Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Wasserhämmer.
schmieden änderte diesen Zustand wesentlich, denn es wurden dadurch
nicht nur die Unreinigkeiten ausgeschmolzen und ausgepresst und das
geringe Metall zu einem dichteren Gefüge vereinigt, sondern es trat in
der Schweisshitze auch eine chemische Aktion ein, in der Art, dass die
härteren Partieen durch die weicheren entkohlt wurden, umgekehrt
die Stahlpartieen auf das weiche Eisen cementierend wirkten. So
wurde auf chemischem, wie auf mechanischem Wege eine grössere
Homogenität des Metalles bewirkt und diese Homogenität des Eisens
war die wichtigste Bedingung seiner Güte. Um diese Gleichmässig-
keit aber noch weiter zu steigern, hieb man die ausgereckten Stäbe
in Stücke, sortierte sie nach ihrer Beschaffenheit, verband eine Anzahl
von gleicher Qualität zu einem Packet oder einer Garbe (Fig. 178)
zusammen, brachte diese von neuem in ein Schweissfeuer, schweisste
sie unter dem Hammer und reckte sie zu einem Stab aus, der jetzt
an Güte und Gleichmässigkeit das frühere Produkt bedeutend über-
traf. Dieses Verfahren nannte man das Gärben (Gerben oder
[Abbildung] Fig. 178.
Raffinieren). Man wendete es für Schmiedeeisen an, weit mehr aber
noch für den Stahl; denn die rohen Stahlluppen waren noch weit ungleich-
mässiger in ihrer Zusammensetzung als die Eisenluppen, da kleine
Schwankungen des Kohlenstoffgehaltes schon grosse Unterschiede in
der Härte, Schweiss- und Dehnbarkeit bedingten. Ein sorgfältiges
Sortieren und Gärben entsprechend den Zwecken seiner Verwendung
war deshalb beim Stahl noch viel notwendiger als beim Eisen. Man
konnte auf diese Weise die verschiedensten Stahlsorten herstellen.
Man schweisste aber auch zu manchen Zwecken Eisen- und Stahl-
schienen zusammen. Dies geschah ebenfalls unter den Reckhämmern.

Von dieser Art war namentlich der Messerstahl, bei dem ein
Korn von weichem Eisen von mehr oder weniger hartem Stahl um-
geben war.

Bei dem eigentlichen Stahlgärben verfuhr man folgender-
massen 1): Der grobe Rohstahl, welcher rotwarm in kaltem Wasser
gelöscht und in kurze Stücke geschlagen worden war, wurde im
Gärbeherd vor der Form kreuzweise in kleine Haufen aufgestapelt,

1) Siehe Blumhof, Encyklopädie der Eisenhüttenkunde 1876, Bd. II, S. 342.

Wasserhämmer.
schmieden änderte diesen Zustand wesentlich, denn es wurden dadurch
nicht nur die Unreinigkeiten ausgeschmolzen und ausgepreſst und das
geringe Metall zu einem dichteren Gefüge vereinigt, sondern es trat in
der Schweiſshitze auch eine chemische Aktion ein, in der Art, daſs die
härteren Partieen durch die weicheren entkohlt wurden, umgekehrt
die Stahlpartieen auf das weiche Eisen cementierend wirkten. So
wurde auf chemischem, wie auf mechanischem Wege eine gröſsere
Homogenität des Metalles bewirkt und diese Homogenität des Eisens
war die wichtigste Bedingung seiner Güte. Um diese Gleichmäſsig-
keit aber noch weiter zu steigern, hieb man die ausgereckten Stäbe
in Stücke, sortierte sie nach ihrer Beschaffenheit, verband eine Anzahl
von gleicher Qualität zu einem Packet oder einer Garbe (Fig. 178)
zusammen, brachte diese von neuem in ein Schweiſsfeuer, schweiſste
sie unter dem Hammer und reckte sie zu einem Stab aus, der jetzt
an Güte und Gleichmäſsigkeit das frühere Produkt bedeutend über-
traf. Dieses Verfahren nannte man das Gärben (Gerben oder
[Abbildung] Fig. 178.
Raffinieren). Man wendete es für Schmiedeeisen an, weit mehr aber
noch für den Stahl; denn die rohen Stahlluppen waren noch weit ungleich-
mäſsiger in ihrer Zusammensetzung als die Eisenluppen, da kleine
Schwankungen des Kohlenstoffgehaltes schon groſse Unterschiede in
der Härte, Schweiſs- und Dehnbarkeit bedingten. Ein sorgfältiges
Sortieren und Gärben entsprechend den Zwecken seiner Verwendung
war deshalb beim Stahl noch viel notwendiger als beim Eisen. Man
konnte auf diese Weise die verschiedensten Stahlsorten herstellen.
Man schweiſste aber auch zu manchen Zwecken Eisen- und Stahl-
schienen zusammen. Dies geschah ebenfalls unter den Reckhämmern.

