durch ihr Geschützwesen. Sie hatten zuerst geordnete Schützengilden, eine geordnete Landwehr.
Gegen sie konnten die einzelnen Ritter nichts mehr ausrichten, auch nicht das Aufgebot ganzer Ritterschaftsverbände durch die Landesfürsten. Die deutschen Städte lieferten die besten Truppen für das Reichsheer, sowohl in Beziehung auf Geschicklichkeit als Aus- rüstung des einzelnen Mannes. Ein stehendes Heer war dies noch nicht, aber ein Stock waffentüchtiger Leute, um den sich die lose Masse der damaligen Reichsheere gruppieren konnte. Ein solcher zuverlässiger Stock fehlte dem kriegslustigen Frankreich, deshalb ver- fielen seine Könige zuerst darauf, sich eine besoldete, stehende Truppe zu schaffen. Schon Karl VII. sah sich hierzu gezwungen, um die wilde Söldnerschar, welche nach Beendigung des englischen Krieges beschäftigungslos geworden war, die sogenannten Armagnaks, in Pflicht und Sold zu halten.
Diese Truppe, welche aus 5000 Armbrustschützen zu Fuss und zu Pferd bestand, bereitete aber durch ihre schlechte Disziplin dem französischen Königtum mehr Verlegenheiten als Vorteile. Deshalb ging Karls Nachfolger Ludwig XI. dazu über, eine Leibgarde von Be- rufssoldaten aus fremden Söldnern, meist Schotten und Schweizern, zu bilden. Dadurch wurde die Einrichtung des stehenden Heeres eine bleibende für Frankreich, und bald sahen sich die übrigen europäischen Staaten gezwungen, Frankreichs Beispiel nachzuahmen. Dies hatte grossen Einfluss auf die Waffenfabrikation. Die gleichförmige Be- waffnung grösserer Heeresmassen verlangte Massenfabrikation und so entstanden die ersten Gewehrfabriken.
Welchen Einfluss die Entwickelung des Geschützwesens auf das Eisengewerbe ausgeübt hat, haben wir im ersten Teil unserer Geschichte bereits ausführlich nachgewiesen. Die erste Verwendung des neu erfundenen Eisengusses war für die Herstellung von Kanonenkugeln. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass das Bedürfnis der Artillerie die Erfindung des Eisengusses veranlasst hat.
War die Erfindung des Schiesspulvers zunächst für die politische Entwickelung Europas von grösstem Einfluss, so war es die Erfin- dung der Buchdruckerkunst für die geistige Entwickelung.
Die mächtige Bewegung der Geister, die nervöse Erregtheit, welche für den Anfang des 16. Jahrhunderts symptomatisch ist, hatte ihren Grund und Ursprung in der so wunderbar einfachen und doch in ihrer Wirkung so unermesslichen Erfindung des Johann Gens- fleisch, mehr bekannt unter dem Namen seiner Mutter v. Guten-
Einleitung.
durch ihr Geschützwesen. Sie hatten zuerst geordnete Schützengilden, eine geordnete Landwehr.
Gegen sie konnten die einzelnen Ritter nichts mehr ausrichten, auch nicht das Aufgebot ganzer Ritterschaftsverbände durch die Landesfürsten. Die deutschen Städte lieferten die besten Truppen für das Reichsheer, sowohl in Beziehung auf Geschicklichkeit als Aus- rüstung des einzelnen Mannes. Ein stehendes Heer war dies noch nicht, aber ein Stock waffentüchtiger Leute, um den sich die lose Masse der damaligen Reichsheere gruppieren konnte. Ein solcher zuverlässiger Stock fehlte dem kriegslustigen Frankreich, deshalb ver- fielen seine Könige zuerst darauf, sich eine besoldete, stehende Truppe zu schaffen. Schon Karl VII. sah sich hierzu gezwungen, um die wilde Söldnerschar, welche nach Beendigung des englischen Krieges beschäftigungslos geworden war, die sogenannten Armagnaks, in Pflicht und Sold zu halten.
