Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

James Watt und die Dampfmaschine.
es liegt dem doch eine grosse Wahrheit zu grunde, denn das, was
wir heute unter einer Dampfmaschine verstehen, der Motor, der für
alle Zwecke verwendbar ist, der fast überall anzubringen, jede Form
der Kraftübertragung ermöglicht, ganz kleine und riesengrosse Arbeit
zu leisten vermag, diese Dampfmaschine hat in der That niemand als
Watt erfunden. Auch hat keine Erfindung eine so gewaltige Wirkung
auf Technik und Industrie, ja auf die gesamte Kultur ausgeübt als
die Erfindung der Dampfmaschine. Aus Eisen gebaut, ein Kind der
Eisenindustrie, hat sie diese zu den grossartigsten Fortschritten
geführt, und wenn wir von einer neuen Zeit sprechen im Gebiete der
gesamten Technik, so beginnt diese mit der Erfindung und Einführung
der Wattschen Dampfmaschine. Diese Erfindung hat einen viel
gewaltigeren Umschwung der Kultur herbeigeführt als die ihr unmittel-
bar folgende französische Revolution, wir rechnen deshalb die neue
Zeit in unserer Kulturgeschichte am richtigsten von der Erfindung
der Dampfmaschine an.

Ein besonderes Interesse bietet Watts Erfindung auch dadurch,
dass wir ihre Entstehung, Entwickelung und Vollendung so genau
verfolgen können, wie wohl bei kaum einer andern Erfindung. Watt
hatte von früh an eine Anzahl hochgebildeter Freunde, die sich für
seine Bestrebungen interessierten, dabei besass er ein Bedürfnis, sich
und seine Gedanken mitzuteilen, und war ein eifriger Briefschreiber.
Seine Briefe enthüllen uns die Geschichte seines Lebens und die
Geschichte seiner Erfindung. Und selten wohl war ein ganzes Leben
so ganz von einer Idee, einem Streben erfüllt. Darauf beruht ein
grosser Teil von Watts ausserordentlichem Erfolg. Aber nicht darauf
allein. Es kamen vielmehr viele günstige Momente zusammen: das
Bedürfnis nach der Erfindung, die angeborene Erfindungsgabe Watts,
seine klaren theoretischen Kenntnisse, welche ihn die Grenzen des
Erfindbaren erkennen liessen, die sich aber auch, verbunden mit einer
lebhaften Phantasie und dem Drang zum Erfinden, zu Intuition der
Erfindung steigerten, alle diese Eigenschaften begleitet von einem
genialen mechanischen Geschick, praktischem Blick und praktischer
Übung in den Mitteln der Ausführung.

Hierzu gesellte sich mit dem Glauben an die Erfindung eine
grosse Geduld und Ausdauer und hierin begegnet uns deutlich jenes
merkwürdige psychologische Phänomen, dass die Ideen den Menschen
beherrschen können im Widerstreit mit seinem Körper. Watt war
von Kindheit an zart und schwächlich und litt später furchtbar unter
nervösen Kopfschmerzen. Diese wurden durch sein rastloses Grübeln,

James Watt und die Dampfmaschine.
es liegt dem doch eine groſse Wahrheit zu grunde, denn das, was
wir heute unter einer Dampfmaschine verstehen, der Motor, der für
alle Zwecke verwendbar ist, der fast überall anzubringen, jede Form
der Kraftübertragung ermöglicht, ganz kleine und riesengroſse Arbeit
zu leisten vermag, diese Dampfmaschine hat in der That niemand als
Watt erfunden. Auch hat keine Erfindung eine so gewaltige Wirkung
auf Technik und Industrie, ja auf die gesamte Kultur ausgeübt als
die Erfindung der Dampfmaschine. Aus Eisen gebaut, ein Kind der
Eisenindustrie, hat sie diese zu den groſsartigsten Fortschritten
geführt, und wenn wir von einer neuen Zeit sprechen im Gebiete der
gesamten Technik, so beginnt diese mit der Erfindung und Einführung
der Wattschen Dampfmaschine. Diese Erfindung hat einen viel
gewaltigeren Umschwung der Kultur herbeigeführt als die ihr unmittel-
bar folgende französische Revolution, wir rechnen deshalb die neue
Zeit in unserer Kulturgeschichte am richtigsten von der Erfindung
der Dampfmaschine an.

