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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Die Dampfmaschine vor Watt.

Thomas Newcomen war Schmied und Eisenhändler in Dart-
mouth. Er beschäftigte sich schon früh mit Versuchen zur Her-
stellung einer Dampfmaschine. Wie er dazu kam, wissen wir nicht.
Während Savery der Überlieferung nach dadurch zur Erfindung
seiner Dampfmaschine geführt worden sein soll, dass er eine leere
Weinflasche, in der ein Rest Wein sich dadurch, dass sie zu nahe
dem Kaminfeuer lag, in Dampf verwandelt hatte, mit dem Halse in
kaltes Wasser steckte, wodurch sie sich sofort füllte, so soll New-
comen
durch die Beobachtung eines stark erhitzten Theekessels,
dessen Deckel vom Dampf abwechselnd gehoben wurde und wieder
zuklappte, auf den Weg der Erfindung geführt worden sein. Die
Idee der Dampfmaschine lag gegen Ende des 17. Jahrhunderts in
England in der Luft und viele mögen sich damit beschäftigt haben.
Man hat oft Newcomens Maschine eine Verbesserung von der
Saverys genannt. Dies ist nicht richtig. Newcomen ging seinen
eigenen Weg und seine Maschine ist in ihrer Grundlage durchaus
verschieden. Höchstens können die Mängel von Saverys Maschine
Newcomen in seiner Konstruktion bestärkt haben. Dagegen ist Papins
Einfluss auf Newcomen erwiesen und in der That ist Newcomens
Maschine die vollendete Lösung des Problems, welches Papin
vorschwebte und das er in seiner Schrift "Nova methodus etc." 1690
veröffentlicht hatte (s. Bd. II, S. 936). Newcomen, der neben
seinem Geschäft sich mit Studien beschäftigte, ein ruhiger forschender
Geist, und ein Quäker seiner Konfession nach, hatte von Papins
Vorschlag, Bewegung auf Entfernungen dadurch zu übertragen, dass
man mittelst Luftpumpen unter einen Kolben in einem Cylinder, den
man nahe dem Schacht aufstellen könne, ein Vakuum erzeuge, ge-
hört. Er verfolgte diese Idee und dies führte ihn dazu, mit dem be-
rühmten Physiker Dr. Hooke in Korrespondenz zu treten. Dieser
verwarf Papins Maschine und riet Newcomen ab, diesen Weg zu
verfolgen, wobei ihm aber ganz nebenbei die Bemerkung entschlüpfte:
"ja, könnte er rasch ein Vakuum unter seinem Kolben erzeugen,
dann wäre die Sache gemacht". Diese Bemerkung wurde ausschlag-
gebend; sie war der bestimmte Ausdruck dessen, was Newcomen
unklar vorschwebte; sie blieb allein von dem ganzen Inhalte des
Schreibens in seiner Seele haften. Dass auch Savery Einfluss auf
Newcomen ausgeübt hat, ist zweifellos. Savery lebte in Modbury
nur 15 englische Meilen von Dartmouth; da er zur Ausführung seiner
Apparate alle geschickten Metallarbeiter der Umgegend in Anspruch
nahm, ist es nicht unmöglich, dass er sich auch an den ideenreichen

Die Dampfmaschine vor Watt.

