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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
die Durchfuhr ihrer Schiffe frei war. Den Preussen war dies durch
den Friedensvertrag von Stralsund ausdrücklich zuerkannt worden.
Aber schon im Jahre 1412 legte König Erich, der Nachfolger der
grossen Unionskönigin Margareta, der feindlich gegen die Hansa
gesinnt war, die Festung Orekrog (Helsinjör) am Sunde an und sperrte
die Durchfahrt gegen Abgabe von einem englischen Nobel für jedes
Schiff. 1435 schlossen Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Wismar
einen Separatfrieden mit Erich, worin sie ihm gegen freie Durchfahrt
durch den Sund Hülfe gegen Schweden zusagten. Skandinavien war
durch seine Armut auf den Import angewiesen, was es dagegen bieten
konnte, waren Metalle und Fische. Unter den Fischen spielten die
Häringe die wichtigste Rolle. Der Häring, der schon seit dem
13. Jahrhundert regelmässig zur Laichzeit seine Hauptwanderung
nach dem Sund hin richtete, war für die damals mit Dänemark staat-
lich verbundene Halbinsel Schonen eine Quelle des reichsten Segens 1).
Dort kamen zur Laichzeit zahlreiche Fischer zum Häringsfange zu-
sammen. Durch Verträge mit den dänischen Königen erhielten diese
abgegrenzte Fischerlager am Strande -- "Villen" genannt -- ein-
geräumt. Zur Zeit des Häringsfanges herrschte in den Villen ein
bewegtes Leben und ein grossartiger Marktverkehr; meistens in Buden,
die nur für die kurze Zeit errichtet waren. Jede Ville hatte ihren
besondern Vogt. Die Deutschen hatten eine eigene Kirche und ein
Kloster. Im Anfange des 15. Jahrhunderts änderten die Häringszüge
ihre Richtung. Der Fang wurde schlecht und die Villen gingen
zurück. In den Strandlagern blieb ein verarmtes Gesindel zurück,
das zu allem fähig war, namentlich zu Strand- und Seeraub. Aus
ihm rekrutierten sich die Vitalienbrüder.

Die Handelsverbindung Danzigs mit Schweden war weniger durch
die Nachfrage nach schwedischen Landesprodukten, als durch den
vorteilhaften Absatz, den alle Gegenstände des Danziger Handels in
diesem Lande fanden, hervorgerufen. Schweden war damals ein sehr
armes Land, sowohl durch die Dürftigkeit des Bodens, als durch den
Mangel an Kunstfleiss. Den Hanseaten war der Handel leicht ge-
macht, denn sie begegneten keiner Konkurrenz. Infolgedessen er-
hielten sie grosse Vorrechte. Die Einfuhr umfasste alles, was zu einem
besseren Leben gehörte, darunter von deutschen Produkten besonders
Rheinwein und Panzer. Die Ausfuhr, bestand in getrockneten Fischen,
vor allem aber in dem schwedischen Eisen -- dem Osemund --.


1) Siehe Hirsch, a. a. O., S. 143.

Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
die Durchfuhr ihrer Schiffe frei war. Den Preuſsen war dies durch
den Friedensvertrag von Stralsund ausdrücklich zuerkannt worden.
Aber schon im Jahre 1412 legte König Erich, der Nachfolger der
groſsen Unionskönigin Margareta, der feindlich gegen die Hansa
gesinnt war, die Festung Orekrog (Helsinjör) am Sunde an und sperrte
die Durchfahrt gegen Abgabe von einem englischen Nobel für jedes
Schiff. 1435 schlossen Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Wismar
einen Separatfrieden mit Erich, worin sie ihm gegen freie Durchfahrt
durch den Sund Hülfe gegen Schweden zusagten. Skandinavien war
durch seine Armut auf den Import angewiesen, was es dagegen bieten
konnte, waren Metalle und Fische. Unter den Fischen spielten die
Häringe die wichtigste Rolle. Der Häring, der schon seit dem
13. Jahrhundert regelmäſsig zur Laichzeit seine Hauptwanderung
nach dem Sund hin richtete, war für die damals mit Dänemark staat-
lich verbundene Halbinsel Schonen eine Quelle des reichsten Segens 1).
Dort kamen zur Laichzeit zahlreiche Fischer zum Häringsfange zu-
sammen. Durch Verträge mit den dänischen Königen erhielten diese
abgegrenzte Fischerlager am Strande — „Villen“ genannt — ein-
geräumt. Zur Zeit des Häringsfanges herrschte in den Villen ein
bewegtes Leben und ein groſsartiger Marktverkehr; meistens in Buden,
die nur für die kurze Zeit errichtet waren. Jede Ville hatte ihren
besondern Vogt. Die Deutschen hatten eine eigene Kirche und ein
Kloster. Im Anfange des 15. Jahrhunderts änderten die Häringszüge
ihre Richtung. Der Fang wurde schlecht und die Villen gingen
zurück. In den Strandlagern blieb ein verarmtes Gesindel zurück,
das zu allem fähig war, namentlich zu Strand- und Seeraub. Aus
ihm rekrutierten sich die Vitalienbrüder.

