Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.
Steg niedergedruckt, der Draht mit der Zangen aufwärts gezogen, und wann die an den eisernen Zangen befestigte hölzerne Stange in die Höhe schnappt, wiederumb einwärts gerucket, der Draht aber an der sich zugleich selbst durch besondere Triebe umbdrehenden so- genannten Leyern auf, von dem Haspel aber im Gegenteil abgewun- den." Wo keine Drahtmühlen waren, mussten die "Schieber" das Ziehen des groben Drahtes mit grosser Mühe mit der Hand ver- richten, wobei sie sich auf der angehängten Schiebebank vor- und zurückschwangen. So geschah es noch im Herzogtum Krain.
Das Patent, welches Thomas Harvey in England 1678 für eine Maschine, um alle Sorten spanischen und schwedischen Eisens zu Rundeisen für Schiffsbolzen und sonstigen Gebrauch viel besser und rascher, als das unter dem Schmiedehammer geschieht, auszuziehen, erhielt, war wohl ein sehr starker Schleppzug.
In engster Verbindung mit dem Drahtgewerbe stand die Nadel- fabrikation. Dieselbe hatte ihren Hauptsitz in Spanien, den Nieder- landen, Aachen und Nürnberg (Schwabach). Die Aachener Nadeln gingen im Handel unter dem Namen spanische Nadeln, weil ein spanischer Niederländer diese Industrie nach Aachen gebracht hatte. 1631 fasste aber der Senat der Stadt Aachen einen Beschluss, dass diese falsche Bezeichnung abgeschafft und dieselben von nun an nur als Aachener Nadeln verkauft werden sollten.
Im 17. Jahrhundert wurde die Nadelfabrikation auch in Altena in der westfälischen Mark eingeführt, kam aber damals zu keiner gedeihlichen Entwickelung. Durch den 30jährigen Krieg ging die Nadelfabrikation in Deutschland sehr zurück, dagegen erblühte sie in England. Dort soll in London um 1545 ein Neger zuerst Nadeln gemacht haben. Er hielt aber seine Kunst ängstlich geheim, und so starb sie mit ihm aus. Königin Elisabeth zog deutsche Nadelarbeiter aus Deutschland herbei und begründete mit Hilfe derselben in White- chapel bei London die englische Nadelfabrikation, die während und nach dem 30jährigen Kriege sich kräftig entwickelte.
Über die verschiedenen Sorten von Steck-, Heft- und Nähnadeln, die damals im mittleren Deutschland gehandelt wurden, giebt folgende Preisliste aus Kursachsen vom Jahre 1623 Aufschluss 1):
Im Meissnischen Kreis:
Das Tausend der besten Stecknadeln um 12 Gr. -- Pf.
" " andere Gattung 10 " -- "
1) Codex Augusteus II, 848.
Beck, Geschichte des Eisens. 62
Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.
Steg niedergedruckt, der Draht mit der Zangen aufwärts gezogen, und wann die an den eisernen Zangen befestigte hölzerne Stange in die Höhe schnappt, wiederumb einwärts gerucket, der Draht aber an der sich zugleich selbst durch besondere Triebe umbdrehenden so- genannten Leyern auf, von dem Haspel aber im Gegenteil abgewun- den.“ Wo keine Drahtmühlen waren, muſsten die „Schieber“ das Ziehen des groben Drahtes mit groſser Mühe mit der Hand ver- richten, wobei sie sich auf der angehängten Schiebebank vor- und zurückschwangen. So geschah es noch im Herzogtum Krain.
Das Patent, welches Thomas Harvey in England 1678 für eine Maschine, um alle Sorten spanischen und schwedischen Eisens zu Rundeisen für Schiffsbolzen und sonstigen Gebrauch viel besser und rascher, als das unter dem Schmiedehammer geschieht, auszuziehen, erhielt, war wohl ein sehr starker Schleppzug.
In engster Verbindung mit dem Drahtgewerbe stand die Nadel- fabrikation. Dieselbe hatte ihren Hauptsitz in Spanien, den Nieder- landen, Aachen und Nürnberg (Schwabach). Die Aachener Nadeln gingen im Handel unter dem Namen spanische Nadeln, weil ein spanischer Niederländer diese Industrie nach Aachen gebracht hatte. 1631 faſste aber der Senat der Stadt Aachen einen Beschluſs, daſs diese falsche Bezeichnung abgeschafft und dieselben von nun an nur als Aachener Nadeln verkauft werden sollten.