Diese Truppe, welche aus 5000 Armbrustschützen zu Fuſs und zu Pferd bestand, bereitete aber durch ihre schlechte Disziplin dem französischen Königtum mehr Verlegenheiten als Vorteile. Deshalb ging Karls Nachfolger Ludwig XI. dazu über, eine Leibgarde von Be- rufssoldaten aus fremden Söldnern, meist Schotten und Schweizern, zu bilden. Dadurch wurde die Einrichtung des stehenden Heeres eine bleibende für Frankreich, und bald sahen sich die übrigen europäischen Staaten gezwungen, Frankreichs Beispiel nachzuahmen. Dies hatte groſsen Einfluſs auf die Waffenfabrikation. Die gleichförmige Be- waffnung gröſserer Heeresmassen verlangte Massenfabrikation und so entstanden die ersten Gewehrfabriken.
Welchen Einfluſs die Entwickelung des Geschützwesens auf das Eisengewerbe ausgeübt hat, haben wir im ersten Teil unserer Geschichte bereits ausführlich nachgewiesen. Die erste Verwendung des neu erfundenen Eisengusses war für die Herstellung von Kanonenkugeln. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daſs das Bedürfnis der Artillerie die Erfindung des Eisengusses veranlaſst hat.
War die Erfindung des Schieſspulvers zunächst für die politische Entwickelung Europas von gröſstem Einfluſs, so war es die Erfin- dung der Buchdruckerkunst für die geistige Entwickelung.
Die mächtige Bewegung der Geister, die nervöse Erregtheit, welche für den Anfang des 16. Jahrhunderts symptomatisch ist, hatte ihren Grund und Ursprung in der so wunderbar einfachen und doch in ihrer Wirkung so unermeſslichen Erfindung des Johann Gens- fleisch, mehr bekannt unter dem Namen seiner Mutter v. Guten-
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Einleitung.
durch ihr Geschützwesen. Sie hatten zuerst geordnete Schützengilden,
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Gegen sie konnten die einzelnen Ritter nichts mehr ausrichten,
auch nicht das Aufgebot ganzer Ritterschaftsverbände durch die
Landesfürsten. Die deutschen Städte lieferten die besten Truppen
für das Reichsheer, sowohl in Beziehung auf Geschicklichkeit als Aus-
rüstung des einzelnen Mannes. Ein stehendes Heer war dies noch
nicht, aber ein Stock waffentüchtiger Leute, um den sich die lose
Masse der damaligen Reichsheere gruppieren konnte. Ein solcher
zuverlässiger Stock fehlte dem kriegslustigen Frankreich, deshalb ver-
fielen seine Könige zuerst darauf, sich eine besoldete, stehende Truppe
zu schaffen. Schon Karl VII. sah sich hierzu gezwungen, um die
wilde Söldnerschar, welche nach Beendigung des englischen Krieges
beschäftigungslos geworden war, die sogenannten Armagnaks, in Pflicht
und Sold zu halten.
Diese Truppe, welche aus 5000 Armbrustschützen zu Fuſs und
zu Pferd bestand, bereitete aber durch ihre schlechte Disziplin dem
französischen Königtum mehr Verlegenheiten als Vorteile. Deshalb
ging Karls Nachfolger Ludwig XI. dazu über, eine Leibgarde von Be-
rufssoldaten aus fremden Söldnern, meist Schotten und Schweizern, zu
bilden. Dadurch wurde die Einrichtung des stehenden Heeres eine
bleibende für Frankreich, und bald sahen sich die übrigen europäischen
Staaten gezwungen, Frankreichs Beispiel nachzuahmen. Dies hatte
groſsen Einfluſs auf die Waffenfabrikation. Die gleichförmige Be-
waffnung gröſserer Heeresmassen verlangte Massenfabrikation und so
entstanden die ersten Gewehrfabriken.
Welchen Einfluſs die Entwickelung des Geschützwesens auf das
Eisengewerbe ausgeübt hat, haben wir im ersten Teil unserer Geschichte
bereits ausführlich nachgewiesen. Die erste Verwendung des neu
erfundenen Eisengusses war für die Herstellung von Kanonenkugeln.
Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daſs das Bedürfnis der Artillerie
die Erfindung des Eisengusses veranlaſst hat.
War die Erfindung des Schieſspulvers zunächst für die politische
Entwickelung Europas von gröſstem Einfluſs, so war es die Erfin-
dung der Buchdruckerkunst für die geistige Entwickelung.
Die mächtige Bewegung der Geister, die nervöse Erregtheit,
welche für den Anfang des 16. Jahrhunderts symptomatisch ist, hatte
ihren Grund und Ursprung in der so wunderbar einfachen und doch
in ihrer Wirkung so unermeſslichen Erfindung des Johann Gens-
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/28>, abgerufen am 26.11.2024.
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