Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Stolberg und der Unterharz.
mussten (Art. 20), und dass Hüttenmeister und Hüttenknechte nicht
selbst Gruben bauen durften. Die Bergleute erkannten, dass sie den
Hütten gegenüber nur dann eine gewisse Selbständigkeit behaupten
konnten, wenn sie alle fremden Elemente streng ausschlossen, den
Charakter des Eigenlöhnerbetriebes festhielten. Deshalb war nur der,
der Bergwerk treiben und selbst bearbeiten wollte, zur Mutung
und Beleihung zugelassen, das Austhun gegen Zins aber verboten.
Jede Spekulation war verpönt, deshalb auch den Hüttenleuten die
Mutung von Gruben untersagt. Ferner bestand das lokale Monopol:
kein fremder Arbeiter wurde zugelassen ohne Genehmigung des Berg-
vogtes und der Geschworenen, d. h. der erwählten Vertreter. Wer
muten will, soll in Elbingerode wohnhaft und "haushaltlich" an-
gesessen sein. Wer seinen Wohnsitz aufgiebt, soll "dem Amte heim-
gefallen", d. h. seine Mutung ins Freie gefallen sein. Diese ausser-
ordentlichen Beschränkungen erinnern mehr an das Zunftwesen als
an die Knappschaften.

Am 19. Januar 1577 hatten die Grafen von Stolberg ausserdem
ein Einfuhrverbot für fremdes Eisen und Holz erlassen.

Die Ilsenburger Eisenwerke, welche die wichtigsten für die stol-
bergischen Grafen seit dem Jahre 1546 waren, verblieben in gräf-
licher Administration bis zum Ausgange des Jahrhunderts. Der Hoch-
ofen von Ilsenburg war für Erzeugung von Gusswaren erbaut. Blau-
öfen bestanden schon früher am Unterharz, aber der Ilsenburger
Hochofen scheint der erste mit offener Brust gewesen zu sein. Die
Behauptung des verdienstvollen Ober-Hütteninspektors E. Schott zu
Ilsenburg, dass schon im 15. Jahrhundert daselbst Eisengusswaren er-
zeugt worden seien 1), müssen wir dagegen anzweifeln. Er verweist
zwar auf alte Urkunden, in welchen schon "im 15. Jahrhundert von
dort gegossenen Töpfen, Platten, Kugeln u. s. w. die Rede ist", es ist
uns aber nicht gelungen, von solchen etwas in Erfahrung zu bringen,
und auch der weitere Beweis, den Schott versucht, scheint uns
nicht stichhaltig. Er hat nämlich in sehr verdienstlicher Weise in
seiner langjährigen Stellung als Hütteninspektor alte Ofenplatten ge-
sammelt. Unter diesen soll eine mit der Jahreszahl 1509 sich be-
finden, und er führt diese, indem er annimmt, dass dieselbe in Ilsen-
burg gegossen sei, als Beweis für die frühe Herstellung von Gusswaren
an. Diese Annahme ist aber eine wenig wahrscheinliche (s. S. 307),
und dazu kommt, dass die angegebene Jahreszahl 1509 ebenfalls

1) Siehe die Kunstgiesserei in Eisen von E. Schott, 1873, S. 1.

Stolberg und der Unterharz.
muſsten (Art. 20), und daſs Hüttenmeister und Hüttenknechte nicht
selbst Gruben bauen durften. Die Bergleute erkannten, daſs sie den
Hütten gegenüber nur dann eine gewisse Selbständigkeit behaupten
konnten, wenn sie alle fremden Elemente streng ausschlossen, den
Charakter des Eigenlöhnerbetriebes festhielten. Deshalb war nur der,
der Bergwerk treiben und selbst bearbeiten wollte, zur Mutung
und Beleihung zugelassen, das Austhun gegen Zins aber verboten.
Jede Spekulation war verpönt, deshalb auch den Hüttenleuten die
Mutung von Gruben untersagt. Ferner bestand das lokale Monopol:
kein fremder Arbeiter wurde zugelassen ohne Genehmigung des Berg-
vogtes und der Geschworenen, d. h. der erwählten Vertreter. Wer
muten will, soll in Elbingerode wohnhaft und „haushaltlich“ an-
gesessen sein. Wer seinen Wohnsitz aufgiebt, soll „dem Amte heim-
gefallen“, d. h. seine Mutung ins Freie gefallen sein. Diese auſser-
ordentlichen Beschränkungen erinnern mehr an das Zunftwesen als
an die Knappschaften.

Am 19. Januar 1577 hatten die Grafen von Stolberg auſserdem
ein Einfuhrverbot für fremdes Eisen und Holz erlassen.

