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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Belgien im 17. Jahrhundert.
1. Aus den Kaufleuten, beziehungsweise Hüttenherren, welche auf
ihre Kosten in den Grafschaften Namur 'und Luxemburg das grobe
Frischeisen beschafften und dasselbe den Schmiedemeistern lieferten.
Diese letzteren bezahlten es nach festgesetzten Preisen und schmiedeten
es zu Handelseisen aus, machten Nägel, Bleche u. s. w., kurz, Handels-
eisen aller Art. Hier begann alsdann wieder die Thätigkeit des Kauf-
mannes, der den auswärtigen Handel besorgte und die Eisenwaren
nach Holland, Deutschland, Frankreich und nach England vertrieb.
2. Aus den Schmiedemeistern, von denen ein jeder seinen Spezial-
artikel für den Handel verfertigte.
3. Aus den Arbeitern, welche die Meister in ihrer Arbeit unter-
stützten und von diesen ihren Lohn erhielten.

Die meisten Hammerwerke, welche durch Wasserräder getrieben
wurden, verteilten sich gruppenweise entlang den Wasserläufen. Als
hauptsächlichstes Brennmaterial diente die Steinkohle, welche zu
billigen Preisen aus der Nachbarschaft von Lüttich bezogen wurde.
Der billige Brennstoff, die billige Wasserkraft, die Ökonomie der
Arbeit in Verbindung mit der überlieferten Geschicklichkeit der Lütti-
cher Schmiede, der Wegfall der Generalkosten: Dies Alles trug dazu
bei, die Hütten und Hämmer thätig und blühend zu erhalten. Die
Benutzung der Gefälle verschiedener kleiner Flüsse bedingte die
Teilung der Arbeit in zahlreichen einzelnen Werkstätten, da aber alle
demselben Verbande angehörten, so bildeten sie doch gewissermassen
eine grosse Fabrik.

Dem Widerstreit der Interessen zwischen Kaufleuten, Meistern
und Arbeitern ward durch landesherrliche Verordnungen vorgebeugt.
Aufträge vom Auslande wurden von der Genossenschaft angenommen
und unter den Genossen verteilt. Die Arbeiten wurden zu be-
stimmten Taxen nach einem Tarif, der für alle Genossen verbindlich
war, ausgeführt. Der Staat erhob einen Zoll auf das Eisen von 1/120
des Wertes (d'un demi-soiscantieme), ausgenommen von dem für die
Nagelfabrikation bestimmten, der armen Nagelschmiede und der
Konkurrenz von Charleroi wegen. Das Verbot, dass kein Schmied
oder Arbeiter die Arbeit ausser Land tragen durfte, wurde streng
gehandhabt, wurde aber deshalb in schlechten Zeiten zuweilen auch
zur Last. -- In Bezug hierauf ist folgendes Bittgesuch der Schmiede
an den Fürstbischof von Lüttich im Jahre 1700 charakteristisch: "Die
Hüttenmeister (maitres des forges) befinden sich mit mehreren
Millionen Potterieguss belastet, weil die Lütticher Schmiede im
Auslande der Arbeit nachgehen
. Die Gesuchsteller haben sich

Belgien im 17. Jahrhundert.
1. Aus den Kaufleuten, beziehungsweise Hüttenherren, welche auf
ihre Kosten in den Grafschaften Namur ‘und Luxemburg das grobe
Frischeisen beschafften und dasſelbe den Schmiedemeistern lieferten.
Diese letzteren bezahlten es nach festgesetzten Preisen und schmiedeten
es zu Handelseisen aus, machten Nägel, Bleche u. s. w., kurz, Handels-
eisen aller Art. Hier begann alsdann wieder die Thätigkeit des Kauf-
mannes, der den auswärtigen Handel besorgte und die Eisenwaren
nach Holland, Deutschland, Frankreich und nach England vertrieb.
2. Aus den Schmiedemeistern, von denen ein jeder seinen Spezial-
artikel für den Handel verfertigte.
3. Aus den Arbeitern, welche die Meister in ihrer Arbeit unter-
stützten und von diesen ihren Lohn erhielten.

Die meisten Hammerwerke, welche durch Wasserräder getrieben
wurden, verteilten sich gruppenweise entlang den Wasserläufen. Als
hauptsächlichstes Brennmaterial diente die Steinkohle, welche zu
billigen Preisen aus der Nachbarschaft von Lüttich bezogen wurde.
Der billige Brennstoff, die billige Wasserkraft, die Ökonomie der
Arbeit in Verbindung mit der überlieferten Geschicklichkeit der Lütti-
cher Schmiede, der Wegfall der Generalkosten: Dies Alles trug dazu
bei, die Hütten und Hämmer thätig und blühend zu erhalten. Die
Benutzung der Gefälle verschiedener kleiner Flüsse bedingte die
Teilung der Arbeit in zahlreichen einzelnen Werkstätten, da aber alle
demselben Verbande angehörten, so bildeten sie doch gewissermaſsen
eine groſse Fabrik.

