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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Westfalen im 17. Jahrhundert.
oder groben Militärklingen. Die Solinger Klingenschmiede, die sich
in Eilpe ansiedelten, standen unter der Leitung eines Clemens Engels
aus Solingen. Man räumte ihnen 8 Wohnungen, 1 Stahlhammer,
10 Schmieden und 3 Schleifkotten ein. Bald darauf wurde in ähn-
licher Weise auch zu Wetter die Klingenschmiederei eingeführt.
1664 erhielten die Klingenschmiede zu Wetter ein Privilegium, welches
ihnen allein im Amt Wetter das Recht zusprach, mit Klingen zu
handeln und den Verkauf ausländischer Klingen verbietet.

Diese Verhältnisse übten auf Solingen, wie auf die anderen vor-
mals hochberühmten Waffenplätze, den schwersten Druck aus. Dazu
hatte Solingen ebenfalls im 30jährigen Kriege schwer zu leiden
gehabt. Spanische, brandenburgische, kaiserliche, hessische, schwedi-
sche und oranische Kriegsvölker kämpften um seinen Besitz und am
3. Mai 1630 liessen die Kaiserlichen, welche die Stadt nach tapferer
Gegenwehr erstürmt hatten, eine grosse Zahl der waffenfähigen
Bürger über die Klinge springen. Solingens Wohlstand wurde durch
den Krieg zerrüttet; während aber die Industrie der altberühmten
Waffenplätze Toledo, Armata und Bergamo durch die Ungunst der
Zeitverhältnisse gänzlich zu Grunde gingen, wusste der betriebsame
energische Geist der Solinger Bürgerschaft der Not der Zeit Rech-
nung zu tragen und sich aus dem Elend wieder emporzuarbeiten.
Viel trug hierzu die genossenschaftliche Organisation bei. In ihr, so-
wie in den alten strengen Verordnungen der Bruderschaften suchte
man denn auch das Heil, indem man dieselben erneuerte und ver-
schärfte. Wenn dies auch in gewisser Art ein Anachronismus war,
so erhöhte er doch das Selbstvertrauen und das Standesbewusstsein,
welches die Solinger Eisenarbeiter über alle Schwierigkeiten hinweg-
half. Die Solinger jener Zeit werden geschildert als "fleissige Leute",
voll Selbstvertrauen, die stolz waren auf ihre Privilegien, deshalb
an dem Alten und Hergebrachten hingen, sich aber auch durch An-
hänglichkeit an ihre Heimat, ihre Familie und ihr Gemeinwesen aus-
zeichneten. Ihren Abschluss fanden die Bestrebungen, die alte Zunft-
ordnung wieder aufzurichten, in dem 1687 erlassenen Sechsmanns-
brief
. Darin wurde die alte Lehrlingsordnung erneuert, denn die Güte
der Waren hatte dadurch gelitten, dass die Kaufleute solche von schlecht
ausgebildeten Meistern anfertigen liessen. Die Bestimmungen über
die Lehrzeit und das Meisterstück wurden deshalb von neuem ein-
geschärft. Ebenso die strengen Vorschriften über die Kontrolle, wo-
nach jede Ware doppelt gezeichnet werden musste, mit dem Erb-
zeichen des Meisters und mit dem Schauzeichen der Stadt. Beim

Westfalen im 17. Jahrhundert.
oder groben Militärklingen. Die Solinger Klingenschmiede, die sich
in Eilpe ansiedelten, standen unter der Leitung eines Clemens Engels
aus Solingen. Man räumte ihnen 8 Wohnungen, 1 Stahlhammer,
10 Schmieden und 3 Schleifkotten ein. Bald darauf wurde in ähn-
licher Weise auch zu Wetter die Klingenschmiederei eingeführt.
1664 erhielten die Klingenschmiede zu Wetter ein Privilegium, welches
ihnen allein im Amt Wetter das Recht zusprach, mit Klingen zu
handeln und den Verkauf ausländischer Klingen verbietet.