Die Ilsenburger Eisenwerke, welche die wichtigsten für die stol-
bergischen Grafen seit dem Jahre 1546 waren, verblieben in gräf-
licher Administration bis zum Ausgange des Jahrhunderts. Der Hoch-
ofen von Ilsenburg war für Erzeugung von Guſswaren erbaut. Blau-
öfen bestanden schon früher am Unterharz, aber der Ilsenburger
Hochofen scheint der erste mit offener Brust gewesen zu sein. Die
Behauptung des verdienstvollen Ober-Hütteninspektors E. Schott zu
Ilsenburg, daſs schon im 15. Jahrhundert daselbst Eisenguſswaren er-
zeugt worden seien 1), müssen wir dagegen anzweifeln. Er verweist
zwar auf alte Urkunden, in welchen schon „im 15. Jahrhundert von
dort gegossenen Töpfen, Platten, Kugeln u. s. w. die Rede ist“, es ist
uns aber nicht gelungen, von solchen etwas in Erfahrung zu bringen,
und auch der weitere Beweis, den Schott versucht, scheint uns
nicht stichhaltig. Er hat nämlich in sehr verdienstlicher Weise in
seiner langjährigen Stellung als Hütteninspektor alte Ofenplatten ge-
sammelt. Unter diesen soll eine mit der Jahreszahl 1509 sich be-
finden, und er führt diese, indem er annimmt, daſs dieselbe in Ilsen-
burg gegossen sei, als Beweis für die frühe Herstellung von Guſswaren
an. Diese Annahme ist aber eine wenig wahrscheinliche (s. S. 307),
und dazu kommt, daſs die angegebene Jahreszahl 1509 ebenfalls

