letzteren Arbeit mass der Rohrschmied das Rohr, und wenn er es zu lang fand, so stauchte er es an einem Ende mit dem Hammer auf, bis es die erforderliche Länge hatte. Weil sich aber das auf- gestauchte Ende etwas umlegte, so wurde die Öffnung des Rohres auf einen runden und zugespitzten Widerhaken des auf dem Amboss steckenden eisernen Armes gesteckt und die Erhöhung auf dem Rohre mit dem Hammer niedergeschlagen. Zuletzt wurde noch durch das hohle Rohr hindurchgesehen, um zu bemerken, ob nicht etwa an den Seiten noch Vertiefungen oder Splitter waren, in welchem Falle das Rohr von neuem auf dem Dorn geschmiedet werden musste. So ist das "rauhe Rohr" fertig. Die Seelen dieser zusammengeschmiedeten Rohre waren noch sehr uneben und ungleich, sie mussten also gebohrt werden, und zwar erst im Rauhen, dann folgte das Glattbohren. Das Rauhbohren entfernte die vorstehende Schweissnaht im Inneren und machte das Rohr überhaupt erst rund. Das Glattbohren gab die ganz egale und glatte Seelenwand (Kugelgleichheit) von vorschrifts- mässigem Kaliber. Man bediente sich dazu der Rauh- und Glatt- bohrbank. Bei dem Rauhbohren wurde das Rohr in einen Schlitten gespannt (Fig. 152), der durch ein Spindelgetriebe vorwärts bewegt wurde, und zwar dem Bohrer, der an ein kleines Wasserrad oder ein Kammrad, das sich rasch drehte, befestigt war, entgegen. Erst nahm man einen schwächeren Bohrer, dem ein stärkerer folgte. Der Schlitten lief in einem mit Wasser gefüllten Trog, um das Erhitzen des Rohres beim Bohren zu verhindern. Der Bohrer bestand aus einer cylindrischen Stange, auf deren Ende drei scharfe, spiralförmige Bohrschneiden aufgesetzt waren. Nach dem Rauhbohren wurde das Rohr erst auf seine Geradheit geprüft und wenn nötig kalt gerichtet. Alsdann folgte das Glattbohren, welches mit viel grösserer Sorgfalt geschehen musste. Die Bewegung des Bohrers war an und für sich langsamer als beim Rauhbohren, ausserdem war aber an der Glatt- bohrbank eine Vorrichtung angebracht, wodurch man die Vorwärts- bewegung des Schlittens verlangsamen konnte. Die Arbeit musste wegen harter Stellen, Fehlern oder Geraderichten öfter unterbrochen werden. Wie oft das Rohr beim Glattbohren neu aufgespannt werden musste, hing von der Güte desselben ab, doch unterschied man stets das Rundbohren, zweimaliges Glattbohren und das Polieren.
Das Rundbohren, welches sich an das Rauhbohren anschloss, stellte die Kugelgleichheit her. Hierauf wurde das Rohr äusserlich abgefeilt. Alsdann folgte das erste Glattbohren bis auf 0,15 Linie der normalen Seelenweite zur Entfernung der Bohrringe und Rauh-
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
letzteren Arbeit maſs der Rohrschmied das Rohr, und wenn er es zu lang fand, so stauchte er es an einem Ende mit dem Hammer auf, bis es die erforderliche Länge hatte. Weil sich aber das auf- gestauchte Ende etwas umlegte, so wurde die Öffnung des Rohres auf einen runden und zugespitzten Widerhaken des auf dem Amboſs steckenden eisernen Armes gesteckt und die Erhöhung auf dem Rohre mit dem Hammer niedergeschlagen. Zuletzt wurde noch durch das hohle Rohr hindurchgesehen, um zu bemerken, ob nicht etwa an den Seiten noch Vertiefungen oder Splitter waren, in welchem Falle das Rohr von neuem auf dem Dorn geschmiedet werden muſste. So ist das „rauhe Rohr“ fertig. Die Seelen dieser zusammengeschmiedeten Rohre waren noch sehr uneben und ungleich, sie muſsten also gebohrt werden, und zwar erst im Rauhen, dann folgte das Glattbohren. Das Rauhbohren entfernte die vorstehende Schweiſsnaht im Inneren und machte das Rohr überhaupt erst rund. Das Glattbohren gab die ganz egale und glatte Seelenwand (Kugelgleichheit) von vorschrifts- mäſsigem Kaliber. Man bediente sich dazu der Rauh- und Glatt- bohrbank. Bei dem Rauhbohren wurde das Rohr in einen Schlitten gespannt (Fig. 152), der durch ein Spindelgetriebe vorwärts bewegt wurde, und zwar dem Bohrer, der an ein kleines Wasserrad oder ein Kammrad, das sich rasch drehte, befestigt war, entgegen. Erst nahm man einen schwächeren Bohrer, dem ein stärkerer folgte. Der Schlitten lief in einem mit Wasser gefüllten Trog, um das Erhitzen des Rohres beim Bohren zu verhindern. Der Bohrer bestand aus einer cylindrischen Stange, auf deren Ende drei scharfe, spiralförmige Bohrschneiden aufgesetzt waren. Nach dem Rauhbohren wurde das Rohr erst auf seine Geradheit geprüft und wenn nötig kalt gerichtet. Alsdann folgte das Glattbohren, welches mit viel gröſserer Sorgfalt geschehen muſste. Die Bewegung des Bohrers war an und für sich langsamer als beim Rauhbohren, auſserdem war aber an der Glatt- bohrbank eine Vorrichtung angebracht, wodurch man die Vorwärts- bewegung des Schlittens verlangsamen konnte. Die Arbeit muſste wegen harter Stellen, Fehlern oder Geraderichten öfter unterbrochen werden. Wie oft das Rohr beim Glattbohren neu aufgespannt werden muſste, hing von der Güte desſelben ab, doch unterschied man stets das Rundbohren, zweimaliges Glattbohren und das Polieren.
