unterwerfen, so würde ihm die Spannung und Sprödigkeit genommen. Man könne solches Geschirr viel dünner giessen und es würde dann bald in allgemeinen Gebrauch kommen, da es viel billiger sein würde als das jetzt noch allgemein gebräuchliche Kupfergeschirr und der Gesundheit nicht schaden könne. Reaumur spricht prophetisch, indem er sagt: "wohl wird dieser Prozess viele Anwendung finden, wenn er künstlerische Waren liefert und das Schöne verbilligt. Denn wenn auch das Schöne vielfach nur ein Modebegriff ist, so würde doch jeder lieber in einem Palast wohnen, als in einer Hütte, wenn er dies für dieselben Kosten haben könnte. Wichtiger aber als das Dekorative ist das Nützliche und erst, wenn es gelänge, Gegenstände des täglichen Gebrauchs auf diesem Wege herzustellen, würde diese Fabrikation ihre wahre Bedeutung erlangen." Reaumur warnt zwar vor übertriebenen und unvernünftigen Hoffnungen, welche erwacht seien, seitdem er im November 1721 diese Kunst in öffentlicher Ver- sammlung der Akademie vorgetragen und die in zahlreichen Anfragen und Zuschriften ihren Ausdruck fänden, im ganzen aber ist er selbst erfüllt von der zuversichtlichsten Hoffnung.
Die Erfüllung dieser Hoffnung sollte er aber nicht erleben. Hatte schon der von ihm vorgeschlagene Prozess der Cementstahl- fabrikation in Frankreich nur mässigen Erfolg, so hatte seine Kunst, Gusseisen zu erweichen, gar keinen. Die verschiedenen Unternehmungen, welche darauf gegründet wurden, gingen sämtlich zu Grunde. Zur Zeit seines Todes 1757 war, wie wir aus seinem Nachruf erfahren, die öffentliche Meinung über Reaumurs Erfindung bereits zur Tages- ordnung übergegangen, sie war als erfolglos aufgegeben.
Während bei dem Cementstahlprozess Reaumurs Angaben so- wohl in Frankreich als noch mehr im Auslande, z. B. in Schweden und namentlich in England, mit Erfolg ausgebeutet wurden, so hatte die Fabrikation des schmiedbaren Gusses damals gar keinen Erfolg und wurde in England, wo Versuche damit gemacht worden waren, als unpraktisch verworfen. Fragen wir uns, wie dies möglich war, nachdem Reaumur das ganze Bild der Fabrikation und ihrer Ver- wendbarkeit so klar, deutlich und richtig dargestellt hatte, dass unsere heutige Industrie auf diesem Gebiete fast vollständig damit überein- stimmt, so müssen wir antworten, dass dies wohl zum Teil in der Ungeschicklichkeit und dem Mangel an Sorgfalt und Geduld lag, mit dem das Verfahren geprüft wurde, hauptsächlich aber lag es darin, dass es keinem dringenden Bedürfnis begegnete; die Erfindung war ihrer Zeit vorausgeeilt. Nur wo eine Erfindung einem dringenden
Schmiedbarer Guſs.
unterwerfen, so würde ihm die Spannung und Sprödigkeit genommen. Man könne solches Geschirr viel dünner gieſsen und es würde dann bald in allgemeinen Gebrauch kommen, da es viel billiger sein würde als das jetzt noch allgemein gebräuchliche Kupfergeschirr und der Gesundheit nicht schaden könne. Reaumur spricht prophetisch, indem er sagt: „wohl wird dieser Prozeſs viele Anwendung finden, wenn er künstlerische Waren liefert und das Schöne verbilligt. Denn wenn auch das Schöne vielfach nur ein Modebegriff ist, so würde doch jeder lieber in einem Palast wohnen, als in einer Hütte, wenn er dies für dieselben Kosten haben könnte. Wichtiger aber als das Dekorative ist das Nützliche und erst, wenn es gelänge, Gegenstände des täglichen Gebrauchs auf diesem Wege herzustellen, würde diese Fabrikation ihre wahre Bedeutung erlangen.“ Reaumur warnt zwar vor übertriebenen und unvernünftigen Hoffnungen, welche erwacht seien, seitdem er im November 1721 diese Kunst in öffentlicher Ver- sammlung der Akademie vorgetragen und die in zahlreichen Anfragen und Zuschriften ihren Ausdruck fänden, im ganzen aber ist er selbst erfüllt von der zuversichtlichsten Hoffnung.
