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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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eisensand erblasenen Renneisen guten Stahl, wofür er von der Society
of Arts in London die goldene Medaille erhielt. Dennoch hatte auch
er mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, weshalb ihm die
Regierung 1772 auf sein Gesuch hin ein zinsloses Anlehen von 500 £
auf 2 Jahre bewilligte, welcher Termin dann auf weitere 2 Jahre
verlängert wurde.

Das Wachstum der amerikanischen Eisenindustrie erregte in Eng-
land grosses Missbehagen. Man konnte sich dort nicht zu dem
Gedanken aufschwingen, den amerikanischen Kolonieen eine wirt-
schaftliche Selbständigkeit zuzuerkennen. Eine selbständige Eisen-
industrie in Nordamerika hielt man für eine Anmassung und suchte
dieselbe mit Gewalt zu unterdrücken. Josua Gee erklärte 1750 in
England: man müsse ein allzeit waches Auge auf die Kolonieen haben,
um sie vor der Errichtung jeder Art von Fabriken, welche in Eng-
land beständen, abzuhalten, und jeder Versuch müsste in der Wurzel
vernichtet werden, denn wenn man sie erst heranwachsen liesse,
würde es schwer fallen, sie zu unterdrücken. Dies war der Ausdruck
der öffentlichen Meinung, die selbst einen so aufgeklärten Minister,
wie Lord Chatham, zu dem denkwürdigen Ausspruch verleitete: er
würde nicht dulden, dass die Kolonisten auch nur einen Hufnagel
für sich selbst machten! Obgleich England am grössten Holzmangel
litt, infolgedessen seine Eisenproduktion bis zur Mitte des Jahrhunderts
mehr und mehr zurückging und es gezwungen war, Eisen zu impor-
tieren, so hatte es doch auf das Roheisen der Kolonieen einen hohen
Eingangszoll gelegt. 1750 wurde die Angelegenheit vor das Parlament
gebracht. Dieses beschloss, den Zoll auf Roheisen und Luppenstäbe
aufzuheben, dagegen wurde die Errichtung von Eisen-, Walz- und
Schneidwerken in den amerikanischen Kolonieen vom 24. Juni ab
verboten, ebenso von Blechhämmern und Stahlöfen bei Strafe von
200 £ und sofortiger Niederlegung des Werkes. Die amerikanischen
Kolonieen sollten also Roh- und Luppeneisen für die englischen Eisen-
gewerken liefern, dagegen war ihnen verboten, irgendwelche Eisen-
artikel fabrikmässig aus ihrem eigenen Eisen zu machen, sie sollten
vielmehr gezwungen sein, solche von den englischen Eisengewerken zu
hohen Preisen zu kaufen. Ähnliche tyrannische Bestimmungen wurden
für die Wollenmanufaktur erlassen. Dass solche kurzsichtige und
boshafte Gesetzesbestimmungen den Zorn und den Widerstand der
Kolonisten hervorrufen mussten, ist einleuchtend. Von da ab trieben
die Verhältnisse in den englischen Kolonieen der Revolution zu, deren
Ausbruch durch die Grenville-Akte 1764 und die Stempelakte 1765

Amerika.
eisensand erblasenen Renneisen guten Stahl, wofür er von der Society
of Arts in London die goldene Medaille erhielt. Dennoch hatte auch
er mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, weshalb ihm die
Regierung 1772 auf sein Gesuch hin ein zinsloses Anlehen von 500 £
auf 2 Jahre bewilligte, welcher Termin dann auf weitere 2 Jahre
verlängert wurde.