Diese Verhältnisse übten auf Solingen, wie auf die anderen vor-
mals hochberühmten Waffenplätze, den schwersten Druck aus. Dazu
hatte Solingen ebenfalls im 30jährigen Kriege schwer zu leiden
gehabt. Spanische, brandenburgische, kaiserliche, hessische, schwedi-
sche und oranische Kriegsvölker kämpften um seinen Besitz und am
3. Mai 1630 lieſsen die Kaiserlichen, welche die Stadt nach tapferer
Gegenwehr erstürmt hatten, eine groſse Zahl der waffenfähigen
Bürger über die Klinge springen. Solingens Wohlstand wurde durch
den Krieg zerrüttet; während aber die Industrie der altberühmten
Waffenplätze Toledo, Armata und Bergamo durch die Ungunst der
Zeitverhältnisse gänzlich zu Grunde gingen, wuſste der betriebsame
energische Geist der Solinger Bürgerschaft der Not der Zeit Rech-
nung zu tragen und sich aus dem Elend wieder emporzuarbeiten.
Viel trug hierzu die genossenschaftliche Organisation bei. In ihr, so-
wie in den alten strengen Verordnungen der Bruderschaften suchte
man denn auch das Heil, indem man dieselben erneuerte und ver-
schärfte. Wenn dies auch in gewisser Art ein Anachronismus war,
so erhöhte er doch das Selbstvertrauen und das Standesbewuſstsein,
welches die Solinger Eisenarbeiter über alle Schwierigkeiten hinweg-
half. Die Solinger jener Zeit werden geschildert als „fleiſsige Leute“,
voll Selbstvertrauen, die stolz waren auf ihre Privilegien, deshalb
an dem Alten und Hergebrachten hingen, sich aber auch durch An-
hänglichkeit an ihre Heimat, ihre Familie und ihr Gemeinwesen aus-
zeichneten. Ihren Abschluſs fanden die Bestrebungen, die alte Zunft-
ordnung wieder aufzurichten, in dem 1687 erlassenen Sechsmanns-
brief
. Darin wurde die alte Lehrlingsordnung erneuert, denn die Güte
der Waren hatte dadurch gelitten, daſs die Kaufleute solche von schlecht
ausgebildeten Meistern anfertigen lieſsen. Die Bestimmungen über
die Lehrzeit und das Meisterstück wurden deshalb von neuem ein-
geschärft. Ebenso die strengen Vorschriften über die Kontrolle, wo-
nach jede Ware doppelt gezeichnet werden muſste, mit dem Erb-
zeichen des Meisters und mit dem Schauzeichen der Stadt. Beim

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[1189/1211] Westfalen im 17. Jahrhundert. oder groben Militärklingen. Die Solinger Klingenschmiede, die sich in Eilpe ansiedelten, standen unter der Leitung eines Clemens Engels aus Solingen. Man räumte ihnen 8 Wohnungen, 1 Stahlhammer, 10 Schmieden und 3 Schleifkotten ein. Bald darauf wurde in ähn- licher Weise auch zu Wetter die Klingenschmiederei eingeführt. 1664 erhielten die Klingenschmiede zu Wetter ein Privilegium, welches ihnen allein im Amt Wetter das Recht zusprach, mit Klingen zu handeln und den Verkauf ausländischer Klingen verbietet. Diese Verhältnisse übten auf Solingen, wie auf die anderen vor- mals hochberühmten Waffenplätze, den schwersten Druck aus. Dazu hatte Solingen ebenfalls im 30jährigen Kriege schwer zu leiden gehabt. Spanische, brandenburgische, kaiserliche, hessische, schwedi- sche und oranische Kriegsvölker kämpften um seinen Besitz und am 3. Mai 1630 lieſsen die Kaiserlichen, welche die Stadt nach tapferer Gegenwehr erstürmt hatten, eine groſse Zahl der waffenfähigen Bürger über die Klinge springen. Solingens Wohlstand wurde durch den Krieg zerrüttet; während aber die Industrie der altberühmten Waffenplätze Toledo, Armata und Bergamo durch die Ungunst der Zeitverhältnisse gänzlich zu Grunde gingen, wuſste der betriebsame energische Geist der Solinger Bürgerschaft der Not der Zeit Rech- nung zu tragen und sich aus dem Elend wieder emporzuarbeiten. Viel trug hierzu die genossenschaftliche Organisation bei. In ihr, so- wie in den alten strengen Verordnungen der Bruderschaften suchte man denn auch das Heil, indem man dieselben erneuerte und ver- schärfte. Wenn dies auch in gewisser Art ein Anachronismus war, so erhöhte er doch das Selbstvertrauen und das Standesbewuſstsein, welches die Solinger Eisenarbeiter über alle Schwierigkeiten hinweg- half. Die Solinger jener Zeit werden geschildert als „fleiſsige Leute“, voll Selbstvertrauen, die stolz waren auf ihre Privilegien, deshalb an dem Alten und Hergebrachten hingen, sich aber auch durch An- hänglichkeit an ihre Heimat, ihre Familie und ihr Gemeinwesen aus- zeichneten. Ihren Abschluſs fanden die Bestrebungen, die alte Zunft- ordnung wieder aufzurichten, in dem 1687 erlassenen Sechsmanns- brief. Darin wurde die alte Lehrlingsordnung erneuert, denn die Güte der Waren hatte dadurch gelitten, daſs die Kaufleute solche von schlecht ausgebildeten Meistern anfertigen lieſsen. Die Bestimmungen über die Lehrzeit und das Meisterstück wurden deshalb von neuem ein- geschärft. Ebenso die strengen Vorschriften über die Kontrolle, wo- nach jede Ware doppelt gezeichnet werden muſste, mit dem Erb- zeichen des Meisters und mit dem Schauzeichen der Stadt. Beim

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1211>, abgerufen am 21.05.2024.