Ein besonderes Interesse bietet Watts Erfindung auch dadurch,
daſs wir ihre Entstehung, Entwickelung und Vollendung so genau
verfolgen können, wie wohl bei kaum einer andern Erfindung. Watt
hatte von früh an eine Anzahl hochgebildeter Freunde, die sich für
seine Bestrebungen interessierten, dabei besaſs er ein Bedürfnis, sich
und seine Gedanken mitzuteilen, und war ein eifriger Briefschreiber.
Seine Briefe enthüllen uns die Geschichte seines Lebens und die
Geschichte seiner Erfindung. Und selten wohl war ein ganzes Leben
so ganz von einer Idee, einem Streben erfüllt. Darauf beruht ein
groſser Teil von Watts auſserordentlichem Erfolg. Aber nicht darauf
allein. Es kamen vielmehr viele günstige Momente zusammen: das
Bedürfnis nach der Erfindung, die angeborene Erfindungsgabe Watts,
seine klaren theoretischen Kenntnisse, welche ihn die Grenzen des
Erfindbaren erkennen lieſsen, die sich aber auch, verbunden mit einer
lebhaften Phantasie und dem Drang zum Erfinden, zu Intuition der
Erfindung steigerten, alle diese Eigenschaften begleitet von einem
genialen mechanischen Geschick, praktischem Blick und praktischer
Übung in den Mitteln der Ausführung.