1) Siehe die Kunstgieſserei in Eisen von E. Schott, 1873, S. 1.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0792" n="772"/><fw place="top" type="header">Stolberg und der Unterharz.</fw><lb/>
mu&#x017F;sten (Art. 20), und da&#x017F;s Hüttenmeister und Hüttenknechte nicht<lb/>
selbst Gruben bauen durften. Die Bergleute erkannten, da&#x017F;s sie den<lb/>
Hütten gegenüber nur dann eine gewisse Selbständigkeit behaupten<lb/>
konnten, wenn sie alle fremden Elemente streng ausschlossen, den<lb/>
Charakter des Eigenlöhnerbetriebes festhielten. Deshalb war nur der,<lb/>
der Bergwerk treiben und <hi rendition="#g">selbst bearbeiten</hi> wollte, zur Mutung<lb/>
und Beleihung zugelassen, das Austhun gegen Zins aber verboten.<lb/>
Jede Spekulation war verpönt, deshalb auch den Hüttenleuten die<lb/>
Mutung von Gruben untersagt. Ferner bestand das lokale Monopol:<lb/>
kein fremder Arbeiter wurde zugelassen ohne Genehmigung des Berg-<lb/>
vogtes und der Geschworenen, d. h. der erwählten Vertreter. Wer<lb/>
muten will, soll in Elbingerode wohnhaft und &#x201E;haushaltlich&#x201C; an-<lb/>
gesessen sein. Wer seinen Wohnsitz aufgiebt, soll &#x201E;dem Amte heim-<lb/>
gefallen&#x201C;, d. h. seine Mutung ins Freie gefallen sein. Diese au&#x017F;ser-<lb/>
ordentlichen Beschränkungen erinnern mehr an das Zunftwesen als<lb/>
an die Knappschaften.</p><lb/>
              <p>Am 19. Januar 1577 hatten die Grafen von Stolberg au&#x017F;serdem<lb/>
ein Einfuhrverbot für fremdes Eisen und Holz erlassen.</p><lb/>
              <p>Die Ilsenburger Eisenwerke, welche die wichtigsten für die stol-<lb/>
bergischen Grafen seit dem Jahre 1546 waren, verblieben in gräf-<lb/>
licher Administration bis zum Ausgange des Jahrhunderts. Der Hoch-<lb/>
ofen von Ilsenburg war für Erzeugung von Gu&#x017F;swaren erbaut. Blau-<lb/>
öfen bestanden schon früher am Unterharz, aber der Ilsenburger<lb/>
Hochofen scheint der erste mit offener Brust gewesen zu sein. Die<lb/>
Behauptung des verdienstvollen Ober-Hütteninspektors E. <hi rendition="#g">Schott</hi> zu<lb/>
Ilsenburg, da&#x017F;s schon im 15. Jahrhundert daselbst Eisengu&#x017F;swaren er-<lb/>
zeugt worden seien <note place="foot" n="1)">Siehe die Kunstgie&#x017F;serei in Eisen von E. <hi rendition="#g">Schott</hi>, 1873, S. 1.</note>, müssen wir dagegen anzweifeln. Er verweist<lb/>
zwar auf alte Urkunden, in welchen schon &#x201E;im 15. Jahrhundert von<lb/>
dort gegossenen Töpfen, Platten, Kugeln u. s. w. die Rede ist&#x201C;, es ist<lb/>
uns aber nicht gelungen, von solchen etwas in Erfahrung zu bringen,<lb/>
und auch der weitere Beweis, den <hi rendition="#g">Schott</hi> versucht, scheint uns<lb/>
nicht stichhaltig. Er hat nämlich in sehr verdienstlicher Weise in<lb/>
seiner langjährigen Stellung als Hütteninspektor alte Ofenplatten ge-<lb/>
sammelt. Unter diesen soll eine mit der Jahreszahl 1509 sich be-<lb/>
finden, und er führt diese, indem er annimmt, da&#x017F;s dieselbe in Ilsen-<lb/>
burg gegossen sei, als Beweis für die frühe Herstellung von Gu&#x017F;swaren<lb/>
an. Diese Annahme ist aber eine wenig wahrscheinliche (s. S. 307),<lb/>
und dazu kommt, da&#x017F;s die angegebene Jahreszahl 1509 ebenfalls<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[772/0792] Stolberg und der Unterharz. muſsten (Art. 20), und daſs Hüttenmeister und Hüttenknechte nicht selbst Gruben bauen durften. Die Bergleute erkannten, daſs sie den Hütten gegenüber nur dann eine gewisse Selbständigkeit behaupten konnten, wenn sie alle fremden Elemente streng ausschlossen, den Charakter des Eigenlöhnerbetriebes festhielten. Deshalb war nur der, der Bergwerk treiben und selbst bearbeiten wollte, zur Mutung und Beleihung zugelassen, das Austhun gegen Zins aber verboten. Jede Spekulation war verpönt, deshalb auch den Hüttenleuten die Mutung von Gruben untersagt. Ferner bestand das lokale Monopol: kein fremder Arbeiter wurde zugelassen ohne Genehmigung des Berg- vogtes und der Geschworenen, d. h. der erwählten Vertreter. Wer muten will, soll in Elbingerode wohnhaft und „haushaltlich“ an- gesessen sein. Wer seinen Wohnsitz aufgiebt, soll „dem Amte heim- gefallen“, d. h. seine Mutung ins Freie gefallen sein. Diese auſser- ordentlichen Beschränkungen erinnern mehr an das Zunftwesen als an die Knappschaften. Am 19. Januar 1577 hatten die Grafen von Stolberg auſserdem ein Einfuhrverbot für fremdes Eisen und Holz erlassen. Die Ilsenburger Eisenwerke, welche die wichtigsten für die stol- bergischen Grafen seit dem Jahre 1546 waren, verblieben in gräf- licher Administration bis zum Ausgange des Jahrhunderts. Der Hoch- ofen von Ilsenburg war für Erzeugung von Guſswaren erbaut. Blau- öfen bestanden schon früher am Unterharz, aber der Ilsenburger Hochofen scheint der erste mit offener Brust gewesen zu sein. Die Behauptung des verdienstvollen Ober-Hütteninspektors E. Schott zu Ilsenburg, daſs schon im 15. Jahrhundert daselbst Eisenguſswaren er- zeugt worden seien 1), müssen wir dagegen anzweifeln. Er verweist zwar auf alte Urkunden, in welchen schon „im 15. Jahrhundert von dort gegossenen Töpfen, Platten, Kugeln u. s. w. die Rede ist“, es ist uns aber nicht gelungen, von solchen etwas in Erfahrung zu bringen, und auch der weitere Beweis, den Schott versucht, scheint uns nicht stichhaltig. Er hat nämlich in sehr verdienstlicher Weise in seiner langjährigen Stellung als Hütteninspektor alte Ofenplatten ge- sammelt. Unter diesen soll eine mit der Jahreszahl 1509 sich be- finden, und er führt diese, indem er annimmt, daſs dieselbe in Ilsen- burg gegossen sei, als Beweis für die frühe Herstellung von Guſswaren an. Diese Annahme ist aber eine wenig wahrscheinliche (s. S. 307), und dazu kommt, daſs die angegebene Jahreszahl 1509 ebenfalls 1) Siehe die Kunstgieſserei in Eisen von E. Schott, 1873, S. 1.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/792
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/792>, abgerufen am 22.11.2024.