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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Zünfte der Eisenarbeiter.
und der Gesellenzahl gesehen, um so eifriger wurde die Hetze gegen
die "Pfuscher" betrieben. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte
der Import fremder Waren und Gewerbserzeugnisse durch Krämer
und Hausierer zugenommen. Ebenso arbeiteten manche Gesellen, die,
meist aus Mangel an Mitteln, das Meisterrecht gar nicht erworben
hatten. Gegen diese "Gäste", welche gewöhnlich als "Amtsstörer,
Pfuscher, Bönhasen" bezeichnet wurden, führten die privilegierten
Zunftgenossen, so lange sie bestanden, erbitterten Kampf und hielten
förmlich Jagd auf dieselben.

Dasjenige, was den Zünften am meisten ihre Existenzberechtigung
gab, war die Hochhaltung der Berufsehre und die Sorge für die
Erziehung der heranwachsenden Genossen für ihren Beruf. Die
Heranbildung durch Lehrlings- und Gesellenwesen zum Meister war
etwas Grosses, kulturgeschichtlich Bedeutendes. Erscheint uns die
Form, unter der dies geschah, auch sonderbar, manchmal barock, so
leuchtet doch der sittliche Kern durch. Auch für das Eisengewerbe
ist diese Einrichtung von Bedeutung gewesen und bildet einen Teil
seiner Geschichte.

Die Klingenschmiede, Schleifer und Reider haben wir bereits
als gesperrte oder geschworene Zünfte kennen gelernt, die den
Verbleibungseid leisten mussten, und deren Handwerksgeheimnisse sich
nur vom Vater auf Sohn forterbten. Ähnlich verhielt es sich mit
der uralten Massenbläser- und Hammerschmiedezunft in Siegen
(Bd. I, S. 966), den Osemundschmieden, den Drahtziehern und
andern.

Eine besondere Art der Schmiede waren die Bergschmiede,
welche bei den Bergwerken ansässig waren und das Eisenwerk für
den Bergbau, besonders die Werkzeuge der Bergleute -- das Gezähe
-- anfertigten und im Stande hielten. Ihnen wurde in den Bergbau
treibenden Staaten besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Im Kur-
fürstentum Sachsen wurde im Jahre 1564 ihre Ordnung neu geprüft
und bestätigt1). Danach wählten sie aus ihrer Mitte zwei "Vier-
meister" (Fürmeister, Zunftmeister), welche vom Bergvoigt und Berg-
meister bestätigt und vereidigt wurden. Diese hatten die Rechnung
zu legen, und die andern Meister mussten ihnen nach Massgabe der
Ordnung gehorchen. Sie sollten, so oft es nötig, die Meister zusammen-
rufen, die Ältesten zu sich setzen, über alles, was das Handwerk
anging, Rat pflegen, kein unziemlich Geschrei, noch unziemliche Worte

1) Siehe Falk, Kurfürst August von Sachsen, S. 241.

Zünfte der Eisenarbeiter.
und der Gesellenzahl gesehen, um so eifriger wurde die Hetze gegen
die „Pfuscher“ betrieben. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte
der Import fremder Waren und Gewerbserzeugnisse durch Krämer
und Hausierer zugenommen. Ebenso arbeiteten manche Gesellen, die,
meist aus Mangel an Mitteln, das Meisterrecht gar nicht erworben
hatten. Gegen diese „Gäste“, welche gewöhnlich als „Amtsstörer,
Pfuscher, Bönhasen“ bezeichnet wurden, führten die privilegierten
Zunftgenossen, so lange sie bestanden, erbitterten Kampf und hielten
förmlich Jagd auf dieselben.

Dasjenige, was den Zünften am meisten ihre Existenzberechtigung
gab, war die Hochhaltung der Berufsehre und die Sorge für die
Erziehung der heranwachsenden Genossen für ihren Beruf. Die
Heranbildung durch Lehrlings- und Gesellenwesen zum Meister war
etwas Groſses, kulturgeschichtlich Bedeutendes. Erscheint uns die
Form, unter der dies geschah, auch sonderbar, manchmal barock, so
leuchtet doch der sittliche Kern durch. Auch für das Eisengewerbe
ist diese Einrichtung von Bedeutung gewesen und bildet einen Teil
seiner Geschichte.

