dagegen hinsichtlich der Verwaltung der Eisenberg- und Hüttenwerke eine grosse Umwälzung.
Im Jahre 1625 schuf Kaiser Ferdinand II. die Innerberger Hauptgewerkschaft. Bis dahin waren die Gewerken, welche den Eisenstein am Erzberg bauten, die Radmeister, welche die Stücköfen in Eisenerz betrieben, die Hammermeister im St. Gallener Wald und an anderen Plätzen in Obersteiermark und Oberösterreich, sowie die Verleger, die ihren Hauptsitz in der Stadt Steyr hatten, selbständige, unabhängige Gewerbetreibende gewesen. Freilich war ihre Lage keine beneidenswerte; sie lebten von Hand zu Mund und jede Geschäfts- stockung traf die Gewerken hart und einer drückte den anderen: die Verleger die Hammermeister, die Hammermeister die Radmeister. Fand kein hinlänglicher Verschleiss statt, so fehlte es an Geld und die Rad- und Hammermeister sahen sich ausser Stand, den Betrieb fortzuführen. Aus diesem Grund war 1569 durch landesherrlichen Erlass die "Widmung" eingeführt worden, welche den Verlegern einen Verlagszwang bis zu einer gewissen Höhe über ihren Bedarf hinaus auferlegte (siehe Seite 636), wofür denselben gewisse Distrikte zuge- wiesen wurden, welche den erforderlichen Proviant zu liefern hatten. Der Nutzen, den die "Widmung", die also dem Rad- und Hammer- gewerke ermöglichte, bis zu einer bestimmten Grenze auf Vorrat zu arbeiten, brachte, war gering gegenüber dem Nachteil, welchen dieses Zwangsverhältnis ausübte, das sich hauptsächlich in der Unterdrückung jedes Fortschritts äusserte. Die gegenseitige Bedrückung hörte nicht auf und das Risiko des Verlegers, der in schlechten Zeiten gezwungen war, Waren auf Lager zu nehmen, war bedenklich gesteigert. Um zu Geld zu kommen, verschleuderten die Verleger oft ihre Lager zum Nachteil der ganzen Industrie. Um sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen, gewissermassen als eine Versicherung gegen den Wechsel der Konjunktur, hatten die Verleger eine Gesellschaft, die Eisenhandlungskompagnie zu Steyr, zu der ein Jeder seinen Beitrag zu leisten hatte, gegründet. Hatten die religiösen Wirren, die Be- drückung und Austreibung der Protestanten schon vorher das steirische Eisengewerbe schwer geschädigt, so brachte der dreissigjährige Krieg dasselbe alsbald an den Rand des Verderbens. Mehrere Mitglieder der Eisenkompagnie verloren teils ihr Leben, teils ihr Vermögen, teils flohen sie aus dem Lande. Da die Gewerken ihre Schulden nicht be- zahlen konnten, schien der Konkurs der Gesellschaft unvermeidlich. Da schickte Kaiser Ferdinand II., dem an der Erhaltung des steirisch- österreichischen Eisengewerbes gerade in den schweren Kriegszeiten
Steiermark im 17. Jahrhundert.
dagegen hinsichtlich der Verwaltung der Eisenberg- und Hüttenwerke eine groſse Umwälzung.
Im Jahre 1625 schuf Kaiser Ferdinand II. die Innerberger Hauptgewerkschaft. Bis dahin waren die Gewerken, welche den Eisenstein am Erzberg bauten, die Radmeister, welche die Stücköfen in Eisenerz betrieben, die Hammermeister im St. Gallener Wald und an anderen Plätzen in Obersteiermark und Oberösterreich, sowie die Verleger, die ihren Hauptsitz in der Stadt Steyr hatten, selbständige, unabhängige Gewerbetreibende gewesen. Freilich war ihre Lage keine beneidenswerte; sie lebten von Hand zu Mund und jede Geschäfts- stockung traf die Gewerken hart und einer drückte den anderen: die Verleger die Hammermeister, die Hammermeister die Radmeister. Fand kein hinlänglicher Verschleiſs statt, so fehlte es an Geld und die Rad- und Hammermeister sahen sich auſser Stand, den Betrieb fortzuführen. Aus diesem Grund war 1569 durch landesherrlichen Erlaſs die „Widmung“ eingeführt worden, welche den Verlegern einen Verlagszwang bis zu einer gewissen Höhe über ihren Bedarf hinaus auferlegte (siehe Seite 636), wofür denselben gewisse Distrikte zuge- wiesen wurden, welche den erforderlichen Proviant zu liefern hatten. Der Nutzen, den die „Widmung“, die also dem Rad- und Hammer- gewerke ermöglichte, bis zu einer bestimmten Grenze auf Vorrat zu arbeiten, brachte, war gering gegenüber dem Nachteil, welchen dieses Zwangsverhältnis ausübte, das