Ringe Draht, deren jeder 91/2 Pfund wog, wurden auf einen Centner gegeben.
Viel bedeutender war die Drahtfabrik zu Ilsenburg in der Graf- schaft Wernigerode. Hier befanden sich in drei nahe bei einander- liegenden Gebäuden 30 Zangen und 6 Leyern, welche beständig im Betriebe standen. Es wurden 28 Sorten Draht verfertigt. Das Glühen des Drahtes geschah in einem Reverberierofen mit Reissholzfeuer. Das Drahtwerk zu Zorge war dem Königshütter gleich.
Die Drahtfabrik zu Sophienhausen bei Hohenfinow in der Chur- mark zog 41 Sorten, nämlich 0 bis 00000 Extraproben Kupfer- schmiededraht, dann in Nr. 1 bis 36, von denen die feineren Nummern von 21 bis 36 als "Band" bezeichnet wurden.
Die Drahtfabrikation der Grafschaft Mark war die wichtigste in Deutschland, sie hatte aber in technischer Beziehung keine Fort- schritte gemacht.
Die märkische Osemundschmiede bildete die Grundlage der berühmten Drahtindustrie von Altena, Iserlohn und Lüdenscheid. Sie lieferte ein vorzügliches Drahteisen, welches auch im Ausland, selbst in Schweden als das beste galt. An Festigkeit übertraf es das sonst so vorzügliche schwedische Eisen (siehe Seite 86). Infolge- dessen hielten die Osemundschmiede, welche eine geschlossene Zunft bildeten, mit einer Zähigkeit an dem Hergebrachten, welche an Aber- glauben grenzte. Ihr ererbtes Verfahren galt ihnen unbedingt als das beste, an dem es nichts zu verbessern gab, und wenn etwas schief ging, so suchten sie den Grund viel eher in Behexung als in einem Mangel des Verfahrens oder ihrer Arbeit. In Wahrheit war die Ein- richtung in manchen Stücken gegen andere Zainhämmer zurück- geblieben. Jägerschmid, dem wir eine vortreffliche Schilderung der märkischen Industrie des vorigen Jahrhunderts verdanken 1), charak- terisiert diesen Zustand sehr treffend.
"Es ist den Arbeitern von jeher nicht erlaubt, Fremde in die Werkstätten zu lassen, also, dass schon in älteren Zeiten der Handlungs- neid dem Fortgang und der Verbesserung der Künste und Wissenschaften sich widersetzte. Allein so lange die Osemundschlacken 40 bis 50 Proc. Eisen in sich enthalten, so lange die Schmiede glauben, ihr Feuer wäre bezaubert, wenn zufällige Umstände die Arbeit verstellen und durch Beten erzwingen wollen, was Kenntnisse und Geschicklichkeiten
1) E. A. Jägerschmid, Bemerkungen über einige Metallische Fabriken der Grafschaft Mark. Durlach 1788.
Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
Ringe Draht, deren jeder 9½ Pfund wog, wurden auf einen Centner gegeben.
Viel bedeutender war die Drahtfabrik zu Ilsenburg in der Graf- schaft Wernigerode. Hier befanden sich in drei nahe bei einander- liegenden Gebäuden 30 Zangen und 6 Leyern, welche beständig im Betriebe standen. Es wurden 28 Sorten Draht verfertigt. Das Glühen des Drahtes geschah in einem Reverberierofen mit Reiſsholzfeuer. Das Drahtwerk zu Zorge war dem Königshütter gleich.
Die Drahtfabrik zu Sophienhausen bei Hohenfinow in der Chur- mark zog 41 Sorten, nämlich 0 bis 00000 Extraproben Kupfer- schmiededraht, dann in Nr. 1 bis 36, von denen die feineren Nummern von 21 bis 36 als „Band“ bezeichnet wurden.
Die Drahtfabrikation der Grafschaft Mark war die wichtigste in Deutschland, sie hatte aber in technischer Beziehung keine Fort- schritte gemacht.
