Besonders berühmt war im Mittelalter Brescia, nicht nur durch seine eigene Eisengewinnung und Verarbeitung, sondern auch durch seinen Stahlhandel als Stapelplatz des Stahls und des Eisens der Lom- bardei, von Kärnten, Krain u. s. w.
Biringuccio erwähnt ein Hüttenwerk bei Brescia, indem er sagt, das Elbanische Erz brauche nicht das mächtige Feuer von grossen Hochöfen zu seiner Reinigung, wie bei vielen andern, be- sonders in Italien, bei denen im Gebiete von Brescia, im Thale von Camonica. Garzoni erwähnt noch das Eisen von Zoldo Bellunense.
Dass der Eisenguss in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien schon bekannt war, erwähnt Biringuccio wiederholt, es gab also auch schon Hochöfen, und zwar wahrscheinlich niedrige, mit geschlossener Brust.
Das Alpengebiet zwischen Comer- und Gardasee, welches als die Bergamaskischen Alpen bezeichnet wird, war die alte Heimat der Bergamaskschmiede, jenes Frischverfahrens, welches sich von hier nach Westen verbreitet hat und namentlich in Frankreich ausgedehnte Anwendung gefunden hat. Die eigentümliche Betriebsweise hat sich in diesen abgelegenen Thälern in wenig veränderter Form bis in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts erhalten. Da wir durch Birin- guccio wissen, dass im Thale Camonico schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Hochöfen betrieben wurden, so dürfen wir wohl annehmen, dass auch damals schon der ganze Betrieb dort in An- wendung war, wie ihn Audibert im Jahre 1844 gefunden hat 1). Die Hochöfen, deren es in den oben genannten sieben Thälern da- mals 15 gab, hatten kein Gestell. Es waren Blau- oder Flossöfen mit geschlossener Brust und viereckigem Querschnitt. Alle waren nach einem Muster gebaut und 7,2 m hoch. Die Form lag in der Vorwand, wo sich auch der Eisen- und Schlackenabstich befand. Der Kohlensack lag in der halben Höhe des Ofens, war quadratisch und hatte 1,62 m Seitenlänge. Die Gichtöffnung bildete ein Rechteck von 0,75 und 0,50 m Seitenlänge; der Boden war 0,45 m im Quadrat. Die Form war 45 Grad in den Herd geneigt, endete aber vor der Formöffnung im Mauerwerk. Der Boden der Form ruhte auf einer horizontalen Schieferplatte (bracciolo genannt), welche etwa 4 cm vor den vorderen Rand der Formmündung vorsprang. Das Rauh- mauerwerk des Ofens bestand aus Talkschiefer. Die reichen Eisen- erze, welche verschmolzen wurden, liess man 6 bis 7 Jahre an der
1) Siehe Annales des mines, 4. Ser., Bd. I, S. 613.
Italien, Spanien und Frankreich.
Besonders berühmt war im Mittelalter Brescia, nicht nur durch seine eigene Eisengewinnung und Verarbeitung, sondern auch durch seinen Stahlhandel als Stapelplatz des Stahls und des Eisens der Lom- bardei, von Kärnten, Krain u. s. w.
Biringuccio erwähnt ein Hüttenwerk bei Brescia, indem er sagt, das Elbanische Erz brauche nicht das mächtige Feuer von groſsen Hochöfen zu seiner Reinigung, wie bei vielen andern, be- sonders in Italien, bei denen im Gebiete von Brescia, im Thale von Camonica. Garzoni erwähnt noch das Eisen von Zoldo Bellunense.
Daſs der Eisenguſs in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien schon bekannt war, erwähnt Biringuccio wiederholt, es gab also auch schon Hochöfen, und zwar wahrscheinlich niedrige, mit geschlossener Brust.
