den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts waren sie noch Pfleg- stätten energischen Bürgersinns, von Zucht, Ehrbarkeit und Kunst- fertigkeit. Durch die inneren Spaltungen Deutschlands nach der Reformation, durch den Rückgang des Wohlstandes, durch das Wachsen der landesherrlichen Gewalt trat ein Rückgang in der Tüchtigkeit und in dem Ansehen der Zünfte ein. Eigennutz und Kastengeist gewannen die Oberhand; Exklusivität und Formalismus machten sich breit: Das Bestreben, das Gewerbe in wenig Händen zu monopolisieren, wirkte lähmend auf die Entwickelung desselben.
Eine der wichtigsten und ältesten Zünfte waren die Eisen- schmiede, die anfangs nur in Waffenschmiede und Grobschmiede geteilt, bald in eine ganze Anzahl von Innungen zerfielen, die wir zum Teil schon kennen gelernt haben. Wie die Berg- und Hütten- leute ihre Berg- und Hüttenordnungen hatten, so besassen die Zünfte ihre Zunftordnungen. Diese hatten sich die Zünfte in den grossen Städten auf Grund der bestehenden Gewohnheiten und Gebräuche im Mittelalter selbst gegeben. Nach der Befestigung der landesherrlichen Gewalt erliessen die Fürsten die Zunftordnungen für ihre Länder und die älteren, bestehenden Zünfte begaben sich unter den Schutz der Landesherren und liessen sich von diesen ihre Rechte und Ordnungen bestätigen.
So übergaben die Brudermeister und Zunftgenossen Sanct Lons oder Loys (Eulogius) der Schmiedezunft zu Saarbrücken und St. Johann im Jahre 1552 dem Grafen Philipp II. ihre Zunftartikel mit der Bitte, solche als Landesherr zu bestätigen, was auch geschah. Zu dieser vereinigten Eulogius- oder Lores-Zunft gehörten damals die Schmiede, Schlosser, Steinmetzen und Wagner, wahrscheinlich auch die Zimmer- leute, kurzum die Bauhandwerker. Sie hiess auch die Hammer- und Spänhauerzunft. Unter den Schmieden waren nach dem Zunftbuch von 1550 einbegriffen die Huf- und Waffenschmiede, Schlosser und Nagelschmiede, auch die Goldschmiede, ferner die Büchsenmacher, Sporer, Uhr- und Windenmacher, Zirkelschmiede und Spengler.
Die ganze Zunft wurde als eine Einheit aufgefasst und jeder Meister durfte nur eine bestimmte Anzahl Gesellen halten. Arbeit und Gewinn sollten unter den Zunftgenossen möglichst gleich verteilt sein. Hatte einer einen grossen Auftrag, wie z. B. die berühmten Nürnberger Plattner, so wurde ihm ausnahmsweise und nur auf be- schränkte Zeit vom Rat gestattet, mehr Gesellen einzustellen, ausser- dem aber konnte er unbeschäftigte Meister für sich arbeiten lassen. So wurde Dienstag den 20. Juli 1484 dem Hans Grünwalt, Plattner
Zünfte der Eisenarbeiter.
den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts waren sie noch Pfleg- stätten energischen Bürgersinns, von Zucht, Ehrbarkeit und Kunst- fertigkeit. Durch die inneren Spaltungen Deutschlands nach der Reformation, durch den Rückgang des Wohlstandes, durch das Wachsen der landesherrlichen Gewalt trat ein Rückgang in der Tüchtigkeit und in dem Ansehen der Zünfte ein. Eigennutz und Kastengeist gewannen die Oberhand; Exklusivität und Formalismus machten sich breit: Das Bestreben, das Gewerbe in wenig Händen zu monopolisieren, wirkte lähmend auf die Entwickelung desſelben.
Eine der wichtigsten und ältesten Zünfte waren die Eisen- schmiede, die anfangs nur in Waffenschmiede und Grobschmiede geteilt, bald in eine ganze Anzahl von Innungen zerfielen, die wir zum Teil schon kennen gelernt haben. Wie die Berg- und Hütten- leute ihre Berg- und Hüttenordnungen hatten, so besaſsen die Zünfte ihre Zunftordnungen. Diese hatten sich die Zünfte in den groſsen Städten auf Grund der bestehenden Gewohnheiten und Gebräuche im Mittelalter selbst gegeben. Nach der Befestigung der landesherrlichen Gewalt erlieſsen die Fürsten die Zunftordnungen für ihre Länder und die älteren, bestehenden Zünfte begaben sich unter den Schutz der Landesherren und lieſsen sich von diesen ihre Rechte und Ordnungen bestätigen.