Das Rundbohren, welches sich an das Rauhbohren anschloſs, stellte die Kugelgleichheit her. Hierauf wurde das Rohr äuſserlich abgefeilt. Alsdann folgte das erste Glattbohren bis auf 0,15 Linie der normalen Seelenweite zur Entfernung der Bohrringe und Rauh-
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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
letzteren Arbeit maſs der Rohrschmied das Rohr, und wenn er es zu
lang fand, so stauchte er es an einem Ende mit dem Hammer auf,
bis es die erforderliche Länge hatte. Weil sich aber das auf-
gestauchte Ende etwas umlegte, so wurde die Öffnung des Rohres
auf einen runden und zugespitzten Widerhaken des auf dem Amboſs
steckenden eisernen Armes gesteckt und die Erhöhung auf dem Rohre
mit dem Hammer niedergeschlagen. Zuletzt wurde noch durch das
hohle Rohr hindurchgesehen, um zu bemerken, ob nicht etwa an den
Seiten noch Vertiefungen oder Splitter waren, in welchem Falle das
Rohr von neuem auf dem Dorn geschmiedet werden muſste. So ist
das „rauhe Rohr“ fertig. Die Seelen dieser zusammengeschmiedeten
Rohre waren noch sehr uneben und ungleich, sie muſsten also gebohrt
werden, und zwar erst im Rauhen, dann folgte das Glattbohren. Das
Rauhbohren entfernte die vorstehende Schweiſsnaht im Inneren und
machte das Rohr überhaupt erst rund. Das Glattbohren gab die
ganz egale und glatte Seelenwand (Kugelgleichheit) von vorschrifts-
mäſsigem Kaliber. Man bediente sich dazu der Rauh- und Glatt-
bohrbank. Bei dem Rauhbohren wurde das Rohr in einen Schlitten
gespannt (Fig. 152), der durch ein Spindelgetriebe vorwärts bewegt
wurde, und zwar dem Bohrer, der an ein kleines Wasserrad oder ein
Kammrad, das sich rasch drehte, befestigt war, entgegen. Erst nahm
man einen schwächeren Bohrer, dem ein stärkerer folgte. Der
Schlitten lief in einem mit Wasser gefüllten Trog, um das Erhitzen
des Rohres beim Bohren zu verhindern. Der Bohrer bestand aus
einer cylindrischen Stange, auf deren Ende drei scharfe, spiralförmige
Bohrschneiden aufgesetzt waren. Nach dem Rauhbohren wurde das
Rohr erst auf seine Geradheit geprüft und wenn nötig kalt gerichtet.
Alsdann folgte das Glattbohren, welches mit viel gröſserer Sorgfalt
geschehen muſste. Die Bewegung des Bohrers war an und für sich
langsamer als beim Rauhbohren, auſserdem war aber an der Glatt-
bohrbank eine Vorrichtung angebracht, wodurch man die Vorwärts-
bewegung des Schlittens verlangsamen konnte. Die Arbeit muſste
wegen harter Stellen, Fehlern oder Geraderichten öfter unterbrochen
werden. Wie oft das Rohr beim Glattbohren neu aufgespannt werden
muſste, hing von der Güte desſelben ab, doch unterschied man stets
das Rundbohren, zweimaliges Glattbohren und das Polieren.
Das Rundbohren, welches sich an das Rauhbohren anschloſs,
stellte die Kugelgleichheit her. Hierauf wurde das Rohr äuſserlich
abgefeilt. Alsdann folgte das erste Glattbohren bis auf 0,15 Linie
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/462>, abgerufen am 22.11.2024.
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