Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
roten Thon gefunden und gab natürlichen Stahl. Es war angeblich
das einzige Erz in ganz Spanien, das dies that. Man nannte es
hierro gelado, gefrorenes Eisen. Es scheint indes, dass die Klingen-
schmiede den ausgeschmiedeten Schwertern noch eine künstliche Här-
tung gaben, von der später oft als von einem verloren gegangenen
Geheimnis die Rede ist. Jedenfalls waren die toledanischen Klingen
sehr hart und glichen darin mehr den echten Damascenerklingen.
Da die Kunst der Schwertschmiede von den Mauren überkommen
war, so mögen sich wohl auch die im Orient gebräuchlichen Kunst-
griffe vererbt haben. Dies scheint auch aus folgenden Überlieferungen
hervorzugehen. Manche behaupteten, die toledanischen Klingen würden
nur im Winter gehärtet und wenn sie zum letzten Male aus der
Schmiede gekommen, so wären sie in dem kältesten Wetter mit der
grössten Geschwindigkeit in der Luft geschwenkt worden. Dasselbe
wird vielfach von orientalischen Schmieden, namentlich denen zu
Damaskus berichtet. Andere sagen, sie seien bis zur Kirschrothitze
glühend gemacht und dann in ein Gefäss mit Öl oder Fett gesteckt,
hierauf ebenso lange in warmes Wasser getaucht worden und das
alles im härtesten Winter. Noch andere sagen, sie wären von natür-
lichem Stahl von Mondragon, mit einem Streifen von gemeinem Eisen
in der Mitte verfertigt, um sie biegsamer zu machen und dann auf
gewöhnliche Weise im Winter gehärtet worden.

Hochberühmte Klingenschmiede lebten in Italien 1). Dem 15. Jahr-
hundert gehörten noch an: Pierus, der um 1446 für Papst Eugen IV.
arbeitete und zeichnet: "Pierus me fece", und Patrolaus, von dem
es indes zweifelhaft ist, ob er aus Italien stammt. Um 1500 war
Vittore Camelio, dem man die Erfindung eines leichten Stahles
zuschreibt, in Brescia thätig; ebendaselbst lebte Serafino, genannt
Bresciano, der sich auch als Tausiator auszeichnete und um 1540
für Franz I. von Frankreich arbeitete. Eine berühmte Waffen-
schmiedefamilie waren die Piccinini in Mailand; von ihnen zeichneten
sich Antonio (1509 bis 1589) und sein Sohn Frederigo (bis 1600)
als Klingenschmiede aus; Antonio markierte (Fig. 123 a älteres,
b jüngeres Zeichen). Den grössten Ruhm im Auslande, namentlich
in England und Russland, erwarb sich Andrea Ferrara zu Belluno
(1530 bis 1583). Pietro Sirrico zu Florenz arbeitete um 1550 für
Karl V. Matinni Antanni (Antonio Martini oder Martino Antani),
der um 1550 den gekrönten Mohrenkopf als Marke (Fig. 123 c) führte.

1) Boeheim, a. a. O., S. 5.

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
roten Thon gefunden und gab natürlichen Stahl. Es war angeblich
das einzige Erz in ganz Spanien, das dies that. Man nannte es
hierro gelado, gefrorenes Eisen. Es scheint indes, daſs die Klingen-
schmiede den ausgeschmiedeten Schwertern noch eine künstliche Här-
tung gaben, von der später oft als von einem verloren gegangenen
Geheimnis die Rede ist. Jedenfalls waren die toledanischen Klingen
sehr hart und glichen darin mehr den echten Damascenerklingen.
Da die Kunst der Schwertschmiede von den Mauren überkommen
waŕ, so mögen sich wohl auch die im Orient gebräuchlichen Kunst-
griffe vererbt haben. Dies scheint auch aus folgenden Überlieferungen
hervorzugehen. Manche behaupteten, die toledanischen Klingen würden
nur im Winter gehärtet und wenn sie zum letzten Male aus der
Schmiede gekommen, so wären sie in dem kältesten Wetter mit der
gröſsten Geschwindigkeit in der Luft geschwenkt worden. Dasſelbe
wird vielfach von orientalischen Schmieden, namentlich denen zu
Damaskus berichtet. Andere sagen, sie seien bis zur Kirschrothitze
glühend gemacht und dann in ein Gefäſs mit Öl oder Fett gesteckt,
hierauf ebenso lange in warmes Wasser getaucht worden und das
alles im härtesten Winter. Noch andere sagen, sie wären von natür-
lichem Stahl von Mondragon, mit einem Streifen von gemeinem Eisen
in der Mitte verfertigt, um sie biegsamer zu machen und dann auf
gewöhnliche Weise im Winter gehärtet worden.