Thomas Newcomen war Schmied und Eisenhändler in Dart-
mouth. Er beschäftigte sich schon früh mit Versuchen zur Her-
stellung einer Dampfmaschine. Wie er dazu kam, wissen wir nicht.
Während Savery der Überlieferung nach dadurch zur Erfindung
seiner Dampfmaschine geführt worden sein soll, daſs er eine leere
Weinflasche, in der ein Rest Wein sich dadurch, daſs sie zu nahe
dem Kaminfeuer lag, in Dampf verwandelt hatte, mit dem Halse in
kaltes Wasser steckte, wodurch sie sich sofort füllte, so soll New-
comen
durch die Beobachtung eines stark erhitzten Theekessels,
dessen Deckel vom Dampf abwechselnd gehoben wurde und wieder
zuklappte, auf den Weg der Erfindung geführt worden sein. Die
Idee der Dampfmaschine lag gegen Ende des 17. Jahrhunderts in
England in der Luft und viele mögen sich damit beschäftigt haben.
Man hat oft Newcomens Maschine eine Verbesserung von der
Saverys genannt. Dies ist nicht richtig. Newcomen ging seinen
eigenen Weg und seine Maschine ist in ihrer Grundlage durchaus
verschieden. Höchstens können die Mängel von Saverys Maschine
Newcomen in seiner Konstruktion bestärkt haben. Dagegen ist Papins
Einfluſs auf Newcomen erwiesen und in der That ist Newcomens
Maschine die vollendete Lösung des Problems, welches Papin
vorschwebte und das er in seiner Schrift „Nova methodus etc.“ 1690
veröffentlicht hatte (s. Bd. II, S. 936). Newcomen, der neben
seinem Geschäft sich mit Studien beschäftigte, ein ruhiger forschender
Geist, und ein Quäker seiner Konfession nach, hatte von Papins
Vorschlag, Bewegung auf Entfernungen dadurch zu übertragen, daſs
man mittelst Luftpumpen unter einen Kolben in einem Cylinder, den
man nahe dem Schacht aufstellen könne, ein Vakuum erzeuge, ge-
hört. Er verfolgte diese Idee und dies führte ihn dazu, mit dem be-
rühmten Physiker Dr. Hooke in Korrespondenz zu treten. Dieser
verwarf Papins Maschine und riet Newcomen ab, diesen Weg zu
verfolgen, wobei ihm aber ganz nebenbei die Bemerkung entschlüpfte:
„ja, könnte er rasch ein Vakuum unter seinem Kolben erzeugen,
dann wäre die Sache gemacht“. Diese Bemerkung wurde ausschlag-
gebend; sie war der bestimmte Ausdruck dessen, was Newcomen
unklar vorschwebte; sie blieb allein von dem ganzen Inhalte des
Schreibens in seiner Seele haften. Daſs auch Savery Einfluſs auf
Newcomen ausgeübt hat, ist zweifellos. Savery lebte in Modbury
nur 15 englische Meilen von Dartmouth; da er zur Ausführung seiner
Apparate alle geschickten Metallarbeiter der Umgegend in Anspruch
nahm, ist es nicht unmöglich, daſs er sich auch an den ideenreichen

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[94/0108] Die Dampfmaschine vor Watt. Thomas Newcomen war Schmied und Eisenhändler in Dart- mouth. Er beschäftigte sich schon früh mit Versuchen zur Her- stellung einer Dampfmaschine. Wie er dazu kam, wissen wir nicht. Während Savery der Überlieferung nach dadurch zur Erfindung seiner Dampfmaschine geführt worden sein soll, daſs er eine leere Weinflasche, in der ein Rest Wein sich dadurch, daſs sie zu nahe dem Kaminfeuer lag, in Dampf verwandelt hatte, mit dem Halse in kaltes Wasser steckte, wodurch sie sich sofort füllte, so soll New- comen durch die Beobachtung eines stark erhitzten Theekessels, dessen Deckel vom Dampf abwechselnd gehoben wurde und wieder zuklappte, auf den Weg der Erfindung geführt worden sein. Die Idee der Dampfmaschine lag gegen Ende des 17. Jahrhunderts in England in der Luft und viele mögen sich damit beschäftigt haben. Man hat oft Newcomens Maschine eine Verbesserung von der Saverys genannt. Dies ist nicht richtig. Newcomen ging seinen eigenen Weg und seine Maschine ist in ihrer Grundlage durchaus verschieden. Höchstens können die Mängel von Saverys Maschine Newcomen in seiner Konstruktion bestärkt haben. Dagegen ist Papins Einfluſs auf Newcomen erwiesen und in der That ist Newcomens Maschine die vollendete Lösung des Problems, welches Papin vorschwebte und das er in seiner Schrift „Nova methodus etc.“ 1690 veröffentlicht hatte (s. Bd. II, S. 936). Newcomen, der neben seinem Geschäft sich mit Studien beschäftigte, ein ruhiger forschender Geist, und ein Quäker seiner Konfession nach, hatte von Papins Vorschlag, Bewegung auf Entfernungen dadurch zu übertragen, daſs man mittelst Luftpumpen unter einen Kolben in einem Cylinder, den man nahe dem Schacht aufstellen könne, ein Vakuum erzeuge, ge- hört. Er verfolgte diese Idee und dies führte ihn dazu, mit dem be- rühmten Physiker Dr. Hooke in Korrespondenz zu treten. Dieser verwarf Papins Maschine und riet Newcomen ab, diesen Weg zu verfolgen, wobei ihm aber ganz nebenbei die Bemerkung entschlüpfte: „ja, könnte er rasch ein Vakuum unter seinem Kolben erzeugen, dann wäre die Sache gemacht“. Diese Bemerkung wurde ausschlag- gebend; sie war der bestimmte Ausdruck dessen, was Newcomen unklar vorschwebte; sie blieb allein von dem ganzen Inhalte des Schreibens in seiner Seele haften. Daſs auch Savery Einfluſs auf Newcomen ausgeübt hat, ist zweifellos. Savery lebte in Modbury nur 15 englische Meilen von Dartmouth; da er zur Ausführung seiner Apparate alle geschickten Metallarbeiter der Umgegend in Anspruch nahm, ist es nicht unmöglich, daſs er sich auch an den ideenreichen

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/108>, abgerufen am 27.11.2024.