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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
ein nur im Rauhen vorgeschmiedetes Stück Schmiedeeisen oder Stahl
und arbeitete daraus, wie der Bildhauer aus dem Marmor, die
Verzierungen und Figuren mit Meissel und Grabstichel heraus. Da-
durch hatte die Arbeit den reinen Charakter der Kunst, und auf
keinem Gebiete hat der geniale Benvenuto Cellini wohl so Grosses
geleistet, als in der Stahlschneidekunst. Bei den Degengriffen war
die geschnittene Stahlarbeit besonders beliebt, und eine der schönsten
Schneidearbeiten, die Benvenuto zugeschrieben werden, ist der als
l'epee au mascaron bekannte Degen der Armeria Real in Madrid.

Die Figuren treten herrlich hervor, voll Leben und Ausdruck.
Die Klinge zeigt das Waffenschmiedezeichen @, welches nicht als
toledanisch bekannt ist. Ein schön geschnittener Griff mit pracht-
voller Tauschierung eines Degens Kaisers Karl V. befindet sich in

[Abbildung] Fig. 104.
der Wiener kaiserlichen Waffensammlung
(siehe Fig. 104). Die Hilze ist von Elfen-
bein. Auf dem geschnittenen Knopfe ist
der heilige Georg im Kampfe mit dem
Drachen dargestellt, während der durch-
brochene Bügel in Löwenköpfen ausläuft
und Kämpfe der Lapiden und Centauren
zeigt. Der geschnittene Stahl ist tauschiert
und vergoldet.

In der Regel waren es Schwertfeger,
welche diese kunstvollen Griffe anfertigten.
Zwei in dieser Kunst berühmte Meister
des 16. Jahrhunderts lebten in Torgau 1),
es waren die Meister Franz und Paul, von
denen sich eine ganze Sammlung von Rap-
pieren und Dolchen mit aus Eisen geschnittenen Griffen, woran sich
figurenreiche Bilder aus dem Alten und Neuen Testamente (z. B.
die Geschichte vom verlorenen Sohn, die Geburt Christi, Adam und
Eva, die Geschichte Josephs, Moses und die Israeliten u. s. w.),
mythologische Darstellungen, Jagdstücke, Wappen und das Mono-
gramm des Kurfürsten August und dessen Gemahlin Anna (zwei
gegeneinander gestellte und verschlungene A) vorfinden. Für ein
derartiges Rappier erhielten die Meister 100 Gulden.


1) Siehe Dr. A. Erbstein, Beschreibung des Königl. Histor. Museums in
Dresden, S. 43.

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
ein nur im Rauhen vorgeschmiedetes Stück Schmiedeeisen oder Stahl
und arbeitete daraus, wie der Bildhauer aus dem Marmor, die
Verzierungen und Figuren mit Meiſsel und Grabstichel heraus. Da-
durch hatte die Arbeit den reinen Charakter der Kunst, und auf
keinem Gebiete hat der geniale Benvenuto Cellini wohl so Groſses
geleistet, als in der Stahlschneidekunst. Bei den Degengriffen war
die geschnittene Stahlarbeit besonders beliebt, und eine der schönsten
Schneidearbeiten, die Benvenuto zugeschrieben werden, ist der als
l’epée au mascaron bekannte Degen der Armeria Real in Madrid.

Die Figuren treten herrlich hervor, voll Leben und Ausdruck.
Die Klinge zeigt das Waffenschmiedezeichen , welches nicht als
toledanisch bekannt ist. Ein schön geschnittener Griff mit pracht-
voller Tauschierung eines Degens Kaisers Karl V. befindet sich in

[Abbildung] Fig. 104.
der Wiener kaiserlichen Waffensammlung
(siehe Fig. 104). Die Hilze ist von Elfen-
bein. Auf dem geschnittenen Knopfe ist
der heilige Georg im Kampfe mit dem
Drachen dargestellt, während der durch-
brochene Bügel in Löwenköpfen ausläuft
und Kämpfe der Lapiden und Centauren
zeigt. Der geschnittene Stahl ist tauschiert
und vergoldet.

In der Regel waren es Schwertfeger,
welche diese kunstvollen Griffe anfertigten.
Zwei in dieser Kunst berühmte Meister
des 16. Jahrhunderts lebten in Torgau 1),
es waren die Meister Franz und Paul, von
denen sich eine ganze Sammlung von Rap-
pieren und Dolchen mit aus Eisen geschnittenen Griffen, woran sich
figurenreiche Bilder aus dem Alten und Neuen Testamente (z. B.
die Geschichte vom verlorenen Sohn, die Geburt Christi, Adam und
Eva, die Geschichte Josephs, Moses und die Israeliten u. s. w.),
mythologische Darstellungen, Jagdstücke, Wappen und das Mono-
gramm des Kurfürsten August und dessen Gemahlin Anna (zwei
gegeneinander gestellte und verschlungene A) vorfinden. Für ein
derartiges Rappier erhielten die Meister 100 Gulden.


1) Siehe Dr. A. Erbstein, Beschreibung des Königl. Histor. Museums in
Dresden, S. 43.
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[370/0390] Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert. ein nur im Rauhen vorgeschmiedetes Stück Schmiedeeisen oder Stahl und arbeitete daraus, wie der Bildhauer aus dem Marmor, die Verzierungen und Figuren mit Meiſsel und Grabstichel heraus. Da- durch hatte die Arbeit den reinen Charakter der Kunst, und auf keinem Gebiete hat der geniale Benvenuto Cellini wohl so Groſses geleistet, als in der Stahlschneidekunst. Bei den Degengriffen war die geschnittene Stahlarbeit besonders beliebt, und eine der schönsten Schneidearbeiten, die Benvenuto zugeschrieben werden, ist der als l’epée au mascaron bekannte Degen der Armeria Real in Madrid. Die Figuren treten herrlich hervor, voll Leben und Ausdruck. Die Klinge zeigt das Waffenschmiedezeichen , welches nicht als toledanisch bekannt ist. Ein schön geschnittener Griff mit pracht- voller Tauschierung eines Degens Kaisers Karl V. befindet sich in [Abbildung Fig. 104.] der Wiener kaiserlichen Waffensammlung (siehe Fig. 104). Die Hilze ist von Elfen- bein. Auf dem geschnittenen Knopfe ist der heilige Georg im Kampfe mit dem Drachen dargestellt, während der durch- brochene Bügel in Löwenköpfen ausläuft und Kämpfe der Lapiden und Centauren zeigt. Der geschnittene Stahl ist tauschiert und vergoldet. In der Regel waren es Schwertfeger, welche diese kunstvollen Griffe anfertigten. Zwei in dieser Kunst berühmte Meister des 16. Jahrhunderts lebten in Torgau 1), es waren die Meister Franz und Paul, von denen sich eine ganze Sammlung von Rap- pieren und Dolchen mit aus Eisen geschnittenen Griffen, woran sich figurenreiche Bilder aus dem Alten und Neuen Testamente (z. B. die Geschichte vom verlorenen Sohn, die Geburt Christi, Adam und Eva, die Geschichte Josephs, Moses und die Israeliten u. s. w.), mythologische Darstellungen, Jagdstücke, Wappen und das Mono- gramm des Kurfürsten August und dessen Gemahlin Anna (zwei gegeneinander gestellte und verschlungene A) vorfinden. Für ein derartiges Rappier erhielten die Meister 100 Gulden. 1) Siehe Dr. A. Erbstein, Beschreibung des Königl. Histor. Museums in Dresden, S. 43.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/390>, abgerufen am 22.11.2024.