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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Hochöfen bis 1734.
Ofens nahezu das Formmaul traf (s. Fig. 18). Wir begegnen hier
einer eigentümlichen Ähnlichkeit dieser alten schwedischen Hoch-
ofenform mit der des Siegerlandes, die wir früher (S. 197, Fig. 65)
beschrieben haben. Bei beiden ist die Formseite in den Ofen hinein-
gezogen. Der Unterschied liegt nur darin, dass die schwedischen
Öfen runden Querschnitt von der Formhöhe an erhielten, dadurch
wurde das Obergestell mit der Rast verbunden. Der Siegerländer
Ofen hatte durchgehends viereckigen Querschnitt und ein von der
Rast getrenntes Obergestell. Ebenso hatten aber auch die älteren
schwedischen Öfen viereckigen Querschnitt, und dass sie ein besonderes
Obergestell hatten, geht daraus hervor, dass sich die Bezeichnung
auch bei den runden Öfen erhalten hatte, obgleich die Sache ver-
schwunden war. Die nahe Verwandtschaft dieser Ofenformen ist also
klar. Da wir wissen, dass deutsche Hüttenleute die Hochöfen zuerst
in Schweden einführten, so lässt sich annehmen, dass diese aus dem
Siegerland stammten; oder dass diese eigentümliche Zustellung der
Hochöfen überhaupt die in Deutschland in der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts gebräuchliche war. Ihren Grund hatte dieses einseitige
Einrücken der Formwand, welches den Aufbau des Ofens wesentlich
erschwerte, darin, dass man nur mit einer Form blies und dass bei
den schwachen Blasebälgen der Fokus fast unmittelbar vor der Form
lag. Man musste also die Form in den Ofen hineinrücken, um die
Hitze in der Mitte des Ofens zu halten. Bei sehr gutschmelzigen
Erzen konnte man die Formwand etwas aus der Mitte herausrücken,
wie dies in diesem Falle in Schweden geschah.

Der Herd wurde nach der Abstichseite durch den "Damm"
geschlossen, einen grossen Stein oder ein untermauertes schweres
Eisen, 1/2 Fuss (0,148 m) hoch und 11/2 Fuss (0,443 m) lang, 200 kg
schwer, etwas niedriger als die Seitensteine des Herdes oder Eisen-
kastens, damit man die Schlacken darüber ziehen oder freiwillig ab-
fliessen lassen konnte. Auf der rechten Seite des Dammes befand sich
die Öffnung zum Abstechen des Eisens, das Stichloch (Stickhohl),
das mit Lehm geschlossen wurde und mit dem Abstichspiess geöffnet
wurde, gerade wie heutzutage.

Hatte sich die flüssige Schlacke in genügender Menge angesammelt,
so liess man sie über den Damm abfliessen; hörte sie auf zu fliessen,
so wurde der Vorherd aufgebrochen, Kohlen und Schlacken, die sich
angesetzt hatten, mit Brechstangen ausgeräumt und der gereinigte
Vorherd wieder mit Stübbe, einem Gemenge von Kohlenstaub und
Sand, geschlossen. In manchen Hütten liess man die Schlacke nicht

Hochöfen bis 1734.
Ofens nahezu das Formmaul traf (s. Fig. 18). Wir begegnen hier
einer eigentümlichen Ähnlichkeit dieser alten schwedischen Hoch-
ofenform mit der des Siegerlandes, die wir früher (S. 197, Fig. 65)
beschrieben haben. Bei beiden ist die Formseite in den Ofen hinein-
gezogen. Der Unterschied liegt nur darin, daſs die schwedischen
Öfen runden Querschnitt von der Formhöhe an erhielten, dadurch
wurde das Obergestell mit der Rast verbunden. Der Siegerländer
Ofen hatte durchgehends viereckigen Querschnitt und ein von der
Rast getrenntes Obergestell. Ebenso hatten aber auch die älteren
schwedischen Öfen viereckigen Querschnitt, und daſs sie ein besonderes
Obergestell hatten, geht daraus hervor, daſs sich die Bezeichnung
auch bei den runden Öfen erhalten hatte, obgleich die Sache ver-
schwunden war. Die nahe Verwandtschaft dieser Ofenformen ist also
klar. Da wir wissen, daſs deutsche Hüttenleute die Hochöfen zuerst
in Schweden einführten, so läſst sich annehmen, daſs diese aus dem
Siegerland stammten; oder daſs diese eigentümliche Zustellung der
Hochöfen überhaupt die in Deutschland in der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts gebräuchliche war. Ihren Grund hatte dieses einseitige
Einrücken der Formwand, welches den Aufbau des Ofens wesentlich
erschwerte, darin, daſs man nur mit einer Form blies und daſs bei
den schwachen Blasebälgen der Fokus fast unmittelbar vor der Form
lag. Man muſste also die Form in den Ofen hineinrücken, um die
Hitze in der Mitte des Ofens zu halten. Bei sehr gutschmelzigen
Erzen konnte man die Formwand etwas aus der Mitte herausrücken,
wie dies in diesem Falle in Schweden geschah.