Hochberühmte Klingenschmiede lebten in Italien 1). Dem 15. Jahr-
hundert gehörten noch an: Pierus, der um 1446 für Papst Eugen IV.
arbeitete und zeichnet: „Pierus me fece“, und Patrolaus, von dem
es indes zweifelhaft ist, ob er aus Italien stammt. Um 1500 war
Vittore Camelio, dem man die Erfindung eines leichten Stahles
zuschreibt, in Brescia thätig; ebendaselbst lebte Serafino, genannt
Bresciano, der sich auch als Tausiator auszeichnete und um 1540
für Franz I. von Frankreich arbeitete. Eine berühmte Waffen-
schmiedefamilie waren die Piccinini in Mailand; von ihnen zeichneten
sich Antonio (1509 bis 1589) und sein Sohn Frederigo (bis 1600)
als Klingenschmiede aus; Antonio markierte (Fig. 123 a älteres,
b jüngeres Zeichen). Den gröſsten Ruhm im Auslande, namentlich
in England und Ruſsland, erwarb sich Andrea Ferrara zu Belluno
(1530 bis 1583). Pietro Sirrico zu Florenz arbeitete um 1550 für
Karl V. Matinni Antanni (Antonio Martini oder Martino Antani),
der um 1550 den gekrönten Mohrenkopf als Marke (Fig. 123 c) führte.