Das Alpengebiet zwischen Comer- und Gardasee, welches als die Bergamaskischen Alpen bezeichnet wird, war die alte Heimat der Bergamaskschmiede, jenes Frischverfahrens, welches sich von hier nach Westen verbreitet hat und namentlich in Frankreich ausgedehnte Anwendung gefunden hat. Die eigentümliche Betriebsweise hat sich in diesen abgelegenen Thälern in wenig veränderter Form bis in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts erhalten. Da wir durch Birin- guccio wissen, daſs im Thale Camonico schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Hochöfen betrieben wurden, so dürfen wir wohl annehmen, daſs auch damals schon der ganze Betrieb dort in An- wendung war, wie ihn Audibert im Jahre 1844 gefunden hat 1). Die Hochöfen, deren es in den oben genannten sieben Thälern da- mals 15 gab, hatten kein Gestell. Es waren Blau- oder Floſsöfen mit geschlossener Brust und viereckigem Querschnitt. Alle waren nach einem Muster gebaut und 7,2 m hoch. Die Form lag in der Vorwand, wo sich auch der Eisen- und Schlackenabstich befand. Der Kohlensack lag in der halben Höhe des Ofens, war quadratisch und hatte 1,62 m Seitenlänge. Die Gichtöffnung bildete ein Rechteck von 0,75 und 0,50 m Seitenlänge; der Boden war 0,45 m im Quadrat. Die Form war 45 Grad in den Herd geneigt, endete aber vor der Formöffnung im Mauerwerk. Der Boden der Form ruhte auf einer horizontalen Schieferplatte (bracciolo genannt), welche etwa 4 cm vor den vorderen Rand der Formmündung vorsprang. Das Rauh- mauerwerk des Ofens bestand aus Talkschiefer. Die reichen Eisen- erze, welche verschmolzen wurden, lieſs man 6 bis 7 Jahre an der
1) Siehe Annales des mines, 4. Ser., Bd. I, S. 613.
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Italien, Spanien und Frankreich.
Besonders berühmt war im Mittelalter Brescia, nicht nur durch seine
eigene Eisengewinnung und Verarbeitung, sondern auch durch seinen
Stahlhandel als Stapelplatz des Stahls und des Eisens der Lom-
bardei, von Kärnten, Krain u. s. w.
Biringuccio erwähnt ein Hüttenwerk bei Brescia, indem er
sagt, das Elbanische Erz brauche nicht das mächtige Feuer von
groſsen Hochöfen zu seiner Reinigung, wie bei vielen andern, be-
sonders in Italien, bei denen im Gebiete von Brescia, im Thale von
Camonica. Garzoni erwähnt noch das Eisen von Zoldo Bellunense.
Daſs der Eisenguſs in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in
Italien schon bekannt war, erwähnt Biringuccio wiederholt, es
gab also auch schon Hochöfen, und zwar wahrscheinlich niedrige, mit
geschlossener Brust.
Das Alpengebiet zwischen Comer- und Gardasee, welches als die
Bergamaskischen Alpen bezeichnet wird, war die alte Heimat der
Bergamaskschmiede, jenes Frischverfahrens, welches sich von hier
nach Westen verbreitet hat und namentlich in Frankreich ausgedehnte
Anwendung gefunden hat. Die eigentümliche Betriebsweise hat sich
in diesen abgelegenen Thälern in wenig veränderter Form bis in die
zweite Hälfte dieses Jahrhunderts erhalten. Da wir durch Birin-
guccio wissen, daſs im Thale Camonico schon in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts Hochöfen betrieben wurden, so dürfen wir wohl
annehmen, daſs auch damals schon der ganze Betrieb dort in An-
wendung war, wie ihn Audibert im Jahre 1844 gefunden hat 1).
Die Hochöfen, deren es in den oben genannten sieben Thälern da-
mals 15 gab, hatten kein Gestell. Es waren Blau- oder Floſsöfen
mit geschlossener Brust und viereckigem Querschnitt. Alle waren
nach einem Muster gebaut und 7,2 m hoch. Die Form lag in der
Vorwand, wo sich auch der Eisen- und Schlackenabstich befand. Der
Kohlensack lag in der halben Höhe des Ofens, war quadratisch und
hatte 1,62 m Seitenlänge. Die Gichtöffnung bildete ein Rechteck von
0,75 und 0,50 m Seitenlänge; der Boden war 0,45 m im Quadrat.
Die Form war 45 Grad in den Herd geneigt, endete aber vor der
Formöffnung im Mauerwerk. Der Boden der Form ruhte auf einer
horizontalen Schieferplatte (bracciolo genannt), welche etwa 4 cm
vor den vorderen Rand der Formmündung vorsprang. Das Rauh-
mauerwerk des Ofens bestand aus Talkschiefer. Die reichen Eisen-
erze, welche verschmolzen wurden, lieſs man 6 bis 7 Jahre an der
1) Siehe Annales des mines, 4. Ser., Bd. I, S. 613.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 859. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/879>, abgerufen am 23.11.2024.
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