Die Klingenschmiede, Schleifer und Reider haben wir bereits
als gesperrte oder geschworene Zünfte kennen gelernt, die den
Verbleibungseid leisten muſsten, und deren Handwerksgeheimnisse sich
nur vom Vater auf Sohn forterbten. Ähnlich verhielt es sich mit
der uralten Massenbläser- und Hammerschmiedezunft in Siegen
(Bd. I, S. 966), den Osemundschmieden, den Drahtziehern und
andern.

Eine besondere Art der Schmiede waren die Bergschmiede,
welche bei den Bergwerken ansässig waren und das Eisenwerk für
den Bergbau, besonders die Werkzeuge der Bergleute — das Gezähe
— anfertigten und im Stande hielten. Ihnen wurde in den Bergbau
treibenden Staaten besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Im Kur-
fürstentum Sachsen wurde im Jahre 1564 ihre Ordnung neu geprüft
und bestätigt1). Danach wählten sie aus ihrer Mitte zwei „Vier-
meister“ (Fürmeister, Zunftmeister), welche vom Bergvoigt und Berg-
meister bestätigt und vereidigt wurden. Diese hatten die Rechnung
zu legen, und die andern Meister muſsten ihnen nach Maſsgabe der
Ordnung gehorchen. Sie sollten, so oft es nötig, die Meister zusammen-
rufen, die Ältesten zu sich setzen, über alles, was das Handwerk
anging, Rat pflegen, kein unziemlich Geschrei, noch unziemliche Worte

1) Siehe Falk, Kurfürst August von Sachsen, S. 241.
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[558/0578] Zünfte der Eisenarbeiter. und der Gesellenzahl gesehen, um so eifriger wurde die Hetze gegen die „Pfuscher“ betrieben. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte der Import fremder Waren und Gewerbserzeugnisse durch Krämer und Hausierer zugenommen. Ebenso arbeiteten manche Gesellen, die, meist aus Mangel an Mitteln, das Meisterrecht gar nicht erworben hatten. Gegen diese „Gäste“, welche gewöhnlich als „Amtsstörer, Pfuscher, Bönhasen“ bezeichnet wurden, führten die privilegierten Zunftgenossen, so lange sie bestanden, erbitterten Kampf und hielten förmlich Jagd auf dieselben. Dasjenige, was den Zünften am meisten ihre Existenzberechtigung gab, war die Hochhaltung der Berufsehre und die Sorge für die Erziehung der heranwachsenden Genossen für ihren Beruf. Die Heranbildung durch Lehrlings- und Gesellenwesen zum Meister war etwas Groſses, kulturgeschichtlich Bedeutendes. Erscheint uns die Form, unter der dies geschah, auch sonderbar, manchmal barock, so leuchtet doch der sittliche Kern durch. Auch für das Eisengewerbe ist diese Einrichtung von Bedeutung gewesen und bildet einen Teil seiner Geschichte. Die Klingenschmiede, Schleifer und Reider haben wir bereits als gesperrte oder geschworene Zünfte kennen gelernt, die den Verbleibungseid leisten muſsten, und deren Handwerksgeheimnisse sich nur vom Vater auf Sohn forterbten. Ähnlich verhielt es sich mit der uralten Massenbläser- und Hammerschmiedezunft in Siegen (Bd. I, S. 966), den Osemundschmieden, den Drahtziehern und andern. Eine besondere Art der Schmiede waren die Bergschmiede, welche bei den Bergwerken ansässig waren und das Eisenwerk für den Bergbau, besonders die Werkzeuge der Bergleute — das Gezähe — anfertigten und im Stande hielten. Ihnen wurde in den Bergbau treibenden Staaten besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Im Kur- fürstentum Sachsen wurde im Jahre 1564 ihre Ordnung neu geprüft und bestätigt 1). Danach wählten sie aus ihrer Mitte zwei „Vier- meister“ (Fürmeister, Zunftmeister), welche vom Bergvoigt und Berg- meister bestätigt und vereidigt wurden. Diese hatten die Rechnung zu legen, und die andern Meister muſsten ihnen nach Maſsgabe der Ordnung gehorchen. Sie sollten, so oft es nötig, die Meister zusammen- rufen, die Ältesten zu sich setzen, über alles, was das Handwerk anging, Rat pflegen, kein unziemlich Geschrei, noch unziemliche Worte 1) Siehe Falk, Kurfürst August von Sachsen, S. 241.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/578>, abgerufen am 02.05.2024.