1) Boeheim, a. a. O., S. 5.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0424" n="404"/><fw place="top" type="header">Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.</fw><lb/>
roten Thon gefunden und gab natürlichen Stahl. Es war angeblich<lb/>
das einzige Erz in ganz Spanien, das dies that. Man nannte es<lb/>
hierro gelado, gefrorenes Eisen. Es scheint indes, da&#x017F;s die Klingen-<lb/>
schmiede den ausgeschmiedeten Schwertern noch eine künstliche Här-<lb/>
tung gaben, von der später oft als von einem verloren gegangenen<lb/>
Geheimnis die Rede ist. Jedenfalls waren die toledanischen Klingen<lb/>
sehr hart und glichen darin mehr den echten Damascenerklingen.<lb/>
Da die Kunst der Schwertschmiede von den Mauren überkommen<lb/>
wa&#x0155;, so mögen sich wohl auch die im Orient gebräuchlichen Kunst-<lb/>
griffe vererbt haben. Dies scheint auch aus folgenden Überlieferungen<lb/>
hervorzugehen. Manche behaupteten, die toledanischen Klingen würden<lb/>
nur im Winter gehärtet und wenn sie zum letzten Male aus der<lb/>
Schmiede gekommen, so wären sie in dem kältesten Wetter mit der<lb/>
grö&#x017F;sten Geschwindigkeit in der Luft geschwenkt worden. Das&#x017F;elbe<lb/>
wird vielfach von orientalischen Schmieden, namentlich denen zu<lb/>
Damaskus berichtet. Andere sagen, sie seien bis zur Kirschrothitze<lb/>
glühend gemacht und dann in ein Gefä&#x017F;s mit Öl oder Fett gesteckt,<lb/>
hierauf ebenso lange in warmes Wasser getaucht worden und das<lb/>
alles im härtesten Winter. Noch andere sagen, sie wären von natür-<lb/>
lichem Stahl von Mondragon, mit einem Streifen von gemeinem Eisen<lb/>
in der Mitte verfertigt, um sie biegsamer zu machen und dann auf<lb/>
gewöhnliche Weise im Winter gehärtet worden.</p><lb/>
              <p>Hochberühmte Klingenschmiede lebten in Italien <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Boeheim</hi>, a. a. O., S. 5.</note>. Dem 15. Jahr-<lb/>
hundert gehörten noch an: <hi rendition="#g">Pierus</hi>, der um 1446 für Papst Eugen IV.<lb/>
arbeitete und zeichnet: &#x201E;Pierus me fece&#x201C;, und <hi rendition="#g">Patrolaus</hi>, von dem<lb/>
es indes zweifelhaft ist, ob er aus Italien stammt. Um 1500 war<lb/><hi rendition="#g">Vittore Camelio</hi>, dem man die Erfindung eines leichten Stahles<lb/>
zuschreibt, in Brescia thätig; ebendaselbst lebte <hi rendition="#g">Serafino</hi>, genannt<lb/><hi rendition="#g">Bresciano</hi>, der sich auch als Tausiator auszeichnete und um 1540<lb/>
für Franz I. von Frankreich arbeitete. Eine berühmte Waffen-<lb/>
schmiedefamilie waren die <hi rendition="#g">Piccinini</hi> in Mailand; von ihnen zeichneten<lb/>
sich <hi rendition="#g">Antonio</hi> (1509 bis 1589) und sein Sohn <hi rendition="#g">Frederigo</hi> (bis 1600)<lb/>
als Klingenschmiede aus; <hi rendition="#g">Antonio</hi> markierte (Fig. 123 <hi rendition="#i">a</hi> älteres,<lb/><hi rendition="#i">b</hi> jüngeres Zeichen). Den grö&#x017F;sten Ruhm im Auslande, namentlich<lb/>
in England und Ru&#x017F;sland, erwarb sich <hi rendition="#g">Andrea Ferrara</hi> zu Belluno<lb/>
(1530 bis 1583). <hi rendition="#g">Pietro Sirrico</hi> zu Florenz arbeitete um 1550 für<lb/>
Karl V. <hi rendition="#g">Matinni Antanni</hi> (<hi rendition="#g">Antonio Martini</hi> oder <hi rendition="#g">Martino Antani</hi>),<lb/>
der um 1550 den gekrönten Mohrenkopf als Marke (Fig. 123 <hi rendition="#i">c</hi>) führte.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[404/0424] Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert. roten Thon gefunden und gab natürlichen Stahl. Es war angeblich das einzige Erz in ganz Spanien, das dies that. Man nannte es hierro gelado, gefrorenes Eisen. Es scheint indes, daſs die Klingen- schmiede den ausgeschmiedeten Schwertern noch eine künstliche Här- tung gaben, von der später oft als von einem verloren gegangenen Geheimnis die Rede ist. Jedenfalls waren die toledanischen Klingen sehr hart und glichen darin mehr den echten Damascenerklingen. Da die Kunst der Schwertschmiede von den Mauren überkommen waŕ, so mögen sich wohl auch die im Orient gebräuchlichen Kunst- griffe vererbt haben. Dies scheint auch aus folgenden Überlieferungen hervorzugehen. Manche behaupteten, die toledanischen Klingen würden nur im Winter gehärtet und wenn sie zum letzten Male aus der Schmiede gekommen, so wären sie in dem kältesten Wetter mit der gröſsten Geschwindigkeit in der Luft geschwenkt worden. Dasſelbe wird vielfach von orientalischen Schmieden, namentlich denen zu Damaskus berichtet. Andere sagen, sie seien bis zur Kirschrothitze glühend gemacht und dann in ein Gefäſs mit Öl oder Fett gesteckt, hierauf ebenso lange in warmes Wasser getaucht worden und das alles im härtesten Winter. Noch andere sagen, sie wären von natür- lichem Stahl von Mondragon, mit einem Streifen von gemeinem Eisen in der Mitte verfertigt, um sie biegsamer zu machen und dann auf gewöhnliche Weise im Winter gehärtet worden. Hochberühmte Klingenschmiede lebten in Italien 1). Dem 15. Jahr- hundert gehörten noch an: Pierus, der um 1446 für Papst Eugen IV. arbeitete und zeichnet: „Pierus me fece“, und Patrolaus, von dem es indes zweifelhaft ist, ob er aus Italien stammt. Um 1500 war Vittore Camelio, dem man die Erfindung eines leichten Stahles zuschreibt, in Brescia thätig; ebendaselbst lebte Serafino, genannt Bresciano, der sich auch als Tausiator auszeichnete und um 1540 für Franz I. von Frankreich arbeitete. Eine berühmte Waffen- schmiedefamilie waren die Piccinini in Mailand; von ihnen zeichneten sich Antonio (1509 bis 1589) und sein Sohn Frederigo (bis 1600) als Klingenschmiede aus; Antonio markierte (Fig. 123 a älteres, b jüngeres Zeichen). Den gröſsten Ruhm im Auslande, namentlich in England und Ruſsland, erwarb sich Andrea Ferrara zu Belluno (1530 bis 1583). Pietro Sirrico zu Florenz arbeitete um 1550 für Karl V. Matinni Antanni (Antonio Martini oder Martino Antani), der um 1550 den gekrönten Mohrenkopf als Marke (Fig. 123 c) führte. 1) Boeheim, a. a. O., S. 5.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/424
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/424>, abgerufen am 05.05.2024.