Von dieser Art war namentlich der Messerstahl, bei dem ein
Korn von weichem Eisen von mehr oder weniger hartem Stahl um-
geben war.

Bei dem eigentlichen Stahlgärben verfuhr man folgender-
maſsen 1): Der grobe Rohstahl, welcher rotwarm in kaltem Wasser
gelöscht und in kurze Stücke geschlagen worden war, wurde im
Gärbeherd vor der Form kreuzweise in kleine Haufen aufgestapelt,

1) Siehe Blumhof, Encyklopädie der Eisenhüttenkunde 1876, Bd. II, S. 342.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0510" n="490"/><fw place="top" type="header">Wasserhämmer.</fw><lb/>
schmieden änderte diesen Zustand wesentlich, denn es wurden dadurch<lb/>
nicht nur die Unreinigkeiten ausgeschmolzen und ausgepre&#x017F;st und das<lb/>
geringe Metall zu einem dichteren Gefüge vereinigt, sondern es trat in<lb/>
der Schwei&#x017F;shitze auch eine chemische Aktion ein, in der Art, da&#x017F;s die<lb/>
härteren Partieen durch die weicheren entkohlt wurden, umgekehrt<lb/>
die Stahlpartieen auf das weiche Eisen cementierend wirkten. So<lb/>
wurde auf chemischem, wie auf mechanischem Wege eine grö&#x017F;sere<lb/>
Homogenität des Metalles bewirkt und diese Homogenität des Eisens<lb/>
war die wichtigste Bedingung seiner Güte. Um diese Gleichmä&#x017F;sig-<lb/>
keit aber noch weiter zu steigern, hieb man die ausgereckten Stäbe<lb/>
in Stücke, sortierte sie nach ihrer Beschaffenheit, verband eine Anzahl<lb/>
von gleicher Qualität zu einem <hi rendition="#g">Packet</hi> oder einer <hi rendition="#g">Garbe</hi> (Fig. 178)<lb/>
zusammen, brachte diese von neuem in ein Schwei&#x017F;sfeuer, schwei&#x017F;ste<lb/>
sie unter dem Hammer und reckte sie zu einem Stab aus, der jetzt<lb/>
an Güte und Gleichmä&#x017F;sigkeit das frühere Produkt bedeutend über-<lb/>
traf. Dieses Verfahren nannte man das <hi rendition="#g">Gärben</hi> (Gerben oder<lb/><figure><head>Fig. 178.</head></figure><lb/>
Raffinieren). Man wendete es für Schmiedeeisen an, weit mehr aber<lb/>
noch für den Stahl; denn die rohen Stahlluppen waren noch weit ungleich-<lb/>&#x017F;siger in ihrer Zusammensetzung als die Eisenluppen, da kleine<lb/>
Schwankungen des Kohlenstoffgehaltes schon gro&#x017F;se Unterschiede in<lb/>
der Härte, Schwei&#x017F;s- und Dehnbarkeit bedingten. Ein sorgfältiges<lb/>
Sortieren und Gärben entsprechend den Zwecken seiner Verwendung<lb/>
war deshalb beim Stahl noch viel notwendiger als beim Eisen. Man<lb/>
konnte auf diese Weise die verschiedensten Stahlsorten herstellen.<lb/>
Man schwei&#x017F;ste aber auch zu manchen Zwecken Eisen- und Stahl-<lb/>
schienen zusammen. Dies geschah ebenfalls unter den Reckhämmern.</p><lb/>
            <p>Von dieser Art war namentlich der Messerstahl, bei dem ein<lb/>
Korn von weichem Eisen von mehr oder weniger hartem Stahl um-<lb/>
geben war.</p><lb/>