Die märkische Osemundschmiede bildete die Grundlage der berühmten Drahtindustrie von Altena, Iserlohn und Lüdenscheid. Sie lieferte ein vorzügliches Drahteisen, welches auch im Ausland, selbst in Schweden als das beste galt. An Festigkeit übertraf es das sonst so vorzügliche schwedische Eisen (siehe Seite 86). Infolge- dessen hielten die Osemundschmiede, welche eine geschlossene Zunft bildeten, mit einer Zähigkeit an dem Hergebrachten, welche an Aber- glauben grenzte. Ihr ererbtes Verfahren galt ihnen unbedingt als das beste, an dem es nichts zu verbessern gab, und wenn etwas schief ging, so suchten sie den Grund viel eher in Behexung als in einem Mangel des Verfahrens oder ihrer Arbeit. In Wahrheit war die Ein- richtung in manchen Stücken gegen andere Zainhämmer zurück- geblieben. Jägerschmid, dem wir eine vortreffliche Schilderung der märkischen Industrie des vorigen Jahrhunderts verdanken 1), charak- terisiert diesen Zustand sehr treffend.
„Es ist den Arbeitern von jeher nicht erlaubt, Fremde in die Werkstätten zu lassen, also, daſs schon in älteren Zeiten der Handlungs- neid dem Fortgang und der Verbesserung der Künste und Wissenschaften sich widersetzte. Allein so lange die Osemundschlacken 40 bis 50 Proc. Eisen in sich enthalten, so lange die Schmiede glauben, ihr Feuer wäre bezaubert, wenn zufällige Umstände die Arbeit verstellen und durch Beten erzwingen wollen, was Kenntnisse und Geschicklichkeiten
1) E. A. Jägerschmid, Bemerkungen über einige Metallische Fabriken der Grafschaft Mark. Durlach 1788.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0478"n="464"/><fwplace="top"type="header">Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.</fw><lb/>
Ringe Draht, deren jeder 9½ Pfund wog, wurden auf einen Centner<lb/>
gegeben.</p><lb/><p>Viel bedeutender war die Drahtfabrik zu Ilsenburg in der Graf-<lb/>
schaft Wernigerode. Hier befanden sich in drei nahe bei einander-<lb/>
liegenden Gebäuden 30 Zangen und 6 Leyern, welche beständig im<lb/>
Betriebe standen. Es wurden 28 Sorten Draht verfertigt. Das Glühen<lb/>
des Drahtes geschah in einem Reverberierofen mit Reiſsholzfeuer.<lb/>
Das Drahtwerk zu Zorge war dem Königshütter gleich.</p><lb/><p>Die Drahtfabrik zu Sophienhausen bei Hohenfinow in der Chur-<lb/>
mark zog 41 Sorten, nämlich 0 bis 00000 Extraproben Kupfer-<lb/>
schmiededraht, dann in Nr. 1 bis 36, von denen die feineren Nummern<lb/>
von 21 bis 36 als „Band“ bezeichnet wurden.</p><lb/><p>Die Drahtfabrikation der Grafschaft Mark war die wichtigste in<lb/>
Deutschland, sie hatte aber in technischer Beziehung keine Fort-<lb/>
schritte gemacht.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">märkische Osemundschmiede</hi> bildete die Grundlage der<lb/>
berühmten Drahtindustrie von <hirendition="#g">Altena, Iserlohn</hi> und <hirendition="#g">Lüdenscheid</hi>.<lb/>
Sie lieferte ein vorzügliches Drahteisen, welches auch im Ausland,<lb/>
selbst in Schweden als das beste galt. An Festigkeit übertraf es das<lb/>
sonst so vorzügliche schwedische Eisen (siehe Seite 86). Infolge-<lb/>
dessen hielten die Osemundschmiede, welche eine geschlossene Zunft<lb/>
bildeten, mit einer Zähigkeit an dem Hergebrachten, welche an Aber-<lb/>
glauben grenzte. Ihr ererbtes Verfahren galt ihnen unbedingt als das<lb/>
beste, an dem es nichts zu verbessern gab, und wenn etwas schief<lb/>
ging, so suchten sie den Grund viel eher in Behexung als in einem<lb/>
Mangel des Verfahrens oder ihrer Arbeit. In Wahrheit war die Ein-<lb/>