Der Herd wurde nach der Abstichseite durch den „Damm
geschlossen, einen groſsen Stein oder ein untermauertes schweres
Eisen, ½ Fuſs (0,148 m) hoch und 1½ Fuſs (0,443 m) lang, 200 kg
schwer, etwas niedriger als die Seitensteine des Herdes oder Eisen-
kastens, damit man die Schlacken darüber ziehen oder freiwillig ab-
flieſsen lassen konnte. Auf der rechten Seite des Dammes befand sich
die Öffnung zum Abstechen des Eisens, das Stichloch (Stickhohl),
das mit Lehm geschlossen wurde und mit dem Abstichspieſs geöffnet
wurde, gerade wie heutzutage.

Hatte sich die flüssige Schlacke in genügender Menge angesammelt,
so lieſs man sie über den Damm abflieſsen; hörte sie auf zu flieſsen,
so wurde der Vorherd aufgebrochen, Kohlen und Schlacken, die sich
angesetzt hatten, mit Brechstangen ausgeräumt und der gereinigte
Vorherd wieder mit Stübbe, einem Gemenge von Kohlenstaub und
Sand, geschlossen. In manchen Hütten lieſs man die Schlacke nicht

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[142/0156] Hochöfen bis 1734. Ofens nahezu das Formmaul traf (s. Fig. 18). Wir begegnen hier einer eigentümlichen Ähnlichkeit dieser alten schwedischen Hoch- ofenform mit der des Siegerlandes, die wir früher (S. 197, Fig. 65) beschrieben haben. Bei beiden ist die Formseite in den Ofen hinein- gezogen. Der Unterschied liegt nur darin, daſs die schwedischen Öfen runden Querschnitt von der Formhöhe an erhielten, dadurch wurde das Obergestell mit der Rast verbunden. Der Siegerländer Ofen hatte durchgehends viereckigen Querschnitt und ein von der Rast getrenntes Obergestell. Ebenso hatten aber auch die älteren schwedischen Öfen viereckigen Querschnitt, und daſs sie ein besonderes Obergestell hatten, geht daraus hervor, daſs sich die Bezeichnung auch bei den runden Öfen erhalten hatte, obgleich die Sache ver- schwunden war. Die nahe Verwandtschaft dieser Ofenformen ist also klar. Da wir wissen, daſs deutsche Hüttenleute die Hochöfen zuerst in Schweden einführten, so läſst sich annehmen, daſs diese aus dem Siegerland stammten; oder daſs diese eigentümliche Zustellung der Hochöfen überhaupt die in Deutschland in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gebräuchliche war. Ihren Grund hatte dieses einseitige Einrücken der Formwand, welches den Aufbau des Ofens wesentlich erschwerte, darin, daſs man nur mit einer Form blies und daſs bei den schwachen Blasebälgen der Fokus fast unmittelbar vor der Form lag. Man muſste also die Form in den Ofen hineinrücken, um die Hitze in der Mitte des Ofens zu halten. Bei sehr gutschmelzigen Erzen konnte man die Formwand etwas aus der Mitte herausrücken, wie dies in diesem Falle in Schweden geschah. Der Herd wurde nach der Abstichseite durch den „Damm“ geschlossen, einen groſsen Stein oder ein untermauertes schweres Eisen, ½ Fuſs (0,148 m) hoch und 1½ Fuſs (0,443 m) lang, 200 kg schwer, etwas niedriger als die Seitensteine des Herdes oder Eisen- kastens, damit man die Schlacken darüber ziehen oder freiwillig ab- flieſsen lassen konnte. Auf der rechten Seite des Dammes befand sich die Öffnung zum Abstechen des Eisens, das Stichloch (Stickhohl), das mit Lehm geschlossen wurde und mit dem Abstichspieſs geöffnet wurde, gerade wie heutzutage. Hatte sich die flüssige Schlacke in genügender Menge angesammelt, so lieſs man sie über den Damm abflieſsen; hörte sie auf zu flieſsen, so wurde der Vorherd aufgebrochen, Kohlen und Schlacken, die sich angesetzt hatten, mit Brechstangen ausgeräumt und der gereinigte Vorherd wieder mit Stübbe, einem Gemenge von Kohlenstaub und Sand, geschlossen. In manchen Hütten lieſs man die Schlacke nicht

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/156>, abgerufen am 23.11.2024.