            <p>Bei dem eigentlichen Stahlgärben verfuhr man folgender-<lb/>
ma&#x017F;sen <note place="foot" n="1)">Siehe <hi rendition="#g">Blumhof</hi>, Encyklopädie der Eisenhüttenkunde 1876, Bd. II, S. 342.</note>: Der grobe Rohstahl, welcher rotwarm in kaltem Wasser<lb/>
gelöscht und in kurze Stücke geschlagen worden war, wurde im<lb/>
Gärbeherd vor der Form kreuzweise in kleine Haufen aufgestapelt,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[490/0510] Wasserhämmer. schmieden änderte diesen Zustand wesentlich, denn es wurden dadurch nicht nur die Unreinigkeiten ausgeschmolzen und ausgepreſst und das geringe Metall zu einem dichteren Gefüge vereinigt, sondern es trat in der Schweiſshitze auch eine chemische Aktion ein, in der Art, daſs die härteren Partieen durch die weicheren entkohlt wurden, umgekehrt die Stahlpartieen auf das weiche Eisen cementierend wirkten. So wurde auf chemischem, wie auf mechanischem Wege eine gröſsere Homogenität des Metalles bewirkt und diese Homogenität des Eisens war die wichtigste Bedingung seiner Güte. Um diese Gleichmäſsig- keit aber noch weiter zu steigern, hieb man die ausgereckten Stäbe in Stücke, sortierte sie nach ihrer Beschaffenheit, verband eine Anzahl von gleicher Qualität zu einem Packet oder einer Garbe (Fig. 178) zusammen, brachte diese von neuem in ein Schweiſsfeuer, schweiſste sie unter dem Hammer und reckte sie zu einem Stab aus, der jetzt an Güte und Gleichmäſsigkeit das frühere Produkt bedeutend über- traf. Dieses Verfahren nannte man das Gärben (Gerben oder [Abbildung Fig. 178.] Raffinieren). Man wendete es für Schmiedeeisen an, weit mehr aber noch für den Stahl; denn die rohen Stahlluppen waren noch weit ungleich- mäſsiger in ihrer Zusammensetzung als die Eisenluppen, da kleine Schwankungen des Kohlenstoffgehaltes schon groſse Unterschiede in der Härte, Schweiſs- und Dehnbarkeit bedingten. Ein sorgfältiges Sortieren und Gärben entsprechend den Zwecken seiner Verwendung war deshalb beim Stahl noch viel notwendiger als beim Eisen. Man konnte auf diese Weise die verschiedensten Stahlsorten herstellen. Man schweiſste aber auch zu manchen Zwecken Eisen- und Stahl- schienen zusammen. Dies geschah ebenfalls unter den Reckhämmern. Von dieser Art war namentlich der Messerstahl, bei dem ein Korn von weichem Eisen von mehr oder weniger hartem Stahl um- geben war. Bei dem eigentlichen Stahlgärben verfuhr man folgender- maſsen 1): Der grobe Rohstahl, welcher rotwarm in kaltem Wasser gelöscht und in kurze Stücke geschlagen worden war, wurde im Gärbeherd vor der Form kreuzweise in kleine Haufen aufgestapelt, 1) Siehe Blumhof, Encyklopädie der Eisenhüttenkunde 1876, Bd. II, S. 342.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/510
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/510>, abgerufen am 08.05.2024.