Hierzu gesellte sich mit dem Glauben an die Erfindung eine
groſse Geduld und Ausdauer und hierin begegnet uns deutlich jenes
merkwürdige psychologische Phänomen, daſs die Ideen den Menschen
beherrschen können im Widerstreit mit seinem Körper. Watt war
von Kindheit an zart und schwächlich und litt später furchtbar unter
nervösen Kopfschmerzen. Diese wurden durch sein rastloses Grübeln,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0522" n="508"/><fw place="top" type="header">James Watt und die Dampfmaschine.</fw><lb/>
es liegt dem doch eine gro&#x017F;se Wahrheit zu grunde, denn das, was<lb/>
wir heute unter einer Dampfmaschine verstehen, der Motor, der für<lb/>
alle Zwecke verwendbar ist, der fast überall anzubringen, jede Form<lb/>
der Kraftübertragung ermöglicht, ganz kleine und riesengro&#x017F;se Arbeit<lb/>
zu leisten vermag, diese Dampfmaschine hat in der That niemand als<lb/><hi rendition="#g">Watt</hi> erfunden. Auch hat keine Erfindung eine so gewaltige Wirkung<lb/>
auf Technik und Industrie, ja auf die gesamte Kultur ausgeübt als<lb/>
die Erfindung der Dampfmaschine. Aus Eisen gebaut, ein Kind der<lb/>
Eisenindustrie, hat sie diese zu den gro&#x017F;sartigsten Fortschritten<lb/>
geführt, und wenn wir von einer neuen Zeit sprechen im Gebiete der<lb/>
gesamten Technik, so beginnt diese mit der Erfindung und Einführung<lb/>
der <hi rendition="#g">Watts</hi>chen Dampfmaschine. Diese Erfindung hat einen viel<lb/>
gewaltigeren Umschwung der Kultur herbeigeführt als die ihr unmittel-<lb/>
bar folgende französische Revolution, wir rechnen deshalb die neue<lb/>
Zeit in unserer Kulturgeschichte am richtigsten von der Erfindung<lb/>
der Dampfmaschine an.</p><lb/>
                <p>Ein besonderes Interesse bietet <hi rendition="#g">Watts</hi> Erfindung auch dadurch,<lb/>
da&#x017F;s wir ihre Entstehung, Entwickelung und Vollendung so genau<lb/>
verfolgen können, wie wohl bei kaum einer andern Erfindung. <hi rendition="#g">Watt</hi><lb/>
hatte von früh an eine Anzahl hochgebildeter Freunde, die sich für<lb/>
seine Bestrebungen interessierten, dabei besa&#x017F;s er ein Bedürfnis, sich<lb/>
und seine Gedanken mitzuteilen, und war ein eifriger Briefschreiber.<lb/>
Seine Briefe enthüllen uns die Geschichte seines Lebens und die<lb/>
Geschichte seiner Erfindung. Und selten wohl war ein ganzes Leben<lb/>
so ganz von einer Idee, einem Streben erfüllt. Darauf beruht ein<lb/>
gro&#x017F;ser Teil von <hi rendition="#g">Watts</hi> au&#x017F;serordentlichem Erfolg. Aber nicht darauf<lb/>
allein. Es kamen vielmehr viele günstige Momente zusammen: das<lb/>
Bedürfnis nach der Erfindung, die angeborene Erfindungsgabe <hi rendition="#g">Watts</hi>,<lb/>
seine klaren theoretischen Kenntnisse, welche ihn die Grenzen des<lb/>
Erfindbaren erkennen lie&#x017F;sen, die sich aber auch, verbunden mit einer<lb/>
lebhaften Phantasie und dem Drang zum Erfinden, zu Intuition der<lb/>
Erfindung steigerten, alle diese Eigenschaften begleitet von einem<lb/>
genialen mechanischen Geschick, praktischem Blick und praktischer<lb/>
Übung in den Mitteln der Ausführung.</p><lb/>
                <p>Hierzu gesellte sich mit dem Glauben an die Erfindung eine<lb/>
gro&#x017F;se Geduld und Ausdauer und hierin begegnet uns deutlich jenes<lb/>
merkwürdige psychologische Phänomen, da&#x017F;s die Ideen den Menschen<lb/>
beherrschen können im Widerstreit mit seinem Körper. <hi rendition="#g">Watt</hi> war<lb/>
von Kindheit an zart und schwächlich und litt später furchtbar unter<lb/>
nervösen Kopfschmerzen. Diese wurden durch sein rastloses Grübeln,<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[508/0522] James Watt und die Dampfmaschine. es liegt dem doch eine groſse Wahrheit zu grunde, denn das, was wir heute unter einer Dampfmaschine verstehen, der Motor, der für alle Zwecke verwendbar ist, der fast überall anzubringen, jede Form der Kraftübertragung ermöglicht, ganz kleine und riesengroſse Arbeit zu leisten vermag, diese Dampfmaschine hat in der That niemand als Watt erfunden. Auch hat keine Erfindung eine so gewaltige Wirkung auf Technik und Industrie, ja auf die gesamte Kultur ausgeübt als die Erfindung der Dampfmaschine. Aus Eisen gebaut, ein Kind der Eisenindustrie, hat sie diese zu den groſsartigsten Fortschritten geführt, und wenn wir von einer neuen Zeit sprechen im Gebiete der gesamten Technik, so beginnt diese mit der Erfindung und Einführung der Wattschen Dampfmaschine. Diese Erfindung hat einen viel gewaltigeren Umschwung der Kultur herbeigeführt als die ihr unmittel- bar folgende französische Revolution, wir rechnen deshalb die neue Zeit in unserer Kulturgeschichte am richtigsten von der Erfindung der Dampfmaschine an. Ein besonderes Interesse bietet Watts Erfindung auch dadurch, daſs wir ihre Entstehung, Entwickelung und Vollendung so genau verfolgen können, wie wohl bei kaum einer andern Erfindung. Watt hatte von früh an eine Anzahl hochgebildeter Freunde, die sich für seine Bestrebungen interessierten, dabei besaſs er ein Bedürfnis, sich und seine Gedanken mitzuteilen, und war ein eifriger Briefschreiber. Seine Briefe enthüllen uns die Geschichte seines Lebens und die Geschichte seiner Erfindung. Und selten wohl war ein ganzes Leben so ganz von einer Idee, einem Streben erfüllt. Darauf beruht ein groſser Teil von Watts auſserordentlichem Erfolg. Aber nicht darauf allein. Es kamen vielmehr viele günstige Momente zusammen: das Bedürfnis nach der Erfindung, die angeborene Erfindungsgabe Watts, seine klaren theoretischen Kenntnisse, welche ihn die Grenzen des Erfindbaren erkennen lieſsen, die sich aber auch, verbunden mit einer lebhaften Phantasie und dem Drang zum Erfinden, zu Intuition der Erfindung steigerten, alle diese Eigenschaften begleitet von einem genialen mechanischen Geschick, praktischem Blick und praktischer Übung in den Mitteln der Ausführung. Hierzu gesellte sich mit dem Glauben an die Erfindung eine groſse Geduld und Ausdauer und hierin begegnet uns deutlich jenes merkwürdige psychologische Phänomen, daſs die Ideen den Menschen beherrschen können im Widerstreit mit seinem Körper. Watt war von Kindheit an zart und schwächlich und litt später furchtbar unter nervösen Kopfschmerzen. Diese wurden durch sein rastloses Grübeln,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/522
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/522>, abgerufen am 26.06.2024.