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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Einleitung.
berg aus Mainz: der Einführung der beweglichen Typen zum Schrift-
druck.

Keine Erfindung des menschlichen Geistes hat so durchschlagen-
den Erfolg, so rasche Anerkennung und Verbreitung gehabt wie diese.
Es ist deshalb wohl am Platze, bei derselben zu verweilen.

Göthes treffende Antwort auf die Frage: was ist Erfindung?:
"der Abschluss des Gesuchten", ist eine anerkannte Wahrheit, deshalb
spielen aber doch die Umstände, der glückliche Zufall eine grosse
Rolle bei der Bethätigung einer Erfindung. Wie dem aber auch sei,
nicht die Auffindung einer neuen Thatsache allein bedingt den Wert
einer Erfindung, sondern ihre praktische Verwertung. Der Erfinder
muss die Geschicklichkeit und die Mittel haben, seiner Idee eine
zweckmässige Gestalt zu geben. Die Konzeption eines neuen Gedankens
genügt noch nicht zu einer epochemachenden Erfindung. Die Über-
setzung des Gedankens in die Praxis ist in den zahlreichsten Fällen
der schwierigste und wichtigste Teil des Unternehmens. Ja selbst
das Geschick, die Idee in eine praktische Form zu bringen, genügt
nicht, wenn die materiellen Mittel zur Ausbeutung fehlen, und alles
dies zusammengenommen hat keinen Wert, wenn kein Bedürfnis für
die Erfindung vorliegt. Der Erfolg einer Erfindung ist demnach durch
vier Faktoren bedingt: den Gedanken, die praktische Einkleidung, die
Mittel zur Einführung und das Bedürfnis für die Sache. Wie manche
schöne Idee hat keinen Anklang gefunden, weil nur einer dieser
Faktoren fehlte; weil sie verfrüht war, weil das Geschick oder die
Mittel für ihre Einführung in das Leben fehlten oder weil sie kein
Interesse erweckte.

Bei der Erfindung der Buchdruckerkunst trafen alle genannten
Bedingungen für den Erfolg auf das glücklichste zusammen, aber
auch nur durch das Zusammenwirken mehrerer gleichstrebender
Personen.

Die Idee des Druckes mit beweglichen Lettern und die praktische
Ausarbeitung derselben sind das unbestrittene Verdienst Johannes
Gutenbergs
; für das Kapital und die geschäftliche Ausnutzung der
Erfindung sorgten die mit Gutenberg verbundenen Mainzer Bürger
Johann Faust und der hochbegabte Peter Schäffer, welchem
letzteren wahrscheinlich die Erfindung des Letterngusses zugeschrieben
werden muss.

Wie sehr aber die Erfindung dem Bedürfnis der Zeit entsprach,
das bewies der grossartige Erfolg. Von Mainz aus verbreiteten sich
in überraschend kurzer Zeit Druckereien über ganz Europa.


Einleitung.
berg aus Mainz: der Einführung der beweglichen Typen zum Schrift-
druck.

Keine Erfindung des menschlichen Geistes hat so durchschlagen-
den Erfolg, so rasche Anerkennung und Verbreitung gehabt wie diese.
Es ist deshalb wohl am Platze, bei derselben zu verweilen.

Göthes treffende Antwort auf die Frage: was ist Erfindung?:
„der Abschluſs des Gesuchten“, ist eine anerkannte Wahrheit, deshalb
spielen aber doch die Umstände, der glückliche Zufall eine groſse
Rolle bei der Bethätigung einer Erfindung. Wie dem aber auch sei,
nicht die Auffindung einer neuen Thatsache allein bedingt den Wert
einer Erfindung, sondern ihre praktische Verwertung. Der Erfinder
muſs die Geschicklichkeit und die Mittel haben, seiner Idee eine
zweckmäſsige Gestalt zu geben. Die Konzeption eines neuen Gedankens
genügt noch nicht zu einer epochemachenden Erfindung. Die Über-
setzung des Gedankens in die Praxis ist in den zahlreichsten Fällen
der schwierigste und wichtigste Teil des Unternehmens. Ja selbst
das Geschick, die Idee in eine praktische Form zu bringen, genügt
nicht, wenn die materiellen Mittel zur Ausbeutung fehlen, und alles
dies zusammengenommen hat keinen Wert, wenn kein Bedürfnis für
die Erfindung vorliegt. Der Erfolg einer Erfindung ist demnach durch
vier Faktoren bedingt: den Gedanken, die praktische Einkleidung, die
Mittel zur Einführung und das Bedürfnis für die Sache. Wie manche
schöne Idee hat keinen Anklang gefunden, weil nur einer dieser
Faktoren fehlte; weil sie verfrüht war, weil das Geschick oder die
Mittel für ihre Einführung in das Leben fehlten oder weil sie kein
Interesse erweckte.

