen Gesellen auf weniger als ein Jahr dingen mit gegenseitiger vierteljähriger Kündigung. Die Arbeitszeit war festgesetzt auf zwölf Stunden im Sommer und auf die Zeit von Tagesanbruch bis Sonnen- untergang im Winter. Der Lohn sollte jährlich von Friedensrichtern und Stadtmagistraten auf einer allgemeinen Sitzung nach Ostern fest- gesetzt werden. Dieselben Behörden sollten auch Streitigkeiten zwischen Meistern und Lehrlingen schlichten und die letzteren beschützen. 1) Wilhelm Roscher, System der Volkswirtschaft, Bd. III, S. 657.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 781. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/795>, abgerufen am 22.11.2024.