Die Erfüllung dieser Hoffnung sollte er aber nicht erleben. Hatte schon der von ihm vorgeschlagene Prozeſs der Cementstahl- fabrikation in Frankreich nur mäſsigen Erfolg, so hatte seine Kunst, Guſseisen zu erweichen, gar keinen. Die verschiedenen Unternehmungen, welche darauf gegründet wurden, gingen sämtlich zu Grunde. Zur Zeit seines Todes 1757 war, wie wir aus seinem Nachruf erfahren, die öffentliche Meinung über Reaumurs Erfindung bereits zur Tages- ordnung übergegangen, sie war als erfolglos aufgegeben.
Während bei dem Cementstahlprozeſs Reaumurs Angaben so- wohl in Frankreich als noch mehr im Auslande, z. B. in Schweden und namentlich in England, mit Erfolg ausgebeutet wurden, so hatte die Fabrikation des schmiedbaren Gusses damals gar keinen Erfolg und wurde in England, wo Versuche damit gemacht worden waren, als unpraktisch verworfen. Fragen wir uns, wie dies möglich war, nachdem Reaumur das ganze Bild der Fabrikation und ihrer Ver- wendbarkeit so klar, deutlich und richtig dargestellt hatte, daſs unsere heutige Industrie auf diesem Gebiete fast vollständig damit überein- stimmt, so müssen wir antworten, daſs dies wohl zum Teil in der Ungeschicklichkeit und dem Mangel an Sorgfalt und Geduld lag, mit dem das Verfahren geprüft wurde, hauptsächlich aber lag es darin, daſs es keinem dringenden Bedürfnis begegnete; die Erfindung war ihrer Zeit vorausgeeilt. Nur wo eine Erfindung einem dringenden
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Schmiedbarer Guſs.
unterwerfen, so würde ihm die Spannung und Sprödigkeit genommen.
Man könne solches Geschirr viel dünner gieſsen und es würde dann
bald in allgemeinen Gebrauch kommen, da es viel billiger sein würde
als das jetzt noch allgemein gebräuchliche Kupfergeschirr und der
Gesundheit nicht schaden könne. Reaumur spricht prophetisch,
indem er sagt: „wohl wird dieser Prozeſs viele Anwendung finden,
wenn er künstlerische Waren liefert und das Schöne verbilligt. Denn
wenn auch das Schöne vielfach nur ein Modebegriff ist, so würde
doch jeder lieber in einem Palast wohnen, als in einer Hütte, wenn
er dies für dieselben Kosten haben könnte. Wichtiger aber als das
Dekorative ist das Nützliche und erst, wenn es gelänge, Gegenstände
des täglichen Gebrauchs auf diesem Wege herzustellen, würde diese
Fabrikation ihre wahre Bedeutung erlangen.“ Reaumur warnt zwar
vor übertriebenen und unvernünftigen Hoffnungen, welche erwacht
seien, seitdem er im November 1721 diese Kunst in öffentlicher Ver-
sammlung der Akademie vorgetragen und die in zahlreichen Anfragen
und Zuschriften ihren Ausdruck fänden, im ganzen aber ist er selbst
erfüllt von der zuversichtlichsten Hoffnung.
Die Erfüllung dieser Hoffnung sollte er aber nicht erleben.
Hatte schon der von ihm vorgeschlagene Prozeſs der Cementstahl-
fabrikation in Frankreich nur mäſsigen Erfolg, so hatte seine Kunst,
Guſseisen zu erweichen, gar keinen. Die verschiedenen Unternehmungen,
welche darauf gegründet wurden, gingen sämtlich zu Grunde. Zur
Zeit seines Todes 1757 war, wie wir aus seinem Nachruf erfahren,
die öffentliche Meinung über Reaumurs Erfindung bereits zur Tages-
ordnung übergegangen, sie war als erfolglos aufgegeben.
Während bei dem Cementstahlprozeſs Reaumurs Angaben so-
wohl in Frankreich als noch mehr im Auslande, z. B. in Schweden
und namentlich in England, mit Erfolg ausgebeutet wurden, so hatte
die Fabrikation des schmiedbaren Gusses damals gar keinen Erfolg
und wurde in England, wo Versuche damit gemacht worden waren,
als unpraktisch verworfen. Fragen wir uns, wie dies möglich war,
nachdem Reaumur das ganze Bild der Fabrikation und ihrer Ver-
wendbarkeit so klar, deutlich und richtig dargestellt hatte, daſs unsere
heutige Industrie auf diesem Gebiete fast vollständig damit überein-
stimmt, so müssen wir antworten, daſs dies wohl zum Teil in der
Ungeschicklichkeit und dem Mangel an Sorgfalt und Geduld lag, mit
dem das Verfahren geprüft wurde, hauptsächlich aber lag es darin,
daſs es keinem dringenden Bedürfnis begegnete; die Erfindung war
ihrer Zeit vorausgeeilt. Nur wo eine Erfindung einem dringenden
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/250>, abgerufen am 23.11.2024.
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