Bei der Erfindung der Buchdruckerkunst trafen alle genannten
Bedingungen für den Erfolg auf das glücklichste zusammen, aber
auch nur durch das Zusammenwirken mehrerer gleichstrebender
Personen.

Die Idee des Druckes mit beweglichen Lettern und die praktische
Ausarbeitung derselben sind das unbestrittene Verdienst Johannes
Gutenbergs
; für das Kapital und die geschäftliche Ausnutzung der
Erfindung sorgten die mit Gutenberg verbundenen Mainzer Bürger
Johann Faust und der hochbegabte Peter Schäffer, welchem
letzteren wahrscheinlich die Erfindung des Letterngusses zugeschrieben
werden muſs.

Wie sehr aber die Erfindung dem Bedürfnis der Zeit entsprach,
das bewies der groſsartige Erfolg. Von Mainz aus verbreiteten sich
in überraschend kurzer Zeit Druckereien über ganz Europa.


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[9/0029] Einleitung. berg aus Mainz: der Einführung der beweglichen Typen zum Schrift- druck. Keine Erfindung des menschlichen Geistes hat so durchschlagen- den Erfolg, so rasche Anerkennung und Verbreitung gehabt wie diese. Es ist deshalb wohl am Platze, bei derselben zu verweilen. Göthes treffende Antwort auf die Frage: was ist Erfindung?: „der Abschluſs des Gesuchten“, ist eine anerkannte Wahrheit, deshalb spielen aber doch die Umstände, der glückliche Zufall eine groſse Rolle bei der Bethätigung einer Erfindung. Wie dem aber auch sei, nicht die Auffindung einer neuen Thatsache allein bedingt den Wert einer Erfindung, sondern ihre praktische Verwertung. Der Erfinder muſs die Geschicklichkeit und die Mittel haben, seiner Idee eine zweckmäſsige Gestalt zu geben. Die Konzeption eines neuen Gedankens genügt noch nicht zu einer epochemachenden Erfindung. Die Über- setzung des Gedankens in die Praxis ist in den zahlreichsten Fällen der schwierigste und wichtigste Teil des Unternehmens. Ja selbst das Geschick, die Idee in eine praktische Form zu bringen, genügt nicht, wenn die materiellen Mittel zur Ausbeutung fehlen, und alles dies zusammengenommen hat keinen Wert, wenn kein Bedürfnis für die Erfindung vorliegt. Der Erfolg einer Erfindung ist demnach durch vier Faktoren bedingt: den Gedanken, die praktische Einkleidung, die Mittel zur Einführung und das Bedürfnis für die Sache. Wie manche schöne Idee hat keinen Anklang gefunden, weil nur einer dieser Faktoren fehlte; weil sie verfrüht war, weil das Geschick oder die Mittel für ihre Einführung in das Leben fehlten oder weil sie kein Interesse erweckte. Bei der Erfindung der Buchdruckerkunst trafen alle genannten Bedingungen für den Erfolg auf das glücklichste zusammen, aber auch nur durch das Zusammenwirken mehrerer gleichstrebender Personen. Die Idee des Druckes mit beweglichen Lettern und die praktische Ausarbeitung derselben sind das unbestrittene Verdienst Johannes Gutenbergs; für das Kapital und die geschäftliche Ausnutzung der Erfindung sorgten die mit Gutenberg verbundenen Mainzer Bürger Johann Faust und der hochbegabte Peter Schäffer, welchem letzteren wahrscheinlich die Erfindung des Letterngusses zugeschrieben werden muſs. Wie sehr aber die Erfindung dem Bedürfnis der Zeit entsprach, das bewies der groſsartige Erfolg. Von Mainz aus verbreiteten sich in überraschend kurzer Zeit Druckereien über ganz Europa.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/29>, abgerufen am 25.11.2024.