Im 17. Jahrhundert wurde die Nadelfabrikation auch in Altena in der westfälischen Mark eingeführt, kam aber damals zu keiner gedeihlichen Entwickelung. Durch den 30jährigen Krieg ging die Nadelfabrikation in Deutschland sehr zurück, dagegen erblühte sie in England. Dort soll in London um 1545 ein Neger zuerst Nadeln gemacht haben. Er hielt aber seine Kunst ängstlich geheim, und so starb sie mit ihm aus. Königin Elisabeth zog deutsche Nadelarbeiter aus Deutschland herbei und begründete mit Hilfe derselben in White- chapel bei London die englische Nadelfabrikation, die während und nach dem 30jährigen Kriege sich kräftig entwickelte.
Über die verschiedenen Sorten von Steck-, Heft- und Nähnadeln, die damals im mittleren Deutschland gehandelt wurden, giebt folgende Preisliste aus Kursachsen vom Jahre 1623 Aufschluſs 1):
Im Meiſsnischen Kreis:
Das Tausend der besten Stecknadeln um 12 Gr. — Pf.
„ „ andere Gattung 10 „ — „
1) Codex Augusteus II, 848.
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Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.
Steg niedergedruckt, der Draht mit der Zangen aufwärts gezogen,
und wann die an den eisernen Zangen befestigte hölzerne Stange in
die Höhe schnappt, wiederumb einwärts gerucket, der Draht aber an
der sich zugleich selbst durch besondere Triebe umbdrehenden so-
genannten Leyern auf, von dem Haspel aber im Gegenteil abgewun-
den.“ Wo keine Drahtmühlen waren, muſsten die „Schieber“ das
Ziehen des groben Drahtes mit groſser Mühe mit der Hand ver-
richten, wobei sie sich auf der angehängten Schiebebank vor- und
zurückschwangen. So geschah es noch im Herzogtum Krain.
Das Patent, welches Thomas Harvey in England 1678 für eine
Maschine, um alle Sorten spanischen und schwedischen Eisens zu
Rundeisen für Schiffsbolzen und sonstigen Gebrauch viel besser und
rascher, als das unter dem Schmiedehammer geschieht, auszuziehen,
erhielt, war wohl ein sehr starker Schleppzug.
In engster Verbindung mit dem Drahtgewerbe stand die Nadel-
fabrikation. Dieselbe hatte ihren Hauptsitz in Spanien, den Nieder-
landen, Aachen und Nürnberg (Schwabach). Die Aachener Nadeln
gingen im Handel unter dem Namen spanische Nadeln, weil ein
spanischer Niederländer diese Industrie nach Aachen gebracht hatte.
1631 faſste aber der Senat der Stadt Aachen einen Beschluſs, daſs
diese falsche Bezeichnung abgeschafft und dieselben von nun an nur
als Aachener Nadeln verkauft werden sollten.
Im 17. Jahrhundert wurde die Nadelfabrikation auch in Altena
in der westfälischen Mark eingeführt, kam aber damals zu keiner
gedeihlichen Entwickelung. Durch den 30jährigen Krieg ging die
Nadelfabrikation in Deutschland sehr zurück, dagegen erblühte sie in
England. Dort soll in London um 1545 ein Neger zuerst Nadeln
gemacht haben. Er hielt aber seine Kunst ängstlich geheim, und so
starb sie mit ihm aus. Königin Elisabeth zog deutsche Nadelarbeiter
aus Deutschland herbei und begründete mit Hilfe derselben in White-
chapel bei London die englische Nadelfabrikation, die während und
nach dem 30jährigen Kriege sich kräftig entwickelte.
Über die verschiedenen Sorten von Steck-, Heft- und Nähnadeln,
die damals im mittleren Deutschland gehandelt wurden, giebt folgende
Preisliste aus Kursachsen vom Jahre 1623 Aufschluſs 1):
Im Meiſsnischen Kreis:
Das Tausend der besten Stecknadeln um 12 Gr. — Pf.
„ „ andere Gattung 10 „ — „
1) Codex Augusteus II, 848.
Beck, Geschichte des Eisens. 62
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 977. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/999>, abgerufen am 22.11.2024.
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