umgeben und dann alle Öffnungen der Öfen (ausgenommen die Ab- stichöffnungen) hermetisch verschlossen. Nunmehr ward das Brenn- material angezündet und die Verbrennung desselben, mit Hilfe rings um die Öfen angebrachter Blasebälge, durch Zufuhr von Luft unter- stützt. Das Blasen wurde während dreier Tage und dreier Nächte nicht eingestellt, d. h. bis zu dem Augenblicke, wo die ganze Bronze geschmolzen und dünn wie Wasser war. Alsdann stiess man die Stichöffnungen auf und liess die Bronze in thönerne Rinnen in die Form fliessen. Dabei wurde nicht nur die ganze innere Höhlung aus- gefüllt, sondern es bildete sich noch über derselben ein 1 Pik (unge- fähr 27 Zoll) dickes Metallstück. In dieser Weise ward der Guss des Geschützes bewerkstelligt."
"Nach dem Erkalten der Bronze wurde die Form auseinander genommen und der Kern entfernt. Demnächst wurde das Metall an allen Stellen gereinigt, abgeschabt und poliert. Mehr ist über die Anfertigung der Kanone nicht zu sagen."
"Jetzt werde ich erörtern, in welcher Weise das Geschütz verwandt wurde. Zuerst brachte man in dasselbe das, was man Pulver nennt. Dieses Pulver füllte den ganzen Raum der Kammer bis zum Anfang des weitern Rohrteils aus, welcher letztere zur Aufnahme der steinernen Kugel bestimmt war. Hierauf verschloss man die Kammer mit einem hölzernen Spiegel und hämmerte denselben mit eisernen Ansatzkolben stark an, damit er völlig dicht das Pulver bedecke und erst infolge des Schusses sich von seiner Stelle bewege. In diesem Spiegel befand sich eine Aushöhlung, in welche die mit dem eisernen Kolben ein- geschobene Kugel gleichfalls eingehämmert wurde."
"Nunmehr gab man dem, auf das zu beschiessende Ziel gerichteten Geschütz nach den Regeln der Kunst und auf Grund der Versuche den erforderlichen Erhöhungswinkel. Dabei schob man einen Balken unter das Geschütz und legte eben solches Gebälk auf und neben das Rohr, damit dieses nicht, infolge der durch den Schuss erzeugten Erschütte- rung, seinen Platz verlasse und am Ziele vorbeitreffe. Schliesslich wurde die Ladung durch eine kleine, hinten am Rohre befindliche Öffnung entzündet, welche hierzu mit einer Pulverspur bestreut war. Bei der Mitteilung des Feuers verpuffte das Feuer schneller, als der Gedanke. Zuerst vernahm man ein schreckliches Geräusch, die Erde bebte unter den Füssen und ringsumher und dann folgte ein betäuben- der Donner. Zugleich mit einem alles versengenden und mit Rauch belegenden Feuerstrome flog, infolge der Wirkung des verbrannten Pulvers auf den Spiegel, die Kugel mit schrecklichem Sausen aus der
Geschützguſs.
umgeben und dann alle Öffnungen der Öfen (ausgenommen die Ab- stichöffnungen) hermetisch verschlossen. Nunmehr ward das Brenn- material angezündet und die Verbrennung desſelben, mit Hilfe rings um die Öfen angebrachter Blasebälge, durch Zufuhr von Luft unter- stützt. Das Blasen wurde während dreier Tage und dreier Nächte nicht eingestellt, d. h. bis zu dem Augenblicke, wo die ganze Bronze geschmolzen und dünn wie Wasser war. Alsdann stieſs man die Stichöffnungen auf und lieſs die Bronze in thönerne Rinnen in die Form flieſsen. Dabei wurde nicht nur die ganze innere Höhlung aus- gefüllt, sondern es bildete sich noch über derselben ein 1 Pik (unge- fähr 27 Zoll) dickes Metallstück. In dieser Weise ward der Guſs des Geschützes bewerkstelligt.“
„Nach dem Erkalten der Bronze wurde die Form auseinander genommen und der Kern entfernt. Demnächst wurde das Metall an allen Stellen gereinigt, abgeschabt und poliert. Mehr ist über die Anfertigung der Kanone nicht zu sagen.“
„Jetzt werde ich erörtern, in welcher Weise das Geschütz verwandt wurde. Zuerst brachte man in dasſelbe das, was man Pulver nennt. Dieses Pulver füllte den ganzen Raum der Kammer bis zum Anfang des weitern Rohrteils aus, welcher letztere zur Aufnahme der steinernen Kugel bestimmt war. Hierauf verschloſs man die Kammer mit einem hölzernen Spiegel und hämmerte denselben mit eisernen Ansatzkolben stark an, damit er völlig dicht das Pulver bedecke und erst infolge des Schusses sich von seiner Stelle bewege. In diesem Spiegel befand sich eine Aushöhlung, in welche die mit dem eisernen Kolben ein- geschobene Kugel gleichfalls eingehämmert wurde.“