Dem Widerstreit der Interessen zwischen Kaufleuten, Meistern
und Arbeitern ward durch landesherrliche Verordnungen vorgebeugt.
Aufträge vom Auslande wurden von der Genossenschaft angenommen
und unter den Genossen verteilt. Die Arbeiten wurden zu be-
stimmten Taxen nach einem Tarif, der für alle Genossen verbindlich
war, ausgeführt. Der Staat erhob einen Zoll auf das Eisen von 1/120
des Wertes (d’un demi-soiscantième), ausgenommen von dem für die
Nagelfabrikation bestimmten, der armen Nagelschmiede und der
Konkurrenz von Charleroi wegen. Das Verbot, daſs kein Schmied
oder Arbeiter die Arbeit auſser Land tragen durfte, wurde streng
gehandhabt, wurde aber deshalb in schlechten Zeiten zuweilen auch
zur Last. — In Bezug hierauf ist folgendes Bittgesuch der Schmiede
an den Fürstbischof von Lüttich im Jahre 1700 charakteristisch: „Die
Hüttenmeister (maitres des forges) befinden sich mit mehreren
Millionen Potterieguſs belastet, weil die Lütticher Schmiede im
Auslande der Arbeit nachgehen
. Die Gesuchsteller haben sich

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[1211/1233] Belgien im 17. Jahrhundert. 1. Aus den Kaufleuten, beziehungsweise Hüttenherren, welche auf ihre Kosten in den Grafschaften Namur ‘und Luxemburg das grobe Frischeisen beschafften und dasſelbe den Schmiedemeistern lieferten. Diese letzteren bezahlten es nach festgesetzten Preisen und schmiedeten es zu Handelseisen aus, machten Nägel, Bleche u. s. w., kurz, Handels- eisen aller Art. Hier begann alsdann wieder die Thätigkeit des Kauf- mannes, der den auswärtigen Handel besorgte und die Eisenwaren nach Holland, Deutschland, Frankreich und nach England vertrieb. 2. Aus den Schmiedemeistern, von denen ein jeder seinen Spezial- artikel für den Handel verfertigte. 3. Aus den Arbeitern, welche die Meister in ihrer Arbeit unter- stützten und von diesen ihren Lohn erhielten. Die meisten Hammerwerke, welche durch Wasserräder getrieben wurden, verteilten sich gruppenweise entlang den Wasserläufen. Als hauptsächlichstes Brennmaterial diente die Steinkohle, welche zu billigen Preisen aus der Nachbarschaft von Lüttich bezogen wurde. Der billige Brennstoff, die billige Wasserkraft, die Ökonomie der Arbeit in Verbindung mit der überlieferten Geschicklichkeit der Lütti- cher Schmiede, der Wegfall der Generalkosten: Dies Alles trug dazu bei, die Hütten und Hämmer thätig und blühend zu erhalten. Die Benutzung der Gefälle verschiedener kleiner Flüsse bedingte die Teilung der Arbeit in zahlreichen einzelnen Werkstätten, da aber alle demselben Verbande angehörten, so bildeten sie doch gewissermaſsen eine groſse Fabrik. Dem Widerstreit der Interessen zwischen Kaufleuten, Meistern und Arbeitern ward durch landesherrliche Verordnungen vorgebeugt. Aufträge vom Auslande wurden von der Genossenschaft angenommen und unter den Genossen verteilt. Die Arbeiten wurden zu be- stimmten Taxen nach einem Tarif, der für alle Genossen verbindlich war, ausgeführt. Der Staat erhob einen Zoll auf das Eisen von 1/120 des Wertes (d’un demi-soiscantième), ausgenommen von dem für die Nagelfabrikation bestimmten, der armen Nagelschmiede und der Konkurrenz von Charleroi wegen. Das Verbot, daſs kein Schmied oder Arbeiter die Arbeit auſser Land tragen durfte, wurde streng gehandhabt, wurde aber deshalb in schlechten Zeiten zuweilen auch zur Last. — In Bezug hierauf ist folgendes Bittgesuch der Schmiede an den Fürstbischof von Lüttich im Jahre 1700 charakteristisch: „Die Hüttenmeister (maitres des forges) befinden sich mit mehreren Millionen Potterieguſs belastet, weil die Lütticher Schmiede im Auslande der Arbeit nachgehen. Die Gesuchsteller haben sich

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1233>, abgerufen am 18.05.2024.