Die Handelsverbindung Danzigs mit Schweden war weniger durch
die Nachfrage nach schwedischen Landesprodukten, als durch den
vorteilhaften Absatz, den alle Gegenstände des Danziger Handels in
diesem Lande fanden, hervorgerufen. Schweden war damals ein sehr
armes Land, sowohl durch die Dürftigkeit des Bodens, als durch den
Mangel an Kunstfleiſs. Den Hanseaten war der Handel leicht ge-
macht, denn sie begegneten keiner Konkurrenz. Infolgedessen er-
hielten sie groſse Vorrechte. Die Einfuhr umfaſste alles, was zu einem
besseren Leben gehörte, darunter von deutschen Produkten besonders
Rheinwein und Panzer. Die Ausfuhr, bestand in getrockneten Fischen,
vor allem aber in dem schwedischen Eisen — dem Osemund —.


1) Siehe Hirsch, a. a. O., S. 143.
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[590/0610] Der Eisenhandel und die deutsche Hansa. die Durchfuhr ihrer Schiffe frei war. Den Preuſsen war dies durch den Friedensvertrag von Stralsund ausdrücklich zuerkannt worden. Aber schon im Jahre 1412 legte König Erich, der Nachfolger der groſsen Unionskönigin Margareta, der feindlich gegen die Hansa gesinnt war, die Festung Orekrog (Helsinjör) am Sunde an und sperrte die Durchfahrt gegen Abgabe von einem englischen Nobel für jedes Schiff. 1435 schlossen Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Wismar einen Separatfrieden mit Erich, worin sie ihm gegen freie Durchfahrt durch den Sund Hülfe gegen Schweden zusagten. Skandinavien war durch seine Armut auf den Import angewiesen, was es dagegen bieten konnte, waren Metalle und Fische. Unter den Fischen spielten die Häringe die wichtigste Rolle. Der Häring, der schon seit dem 13. Jahrhundert regelmäſsig zur Laichzeit seine Hauptwanderung nach dem Sund hin richtete, war für die damals mit Dänemark staat- lich verbundene Halbinsel Schonen eine Quelle des reichsten Segens 1). Dort kamen zur Laichzeit zahlreiche Fischer zum Häringsfange zu- sammen. Durch Verträge mit den dänischen Königen erhielten diese abgegrenzte Fischerlager am Strande — „Villen“ genannt — ein- geräumt. Zur Zeit des Häringsfanges herrschte in den Villen ein bewegtes Leben und ein groſsartiger Marktverkehr; meistens in Buden, die nur für die kurze Zeit errichtet waren. Jede Ville hatte ihren besondern Vogt. Die Deutschen hatten eine eigene Kirche und ein Kloster. Im Anfange des 15. Jahrhunderts änderten die Häringszüge ihre Richtung. Der Fang wurde schlecht und die Villen gingen zurück. In den Strandlagern blieb ein verarmtes Gesindel zurück, das zu allem fähig war, namentlich zu Strand- und Seeraub. Aus ihm rekrutierten sich die Vitalienbrüder. Die Handelsverbindung Danzigs mit Schweden war weniger durch die Nachfrage nach schwedischen Landesprodukten, als durch den vorteilhaften Absatz, den alle Gegenstände des Danziger Handels in diesem Lande fanden, hervorgerufen. Schweden war damals ein sehr armes Land, sowohl durch die Dürftigkeit des Bodens, als durch den Mangel an Kunstfleiſs. Den Hanseaten war der Handel leicht ge- macht, denn sie begegneten keiner Konkurrenz. Infolgedessen er- hielten sie groſse Vorrechte. Die Einfuhr umfaſste alles, was zu einem besseren Leben gehörte, darunter von deutschen Produkten besonders Rheinwein und Panzer. Die Ausfuhr, bestand in getrockneten Fischen, vor allem aber in dem schwedischen Eisen — dem Osemund —. 1) Siehe Hirsch, a. a. O., S. 143.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/610>, abgerufen am 19.05.2024.