Das Wachstum der amerikanischen Eisenindustrie erregte in Eng-
land groſses Miſsbehagen. Man konnte sich dort nicht zu dem
Gedanken aufschwingen, den amerikanischen Kolonieen eine wirt-
schaftliche Selbständigkeit zuzuerkennen. Eine selbständige Eisen-
industrie in Nordamerika hielt man für eine Anmaſsung und suchte
dieselbe mit Gewalt zu unterdrücken. Josua Gee erklärte 1750 in
England: man müsse ein allzeit waches Auge auf die Kolonieen haben,
um sie vor der Errichtung jeder Art von Fabriken, welche in Eng-
land beständen, abzuhalten, und jeder Versuch müſste in der Wurzel
vernichtet werden, denn wenn man sie erst heranwachsen lieſse,
würde es schwer fallen, sie zu unterdrücken. Dies war der Ausdruck
der öffentlichen Meinung, die selbst einen so aufgeklärten Minister,
wie Lord Chatham, zu dem denkwürdigen Ausspruch verleitete: er
würde nicht dulden, daſs die Kolonisten auch nur einen Hufnagel
für sich selbst machten! Obgleich England am gröſsten Holzmangel
litt, infolgedessen seine Eisenproduktion bis zur Mitte des Jahrhunderts
mehr und mehr zurückging und es gezwungen war, Eisen zu impor-
tieren, so hatte es doch auf das Roheisen der Kolonieen einen hohen
Eingangszoll gelegt. 1750 wurde die Angelegenheit vor das Parlament
gebracht. Dieses beschloſs, den Zoll auf Roheisen und Luppenstäbe
aufzuheben, dagegen wurde die Errichtung von Eisen-, Walz- und
Schneidwerken in den amerikanischen Kolonieen vom 24. Juni ab
verboten, ebenso von Blechhämmern und Stahlöfen bei Strafe von
200 £ und sofortiger Niederlegung des Werkes. Die amerikanischen
Kolonieen sollten also Roh- und Luppeneisen für die englischen Eisen-
gewerken liefern, dagegen war ihnen verboten, irgendwelche Eisen-
artikel fabrikmäſsig aus ihrem eigenen Eisen zu machen, sie sollten
vielmehr gezwungen sein, solche von den englischen Eisengewerken zu
hohen Preisen zu kaufen. Ähnliche tyrannische Bestimmungen wurden
für die Wollenmanufaktur erlassen. Daſs solche kurzsichtige und
boshafte Gesetzesbestimmungen den Zorn und den Widerstand der
Kolonisten hervorrufen muſsten, ist einleuchtend. Von da ab trieben
die Verhältnisse in den englischen Kolonieen der Revolution zu, deren
Ausbruch durch die Grenville-Akte 1764 und die Stempelakte 1765

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[1164/1178] Amerika. eisensand erblasenen Renneisen guten Stahl, wofür er von der Society of Arts in London die goldene Medaille erhielt. Dennoch hatte auch er mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, weshalb ihm die Regierung 1772 auf sein Gesuch hin ein zinsloses Anlehen von 500 £ auf 2 Jahre bewilligte, welcher Termin dann auf weitere 2 Jahre verlängert wurde. Das Wachstum der amerikanischen Eisenindustrie erregte in Eng- land groſses Miſsbehagen. Man konnte sich dort nicht zu dem Gedanken aufschwingen, den amerikanischen Kolonieen eine wirt- schaftliche Selbständigkeit zuzuerkennen. Eine selbständige Eisen- industrie in Nordamerika hielt man für eine Anmaſsung und suchte dieselbe mit Gewalt zu unterdrücken. Josua Gee erklärte 1750 in England: man müsse ein allzeit waches Auge auf die Kolonieen haben, um sie vor der Errichtung jeder Art von Fabriken, welche in Eng- land beständen, abzuhalten, und jeder Versuch müſste in der Wurzel vernichtet werden, denn wenn man sie erst heranwachsen lieſse, würde es schwer fallen, sie zu unterdrücken. Dies war der Ausdruck der öffentlichen Meinung, die selbst einen so aufgeklärten Minister, wie Lord Chatham, zu dem denkwürdigen Ausspruch verleitete: er würde nicht dulden, daſs die Kolonisten auch nur einen Hufnagel für sich selbst machten! Obgleich England am gröſsten Holzmangel litt, infolgedessen seine Eisenproduktion bis zur Mitte des Jahrhunderts mehr und mehr zurückging und es gezwungen war, Eisen zu impor- tieren, so hatte es doch auf das Roheisen der Kolonieen einen hohen Eingangszoll gelegt. 1750 wurde die Angelegenheit vor das Parlament gebracht. Dieses beschloſs, den Zoll auf Roheisen und Luppenstäbe aufzuheben, dagegen wurde die Errichtung von Eisen-, Walz- und Schneidwerken in den amerikanischen Kolonieen vom 24. Juni ab verboten, ebenso von Blechhämmern und Stahlöfen bei Strafe von 200 £ und sofortiger Niederlegung des Werkes. Die amerikanischen Kolonieen sollten also Roh- und Luppeneisen für die englischen Eisen- gewerken liefern, dagegen war ihnen verboten, irgendwelche Eisen- artikel fabrikmäſsig aus ihrem eigenen Eisen zu machen, sie sollten vielmehr gezwungen sein, solche von den englischen Eisengewerken zu hohen Preisen zu kaufen. Ähnliche tyrannische Bestimmungen wurden für die Wollenmanufaktur erlassen. Daſs solche kurzsichtige und boshafte Gesetzesbestimmungen den Zorn und den Widerstand der Kolonisten hervorrufen muſsten, ist einleuchtend. Von da ab trieben die Verhältnisse in den englischen Kolonieen der Revolution zu, deren Ausbruch durch die Grenville-Akte 1764 und die Stempelakte 1765

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 1164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/1178>, abgerufen am 22.11.2024.