„Nunmehr gab man dem, auf das zu beschieſsende Ziel gerichteten Geschütz nach den Regeln der Kunst und auf Grund der Versuche den erforderlichen Erhöhungswinkel. Dabei schob man einen Balken unter das Geschütz und legte eben solches Gebälk auf und neben das Rohr, damit dieses nicht, infolge der durch den Schuſs erzeugten Erschütte- rung, seinen Platz verlasse und am Ziele vorbeitreffe. Schlieſslich wurde die Ladung durch eine kleine, hinten am Rohre befindliche Öffnung entzündet, welche hierzu mit einer Pulverspur bestreut war. Bei der Mitteilung des Feuers verpuffte das Feuer schneller, als der Gedanke. Zuerst vernahm man ein schreckliches Geräusch, die Erde bebte unter den Füſsen und ringsumher und dann folgte ein betäuben- der Donner. Zugleich mit einem alles versengenden und mit Rauch belegenden Feuerstrome flog, infolge der Wirkung des verbrannten Pulvers auf den Spiegel, die Kugel mit schrecklichem Sausen aus der
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[941/0963]
Geschützguſs.
umgeben und dann alle Öffnungen der Öfen (ausgenommen die Ab-
stichöffnungen) hermetisch verschlossen. Nunmehr ward das Brenn-
material angezündet und die Verbrennung desſelben, mit Hilfe rings
um die Öfen angebrachter Blasebälge, durch Zufuhr von Luft unter-
stützt. Das Blasen wurde während dreier Tage und dreier Nächte
nicht eingestellt, d. h. bis zu dem Augenblicke, wo die ganze Bronze
geschmolzen und dünn wie Wasser war. Alsdann stieſs man die
Stichöffnungen auf und lieſs die Bronze in thönerne Rinnen in die
Form flieſsen. Dabei wurde nicht nur die ganze innere Höhlung aus-
gefüllt, sondern es bildete sich noch über derselben ein 1 Pik (unge-
fähr 27 Zoll) dickes Metallstück. In dieser Weise ward der Guſs des
Geschützes bewerkstelligt.“
„Nach dem Erkalten der Bronze wurde die Form auseinander
genommen und der Kern entfernt. Demnächst wurde das Metall an
allen Stellen gereinigt, abgeschabt und poliert. Mehr ist über die
Anfertigung der Kanone nicht zu sagen.“
„Jetzt werde ich erörtern, in welcher Weise das Geschütz verwandt
wurde. Zuerst brachte man in dasſelbe das, was man Pulver nennt.
Dieses Pulver füllte den ganzen Raum der Kammer bis zum Anfang
des weitern Rohrteils aus, welcher letztere zur Aufnahme der steinernen
Kugel bestimmt war. Hierauf verschloſs man die Kammer mit einem
hölzernen Spiegel und hämmerte denselben mit eisernen Ansatzkolben
stark an, damit er völlig dicht das Pulver bedecke und erst infolge
des Schusses sich von seiner Stelle bewege. In diesem Spiegel befand
sich eine Aushöhlung, in welche die mit dem eisernen Kolben ein-
geschobene Kugel gleichfalls eingehämmert wurde.“
„Nunmehr gab man dem, auf das zu beschieſsende Ziel gerichteten
Geschütz nach den Regeln der Kunst und auf Grund der Versuche den
erforderlichen Erhöhungswinkel. Dabei schob man einen Balken unter
das Geschütz und legte eben solches Gebälk auf und neben das Rohr,
damit dieses nicht, infolge der durch den Schuſs erzeugten Erschütte-
rung, seinen Platz verlasse und am Ziele vorbeitreffe. Schlieſslich
wurde die Ladung durch eine kleine, hinten am Rohre befindliche
Öffnung entzündet, welche hierzu mit einer Pulverspur bestreut war.
Bei der Mitteilung des Feuers verpuffte das Feuer schneller, als der
Gedanke. Zuerst vernahm man ein schreckliches Geräusch, die Erde
bebte unter den Füſsen und ringsumher und dann folgte ein betäuben-
der Donner. Zugleich mit einem alles versengenden und mit Rauch
belegenden Feuerstrome flog, infolge der Wirkung des verbrannten
Pulvers auf den Spiegel, die Kugel mit schrecklichem Sausen aus der
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 941. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/963>, abgerufen am 25.11.2024.
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