So übergaben die Brudermeister und Zunftgenossen Sanct Lons oder Loys (Eulogius) der Schmiedezunft zu Saarbrücken und St. Johann im Jahre 1552 dem Grafen Philipp II. ihre Zunftartikel mit der Bitte, solche als Landesherr zu bestätigen, was auch geschah. Zu dieser vereinigten Eulogius- oder Lores-Zunft gehörten damals die Schmiede, Schlosser, Steinmetzen und Wagner, wahrscheinlich auch die Zimmer- leute, kurzum die Bauhandwerker. Sie hieſs auch die Hammer- und Spänhauerzunft. Unter den Schmieden waren nach dem Zunftbuch von 1550 einbegriffen die Huf- und Waffenschmiede, Schlosser und Nagelschmiede, auch die Goldschmiede, ferner die Büchsenmacher, Sporer, Uhr- und Windenmacher, Zirkelschmiede und Spengler.
Die ganze Zunft wurde als eine Einheit aufgefaſst und jeder Meister durfte nur eine bestimmte Anzahl Gesellen halten. Arbeit und Gewinn sollten unter den Zunftgenossen möglichst gleich verteilt sein. Hatte einer einen groſsen Auftrag, wie z. B. die berühmten Nürnberger Plattner, so wurde ihm ausnahmsweise und nur auf be- schränkte Zeit vom Rat gestattet, mehr Gesellen einzustellen, auſser- dem aber konnte er unbeschäftigte Meister für sich arbeiten lassen. So wurde Dienstag den 20. Juli 1484 dem Hans Grünwalt, Plattner
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Zünfte der Eisenarbeiter.
den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts waren sie noch Pfleg-
stätten energischen Bürgersinns, von Zucht, Ehrbarkeit und Kunst-
fertigkeit. Durch die inneren Spaltungen Deutschlands nach der
Reformation, durch den Rückgang des Wohlstandes, durch das Wachsen
der landesherrlichen Gewalt trat ein Rückgang in der Tüchtigkeit
und in dem Ansehen der Zünfte ein. Eigennutz und Kastengeist
gewannen die Oberhand; Exklusivität und Formalismus machten sich
breit: Das Bestreben, das Gewerbe in wenig Händen zu monopolisieren,
wirkte lähmend auf die Entwickelung desſelben.
Eine der wichtigsten und ältesten Zünfte waren die Eisen-
schmiede, die anfangs nur in Waffenschmiede und Grobschmiede
geteilt, bald in eine ganze Anzahl von Innungen zerfielen, die wir
zum Teil schon kennen gelernt haben. Wie die Berg- und Hütten-
leute ihre Berg- und Hüttenordnungen hatten, so besaſsen die Zünfte
ihre Zunftordnungen. Diese hatten sich die Zünfte in den groſsen
Städten auf Grund der bestehenden Gewohnheiten und Gebräuche im
Mittelalter selbst gegeben. Nach der Befestigung der landesherrlichen
Gewalt erlieſsen die Fürsten die Zunftordnungen für ihre Länder und
die älteren, bestehenden Zünfte begaben sich unter den Schutz der
Landesherren und lieſsen sich von diesen ihre Rechte und Ordnungen
bestätigen.
So übergaben die Brudermeister und Zunftgenossen Sanct Lons
oder Loys (Eulogius) der Schmiedezunft zu Saarbrücken und St. Johann
im Jahre 1552 dem Grafen Philipp II. ihre Zunftartikel mit der Bitte,
solche als Landesherr zu bestätigen, was auch geschah. Zu dieser
vereinigten Eulogius- oder Lores-Zunft gehörten damals die Schmiede,
Schlosser, Steinmetzen und Wagner, wahrscheinlich auch die Zimmer-
leute, kurzum die Bauhandwerker. Sie hieſs auch die Hammer- und
Spänhauerzunft. Unter den Schmieden waren nach dem Zunftbuch
von 1550 einbegriffen die Huf- und Waffenschmiede, Schlosser und
Nagelschmiede, auch die Goldschmiede, ferner die Büchsenmacher,
Sporer, Uhr- und Windenmacher, Zirkelschmiede und Spengler.
Die ganze Zunft wurde als eine Einheit aufgefaſst und jeder
Meister durfte nur eine bestimmte Anzahl Gesellen halten. Arbeit
und Gewinn sollten unter den Zunftgenossen möglichst gleich verteilt
sein. Hatte einer einen groſsen Auftrag, wie z. B. die berühmten
Nürnberger Plattner, so wurde ihm ausnahmsweise und nur auf be-
schränkte Zeit vom Rat gestattet, mehr Gesellen einzustellen, auſser-
dem aber konnte er unbeschäftigte Meister für sich arbeiten lassen.
So wurde Dienstag den 20. Juli 1484 dem Hans Grünwalt, Plattner
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/576>, abgerufen am 22.11.2024.
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