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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Die Arbeit des Stahlfrischens verlief folgendermassen. Zuerst
wurden einige grobe Holzkohlen in den Herd geworfen und entzündet.
Dann gab man einige Schaufeln gröblich zerkleinerte Kohle auf und
hierauf eine Lage Hammerschlag, "Flisching" genannt, um einen festen
Boden zu bilden. Auf diese Lage gab man 25 bis 30 Pfund Roh-
stahleisen in kleinen Brocken von höchstens 3 bis 5 Pfund Gewicht
auf und füllte dann den ganzen Herd bis zur Gichtplatte mit zer-
kleinerter Kohle, denn der Stahlschmied zerklopfte alle Holzkohlen
vor dem Aufgeben, um ein möglichst geschlossenes Feuer zu erhalten.
Dieser erste kleine Einsatz, "der Setztacken" genannt, wurde mit garen
Schlacken und Hammerschlag niedergeschmolzen und vollständig ver-
frischt, ehe der grössere Einsatz erfolgte. Es dauerte etwa eine Stunde
bis zum Schmelzen des Setztackens und drei Stunden bis zur Gare.
Sobald diese eingetreten war, was man besonders am Hartwerden des
Eisens auf dem Herd erkannte, räumte man alle glühende Kohlen vor
die Form, legte vor dieselben den Rengel ein, um ihr Nachrollen zu
verhindern und trug dann hinter dem Rengel alle "Tacken", d. h.
Rohstahleisenstücke, die man verschmelzen wollte, ein und bedeckte
sie mit Kohlen. Der ganze Einsatz betrug 11/2 bis 2 Centner, je nach
der Grösse des Herdes. Man setzte das Roheisen hinter dem Rengel,
also im kälteren Teile des Herdes ein, damit es sich allmählich bis
zur Schmelzhitze erwärme, indem beim Einsetzen in den heissen Teil
des Herdes und raschem Erhitzen mehr Eisen verbrennen würde.
Andererseits wurde das Einschmelzen dadurch beschleunigt, dass man
das Rohstahleisen in kleinen Brocken aufgab. Grosse Stücke wurden
zu leicht zu weit gefrischt, verloren zu viel Kohlenstoff und wurden
dadurch unschmelzbar. Aus diesem Grunde warf man auch die
dickeren Brocken unten hin, wo sie mehr von Kohlen bedeckt waren
und rascher heiss wurden. Sobald die Brocken geschmolzen waren,
zog man den Rengel heraus. Der gare Setztacken wurde durch das
niederschmelzende Rohstahleisen wieder aufgelöst, kam in Fluss und
vermengte sich mit diesem. Diese Vereinigung ging indessen nicht
plötzlich, sondern allmählich vor sich, indem nicht alles Rohstahleisen
auf einmal in Fluss geriet; und auch das, was wirklich schon ge-
schmolzen war, wurde zum Teil von dem Winde nach den Seiten des
Herdes getrieben, wo es sich ansetzte und fest wurde. Hiervon brach
nun der Stahlschmied ein Stück nach dem andern auf und brachte
es vor dem Winde zum Schmelzen. Die Schlacke oder "das Lech",
welches sich beim Aufbrechen und Rühren im Herd an den Rengel
legte, war für den Stahlschmied das Kennzeichen des Fortschrittes

Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Die Arbeit des Stahlfrischens verlief folgendermaſsen. Zuerst
wurden einige grobe Holzkohlen in den Herd geworfen und entzündet.
Dann gab man einige Schaufeln gröblich zerkleinerte Kohle auf und
hierauf eine Lage Hammerschlag, „Flisching“ genannt, um einen festen
Boden zu bilden. Auf diese Lage gab man 25 bis 30 Pfund Roh-
stahleisen in kleinen Brocken von höchstens 3 bis 5 Pfund Gewicht
auf und füllte dann den ganzen Herd bis zur Gichtplatte mit zer-
kleinerter Kohle, denn der Stahlschmied zerklopfte alle Holzkohlen
vor dem Aufgeben, um ein möglichst geschlossenes Feuer zu erhalten.
Dieser erste kleine Einsatz, „der Setztacken“ genannt, wurde mit garen
Schlacken und Hammerschlag niedergeschmolzen und vollständig ver-
frischt, ehe der gröſsere Einsatz erfolgte. Es dauerte etwa eine Stunde
bis zum Schmelzen des Setztackens und drei Stunden bis zur Gare.
Sobald diese eingetreten war, was man besonders am Hartwerden des
Eisens auf dem Herd erkannte, räumte man alle glühende Kohlen vor
die Form, legte vor dieselben den Rengel ein, um ihr Nachrollen zu
verhindern und trug dann hinter dem Rengel alle „Tacken“, d. h.
Rohstahleisenstücke, die man verschmelzen wollte, ein und bedeckte
sie mit Kohlen. Der ganze Einsatz betrug 1½ bis 2 Centner, je nach
der Gröſse des Herdes. Man setzte das Roheisen hinter dem Rengel,
also im kälteren Teile des Herdes ein, damit es sich allmählich bis
zur Schmelzhitze erwärme, indem beim Einsetzen in den heiſsen Teil
des Herdes und raschem Erhitzen mehr Eisen verbrennen würde.
Andererseits wurde das Einschmelzen dadurch beschleunigt, daſs man
das Rohstahleisen in kleinen Brocken aufgab. Groſse Stücke wurden
zu leicht zu weit gefrischt, verloren zu viel Kohlenstoff und wurden
dadurch unschmelzbar. Aus diesem Grunde warf man auch die
dickeren Brocken unten hin, wo sie mehr von Kohlen bedeckt waren
und rascher heiſs wurden. Sobald die Brocken geschmolzen waren,
zog man den Rengel heraus. Der gare Setztacken wurde durch das
niederschmelzende Rohstahleisen wieder aufgelöst, kam in Fluſs und
vermengte sich mit diesem. Diese Vereinigung ging indessen nicht
plötzlich, sondern allmählich vor sich, indem nicht alles Rohstahleisen
auf einmal in Fluſs geriet; und auch das, was wirklich schon ge-
schmolzen war, wurde zum Teil von dem Winde nach den Seiten des
Herdes getrieben, wo es sich ansetzte und fest wurde. Hiervon brach
nun der Stahlschmied ein Stück nach dem andern auf und brachte
es vor dem Winde zum Schmelzen. Die Schlacke oder „das Lech“,
welches sich beim Aufbrechen und Rühren im Herd an den Rengel
legte, war für den Stahlschmied das Kennzeichen des Fortschrittes

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[423/0437] Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Arbeit des Stahlfrischens verlief folgendermaſsen. Zuerst wurden einige grobe Holzkohlen in den Herd geworfen und entzündet. Dann gab man einige Schaufeln gröblich zerkleinerte Kohle auf und hierauf eine Lage Hammerschlag, „Flisching“ genannt, um einen festen Boden zu bilden. Auf diese Lage gab man 25 bis 30 Pfund Roh- stahleisen in kleinen Brocken von höchstens 3 bis 5 Pfund Gewicht auf und füllte dann den ganzen Herd bis zur Gichtplatte mit zer- kleinerter Kohle, denn der Stahlschmied zerklopfte alle Holzkohlen vor dem Aufgeben, um ein möglichst geschlossenes Feuer zu erhalten. Dieser erste kleine Einsatz, „der Setztacken“ genannt, wurde mit garen Schlacken und Hammerschlag niedergeschmolzen und vollständig ver- frischt, ehe der gröſsere Einsatz erfolgte. Es dauerte etwa eine Stunde bis zum Schmelzen des Setztackens und drei Stunden bis zur Gare. Sobald diese eingetreten war, was man besonders am Hartwerden des Eisens auf dem Herd erkannte, räumte man alle glühende Kohlen vor die Form, legte vor dieselben den Rengel ein, um ihr Nachrollen zu verhindern und trug dann hinter dem Rengel alle „Tacken“, d. h. Rohstahleisenstücke, die man verschmelzen wollte, ein und bedeckte sie mit Kohlen. Der ganze Einsatz betrug 1½ bis 2 Centner, je nach der Gröſse des Herdes. Man setzte das Roheisen hinter dem Rengel, also im kälteren Teile des Herdes ein, damit es sich allmählich bis zur Schmelzhitze erwärme, indem beim Einsetzen in den heiſsen Teil des Herdes und raschem Erhitzen mehr Eisen verbrennen würde. Andererseits wurde das Einschmelzen dadurch beschleunigt, daſs man das Rohstahleisen in kleinen Brocken aufgab. Groſse Stücke wurden zu leicht zu weit gefrischt, verloren zu viel Kohlenstoff und wurden dadurch unschmelzbar. Aus diesem Grunde warf man auch die dickeren Brocken unten hin, wo sie mehr von Kohlen bedeckt waren und rascher heiſs wurden. Sobald die Brocken geschmolzen waren, zog man den Rengel heraus. Der gare Setztacken wurde durch das niederschmelzende Rohstahleisen wieder aufgelöst, kam in Fluſs und vermengte sich mit diesem. Diese Vereinigung ging indessen nicht plötzlich, sondern allmählich vor sich, indem nicht alles Rohstahleisen auf einmal in Fluſs geriet; und auch das, was wirklich schon ge- schmolzen war, wurde zum Teil von dem Winde nach den Seiten des Herdes getrieben, wo es sich ansetzte und fest wurde. Hiervon brach nun der Stahlschmied ein Stück nach dem andern auf und brachte es vor dem Winde zum Schmelzen. Die Schlacke oder „das Lech“, welches sich beim Aufbrechen und Rühren im Herd an den Rengel legte, war für den Stahlschmied das Kennzeichen des Fortschrittes

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/437>, abgerufen am 23.11.2024.