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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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James Watt und die Dampfmaschine.
damals über seine neue Theorie der latenten Wärme. Watt hatte
bald Veranlassung, sich mit dieser Lehre praktisch zu beschäftigen.
In dem Inventar des physikalischen Kabinetts der Universität war
das Modell einer Newcomen-Maschine aufgeführt. Watt und seine
Freunde suchten danach, weil ihr Interesse an der Dampfmaschine
ein immer lebhafteres wurde, aber es fand sich nicht vor. Auf nähere
Nachforschung hin ergab es sich, dass es schon Jahr und Tag nach
London zur Reparatur geschickt worden war. Der Instrumenten-
macher in London wusste mit dem Dinge nichts anzufangen und hatte
es beiseite gestellt. Es wäre wohl nie wieder nach Glasgow zurück-
[Abbildung] Fig. 127.
gekommen, wenn es nicht auf
Veranlassung der Freunde re-
klamiert worden wäre. Watt,
der schon seit 1761 mancherlei
Versuche über Wasserdampf
angestellt hatte, wartete mit
Ungeduld auf das Modell. Seine
Geduld wurde auf eine lange
Probe gestellt. Endlich kam
es im Jahre 1763 an und das
mangelhafte Modell einer
Newcomenmaschine (Fig. 127)
gelangte in seine Hände, ein
armseliges, unvollkommenes
Machwerk, höchstens ein Spiel-
zeug, wie es Watt selbst
nannte. Der Kessel war noch
etwas kleiner wie ein gewöhn-
licher Theekessel. Trotzdem
war dieses so unbedeutende
Ereignis von der grössten Tragweite für die Erfindung der Dampf-
maschine. Watt machte sich sogleich darüber her, den Apparat
zu probieren und Verbesserungen auszudenken. Er konstruierte
sich einen Kessel, an welchem er sehen konnte, wie viel Wasser
in einer gewissen Zeit in Dampf verwandelt wurde und wie viel
Dampf bei jedem Hub der Maschine verbraucht wurde. Er war
erstaunt, als er entdeckte, dass eine kleine Menge Wasser, in Dampf
umgewandelt, eine viel grössere Menge Wasser bis zum Siedepunkt
erhitzen konnte. Er bestimmte die Mengen und fand, dass ein Teil
Wasser in Form von Dampf die sechsfache Menge kaltes Wasser bis

James Watt und die Dampfmaschine.
damals über seine neue Theorie der latenten Wärme. Watt hatte
bald Veranlassung, sich mit dieser Lehre praktisch zu beschäftigen.
In dem Inventar des physikalischen Kabinetts der Universität war
das Modell einer Newcomen-Maschine aufgeführt. Watt und seine
Freunde suchten danach, weil ihr Interesse an der Dampfmaschine
ein immer lebhafteres wurde, aber es fand sich nicht vor. Auf nähere
Nachforschung hin ergab es sich, daſs es schon Jahr und Tag nach
London zur Reparatur geschickt worden war. Der Instrumenten-
macher in London wuſste mit dem Dinge nichts anzufangen und hatte
es beiseite gestellt. Es wäre wohl nie wieder nach Glasgow zurück-
[Abbildung] Fig. 127.
gekommen, wenn es nicht auf
Veranlassung der Freunde re-
klamiert worden wäre. Watt,
der schon seit 1761 mancherlei
Versuche über Wasserdampf
angestellt hatte, wartete mit
Ungeduld auf das Modell. Seine
Geduld wurde auf eine lange
Probe gestellt. Endlich kam
es im Jahre 1763 an und das
mangelhafte Modell einer
Newcomenmaschine (Fig. 127)
gelangte in seine Hände, ein
armseliges, unvollkommenes
Machwerk, höchstens ein Spiel-
zeug, wie es Watt selbst
nannte. Der Kessel war noch
etwas kleiner wie ein gewöhn-
licher Theekessel. Trotzdem
war dieses so unbedeutende
Ereignis von der gröſsten Tragweite für die Erfindung der Dampf-
maschine. Watt machte sich sogleich darüber her, den Apparat
zu probieren und Verbesserungen auszudenken. Er konstruierte
sich einen Kessel, an welchem er sehen konnte, wie viel Wasser
in einer gewissen Zeit in Dampf verwandelt wurde und wie viel
Dampf bei jedem Hub der Maschine verbraucht wurde. Er war
erstaunt, als er entdeckte, daſs eine kleine Menge Wasser, in Dampf
umgewandelt, eine viel gröſsere Menge Wasser bis zum Siedepunkt
erhitzen konnte. Er bestimmte die Mengen und fand, daſs ein Teil
Wasser in Form von Dampf die sechsfache Menge kaltes Wasser bis

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[511/0525] James Watt und die Dampfmaschine. damals über seine neue Theorie der latenten Wärme. Watt hatte bald Veranlassung, sich mit dieser Lehre praktisch zu beschäftigen. In dem Inventar des physikalischen Kabinetts der Universität war das Modell einer Newcomen-Maschine aufgeführt. Watt und seine Freunde suchten danach, weil ihr Interesse an der Dampfmaschine ein immer lebhafteres wurde, aber es fand sich nicht vor. Auf nähere Nachforschung hin ergab es sich, daſs es schon Jahr und Tag nach London zur Reparatur geschickt worden war. Der Instrumenten- macher in London wuſste mit dem Dinge nichts anzufangen und hatte es beiseite gestellt. Es wäre wohl nie wieder nach Glasgow zurück- [Abbildung Fig. 127.] gekommen, wenn es nicht auf Veranlassung der Freunde re- klamiert worden wäre. Watt, der schon seit 1761 mancherlei Versuche über Wasserdampf angestellt hatte, wartete mit Ungeduld auf das Modell. Seine Geduld wurde auf eine lange Probe gestellt. Endlich kam es im Jahre 1763 an und das mangelhafte Modell einer Newcomenmaschine (Fig. 127) gelangte in seine Hände, ein armseliges, unvollkommenes Machwerk, höchstens ein Spiel- zeug, wie es Watt selbst nannte. Der Kessel war noch etwas kleiner wie ein gewöhn- licher Theekessel. Trotzdem war dieses so unbedeutende Ereignis von der gröſsten Tragweite für die Erfindung der Dampf- maschine. Watt machte sich sogleich darüber her, den Apparat zu probieren und Verbesserungen auszudenken. Er konstruierte sich einen Kessel, an welchem er sehen konnte, wie viel Wasser in einer gewissen Zeit in Dampf verwandelt wurde und wie viel Dampf bei jedem Hub der Maschine verbraucht wurde. Er war erstaunt, als er entdeckte, daſs eine kleine Menge Wasser, in Dampf umgewandelt, eine viel gröſsere Menge Wasser bis zum Siedepunkt erhitzen konnte. Er bestimmte die Mengen und fand, daſs ein Teil Wasser in Form von Dampf die sechsfache Menge kaltes Wasser bis

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/525>, abgerufen am 23.11.2024.