richtung in manchen Stücken gegen andere Zainhämmer zurück-<lb/>
geblieben. <hirendition="#g">Jägerschmid</hi>, dem wir eine vortreffliche Schilderung der<lb/>
märkischen Industrie des vorigen Jahrhunderts verdanken <noteplace="foot"n="1)">E. A. <hirendition="#g">Jägerschmid</hi>, Bemerkungen über einige Metallische Fabriken der<lb/>
Grafschaft Mark. Durlach 1788.</note>, charak-<lb/>
terisiert diesen Zustand sehr treffend.</p><lb/><p>„Es ist den Arbeitern von jeher nicht erlaubt, Fremde in die<lb/>
Werkstätten zu lassen, also, daſs schon in älteren Zeiten der Handlungs-<lb/>
neid dem Fortgang und der Verbesserung der Künste und Wissenschaften<lb/>
sich widersetzte. Allein so lange die Osemundschlacken 40 bis 50 Proc.<lb/>
Eisen in sich enthalten, so lange die Schmiede glauben, ihr Feuer<lb/>
wäre bezaubert, wenn zufällige Umstände die Arbeit verstellen und<lb/>
durch Beten erzwingen wollen, was Kenntnisse und Geschicklichkeiten<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[464/0478]
Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
Ringe Draht, deren jeder 9½ Pfund wog, wurden auf einen Centner
gegeben.
Viel bedeutender war die Drahtfabrik zu Ilsenburg in der Graf-
schaft Wernigerode. Hier befanden sich in drei nahe bei einander-
liegenden Gebäuden 30 Zangen und 6 Leyern, welche beständig im
Betriebe standen. Es wurden 28 Sorten Draht verfertigt. Das Glühen
des Drahtes geschah in einem Reverberierofen mit Reiſsholzfeuer.
Das Drahtwerk zu Zorge war dem Königshütter gleich.
Die Drahtfabrik zu Sophienhausen bei Hohenfinow in der Chur-
mark zog 41 Sorten, nämlich 0 bis 00000 Extraproben Kupfer-
schmiededraht, dann in Nr. 1 bis 36, von denen die feineren Nummern
von 21 bis 36 als „Band“ bezeichnet wurden.
Die Drahtfabrikation der Grafschaft Mark war die wichtigste in
Deutschland, sie hatte aber in technischer Beziehung keine Fort-
schritte gemacht.
Die märkische Osemundschmiede bildete die Grundlage der
berühmten Drahtindustrie von Altena, Iserlohn und Lüdenscheid.
Sie lieferte ein vorzügliches Drahteisen, welches auch im Ausland,
selbst in Schweden als das beste galt. An Festigkeit übertraf es das
sonst so vorzügliche schwedische Eisen (siehe Seite 86). Infolge-
dessen hielten die Osemundschmiede, welche eine geschlossene Zunft
bildeten, mit einer Zähigkeit an dem Hergebrachten, welche an Aber-
glauben grenzte. Ihr ererbtes Verfahren galt ihnen unbedingt als das
beste, an dem es nichts zu verbessern gab, und wenn etwas schief
ging, so suchten sie den Grund viel eher in Behexung als in einem
Mangel des Verfahrens oder ihrer Arbeit. In Wahrheit war die Ein-
richtung in manchen Stücken gegen andere Zainhämmer zurück-
geblieben. Jägerschmid, dem wir eine vortreffliche Schilderung der
märkischen Industrie des vorigen Jahrhunderts verdanken 1), charak-
terisiert diesen Zustand sehr treffend.
„Es ist den Arbeitern von jeher nicht erlaubt, Fremde in die
Werkstätten zu lassen, also, daſs schon in älteren Zeiten der Handlungs-
neid dem Fortgang und der Verbesserung der Künste und Wissenschaften
sich widersetzte. Allein so lange die Osemundschlacken 40 bis 50 Proc.
Eisen in sich enthalten, so lange die Schmiede glauben, ihr Feuer
wäre bezaubert, wenn zufällige Umstände die Arbeit verstellen und
durch Beten erzwingen wollen, was Kenntnisse und Geschicklichkeiten
1) E. A. Jägerschmid, Bemerkungen über einige Metallische Fabriken der
Grafschaft Mark. Durlach 1788.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/478>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.