sich hauptsächlich in der Unterdrückung jedes Fortschritts äuſserte. Die gegenseitige Bedrückung hörte nicht auf und das Risiko des Verlegers, der in schlechten Zeiten gezwungen war, Waren auf Lager zu nehmen, war bedenklich gesteigert. Um zu Geld zu kommen, verschleuderten die Verleger oft ihre Lager zum Nachteil der ganzen Industrie. Um sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen, gewissermaſsen als eine Versicherung gegen den Wechsel der Konjunktur, hatten die Verleger eine Gesellschaft, die Eisenhandlungskompagnie zu Steyr, zu der ein Jeder seinen Beitrag zu leisten hatte, gegründet. Hatten die religiösen Wirren, die Be- drückung und Austreibung der Protestanten schon vorher das steirische Eisengewerbe schwer geschädigt, so brachte der dreiſsigjährige Krieg dasselbe alsbald an den Rand des Verderbens. Mehrere Mitglieder der Eisenkompagnie verloren teils ihr Leben, teils ihr Vermögen, teils flohen sie aus dem Lande. Da die Gewerken ihre Schulden nicht be- zahlen konnten, schien der Konkurs der Gesellschaft unvermeidlich. Da schickte Kaiser Ferdinand II., dem an der Erhaltung des steirisch- österreichischen Eisengewerbes gerade in den schweren Kriegszeiten
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Steiermark im 17. Jahrhundert.
dagegen hinsichtlich der Verwaltung der Eisenberg- und Hüttenwerke
eine groſse Umwälzung.
Im Jahre 1625 schuf Kaiser Ferdinand II. die Innerberger
Hauptgewerkschaft. Bis dahin waren die Gewerken, welche den
Eisenstein am Erzberg bauten, die Radmeister, welche die Stücköfen
in Eisenerz betrieben, die Hammermeister im St. Gallener Wald und
an anderen Plätzen in Obersteiermark und Oberösterreich, sowie die
Verleger, die ihren Hauptsitz in der Stadt Steyr hatten, selbständige,
unabhängige Gewerbetreibende gewesen. Freilich war ihre Lage keine
beneidenswerte; sie lebten von Hand zu Mund und jede Geschäfts-
stockung traf die Gewerken hart und einer drückte den anderen: die
Verleger die Hammermeister, die Hammermeister die Radmeister.
Fand kein hinlänglicher Verschleiſs statt, so fehlte es an Geld und
die Rad- und Hammermeister sahen sich auſser Stand, den Betrieb
fortzuführen. Aus diesem Grund war 1569 durch landesherrlichen
Erlaſs die „Widmung“ eingeführt worden, welche den Verlegern einen
Verlagszwang bis zu einer gewissen Höhe über ihren Bedarf hinaus
auferlegte (siehe Seite 636), wofür denselben gewisse Distrikte zuge-
wiesen wurden, welche den erforderlichen Proviant zu liefern hatten.
Der Nutzen, den die „Widmung“, die also dem Rad- und Hammer-
gewerke ermöglichte, bis zu einer bestimmten Grenze auf Vorrat zu
arbeiten, brachte, war gering gegenüber dem Nachteil, welchen dieses
Zwangsverhältnis ausübte, das sich hauptsächlich in der Unterdrückung
jedes Fortschritts äuſserte. Die gegenseitige Bedrückung hörte nicht
auf und das Risiko des Verlegers, der in schlechten Zeiten gezwungen
war, Waren auf Lager zu nehmen, war bedenklich gesteigert. Um
zu Geld zu kommen, verschleuderten die Verleger oft ihre Lager zum
Nachteil der ganzen Industrie. Um sich gegenseitig zu helfen und
zu unterstützen, gewissermaſsen als eine Versicherung gegen den
Wechsel der Konjunktur, hatten die Verleger eine Gesellschaft, die
Eisenhandlungskompagnie zu Steyr, zu der ein Jeder seinen Beitrag
zu leisten hatte, gegründet. Hatten die religiösen Wirren, die Be-
drückung und Austreibung der Protestanten schon vorher das steirische
Eisengewerbe schwer geschädigt, so brachte der dreiſsigjährige Krieg
dasselbe alsbald an den Rand des Verderbens. Mehrere Mitglieder
der Eisenkompagnie verloren teils ihr Leben, teils ihr Vermögen, teils
flohen sie aus dem Lande. Da die Gewerken ihre Schulden nicht be-
zahlen konnten, schien der Konkurs der Gesellschaft unvermeidlich.
Da schickte Kaiser Ferdinand II., dem an der Erhaltung des steirisch-
österreichischen Eisengewerbes gerade in den schweren Kriegszeiten
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1039. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1061>, abgerufen am 22.11.2024.
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