Unter Kaiser Maximilian bildete sich zuerst eine artilleristische Wissenschaft aus und haben sich seine bezüglichen Einrichtungen lange Zeit erhalten. Aus dieser Zeit stammen die ersten, grösseren Kanonen aus Gusseisen, während man kleine Büchsen, oder richtiger Böller, schon früher aus Eisen gegossen hatte.
Von höchster Wichtigkeit für die Geschichte der Artillerie war die Benutzung des Gusseisens zur Herstellung der Geschosse. Es ist be- kannt, dass Ludwig XI. dieselben um das Jahr 1470 bei der französi- schen Artillerie einführte. Indessen geht die Verwendung gegossener Eisenkugeln viel weiter zurück. Gegossene Eisenkugeln gehören zu den frühesten Zeugen für die Erfindung des Eisengusses.
Als Geschosse dienten ursprünglich Steine, wie es schon bei den Ballisten und Katapulten gebräuchlich gewesen war. Wir haben bereits erwähnt, dass man auch Brandfackeln und eiserne Bolzen schoss. Letztere waren nicht von Gusseisen, sondern geschmiedet, meist vier- kantig. So scheinen auch die eisernen Kugeln, welche man bei dem leichteren Geschütz, namentlich den Handfeuerwaffen vor dem Anfange des 15. Jahrhunderts benutzte, geschmiedet gewesen zu sein.
Steinkugeln erhielten sich bis in das 16. Jahrhundert. Christine de Pisane, der wir in dem merkwürdigen Buch: Livre des faits d'armes
[Abbildung]
Fig. 286.
et de chevalerie die frühesten Nachrichten über das Artilleriewesen verdanken -- dies Buch ist gegen das Jahr 1400 geschrieben -- weiss noch nichts von eisernen Kugeln. Sie schildert eine Belagerung jener Zeit folgendermassen: Als die Verteidiger geschlagen waren, begannen sie mit ihren Kanonen zu schiessen und Feuer und grosse Steine zu schleudern. Das Feuer, welches griechisches war, entzündete alsbald den Belagerungsturm. Sie spricht ferner von dem grossen Lärm der Bombarden und von dem schrecklichen Tone der geschossenen Steine.
Aber schon aus den alten Belagerungsmaschinen hatte man glühend gemachte Eisenstücke zum Zweck der Brandstiftung geschleu- dert. Diese waren Schmiedeeisen. Ebenso fing man schon früh an die Steinkugeln dadurch widerstandsfähiger und wirkungsvoller zu machen, dass man sie mit zwei eisernen Ringen in Kreuzform band (Fig. 286). Die unförmigen Steinkugeln wurden in schweren Karren den Kanonen nachgefahren. Christine von Pisa zählt die für 248 Geschütze erforder- liche Munition auf: "Erstens 150 ganz vollkommen runde Steine für die Kanone von Montfort (grosse Bombarde). Item 120 fertige Steine
Feuerwaffen.
Unter Kaiser Maximilian bildete sich zuerst eine artilleristische Wissenschaft aus und haben sich seine bezüglichen Einrichtungen lange Zeit erhalten. Aus dieser Zeit stammen die ersten, gröſseren Kanonen aus Guſseisen, während man kleine Büchsen, oder richtiger Böller, schon früher aus Eisen gegossen hatte.
Von höchster Wichtigkeit für die Geschichte der Artillerie war die Benutzung des Guſseisens zur Herstellung der Geschosse. Es ist be- kannt, daſs Ludwig XI. dieselben um das Jahr 1470 bei der französi- schen Artillerie einführte. Indessen geht die Verwendung gegossener Eisenkugeln viel weiter zurück. Gegossene Eisenkugeln gehören zu den frühesten Zeugen für die Erfindung des Eisengusses.
Als Geschosse dienten ursprünglich Steine, wie es schon bei den Ballisten und Katapulten gebräuchlich gewesen war. Wir haben bereits erwähnt, daſs man auch Brandfackeln und eiserne Bolzen schoſs. Letztere waren nicht von Guſseisen, sondern geschmiedet, meist vier- kantig. So scheinen auch die eisernen Kugeln, welche man bei dem leichteren Geschütz, namentlich den Handfeuerwaffen vor dem Anfange des 15. Jahrhunderts benutzte, geschmiedet gewesen zu sein.
Steinkugeln erhielten sich bis in das 16. Jahrhundert. Christine de Pisane, der wir in dem merkwürdigen Buch: Livre des faits d’armes
[Abbildung]
Fig. 286.
et de chevalerie die frühesten Nachrichten über das Artilleriewesen verdanken — dies Buch ist gegen das Jahr 1400 geschrieben — weiſs noch nichts von eisernen Kugeln. Sie schildert eine Belagerung jener Zeit folgendermaſsen: Als die Verteidiger geschlagen waren, begannen sie mit ihren Kanonen zu schieſsen und Feuer und groſse Steine zu schleudern. Das Feuer, welches griechisches war, entzündete alsbald den Belagerungsturm. Sie spricht ferner von dem groſsen Lärm der Bombarden und von dem schrecklichen Tone der geschossenen Steine.
Aber schon aus den alten Belagerungsmaschinen hatte man glühend gemachte Eisenstücke zum Zweck der Brandstiftung geschleu- dert. Diese waren Schmiedeeisen. Ebenso fing man schon früh an die Steinkugeln dadurch widerstandsfähiger und wirkungsvoller zu machen, daſs man sie mit zwei eisernen Ringen in Kreuzform band (Fig. 286). Die unförmigen Steinkugeln wurden in schweren Karren den Kanonen nachgefahren. Christine von Pisa zählt die für 248 Geschütze erforder- liche Munition auf: „Erstens 150 ganz vollkommen runde Steine für die Kanone von Montfort (groſse Bombarde). Item 120 fertige Steine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0928"n="906"/><fwplace="top"type="header">Feuerwaffen.</fw><lb/><p>Unter Kaiser Maximilian bildete sich zuerst eine artilleristische<lb/>
Wissenschaft aus und haben sich seine bezüglichen Einrichtungen<lb/>
lange Zeit erhalten. Aus dieser Zeit stammen die ersten, gröſseren<lb/>
Kanonen aus Guſseisen, während man kleine Büchsen, oder richtiger<lb/>
Böller, schon früher aus Eisen gegossen hatte.</p><lb/><p>Von höchster Wichtigkeit für die Geschichte der Artillerie war die<lb/>
Benutzung des Guſseisens zur Herstellung der Geschosse. Es ist be-<lb/>
kannt, daſs Ludwig XI. dieselben um das Jahr 1470 bei der französi-<lb/>
schen Artillerie einführte. Indessen geht die Verwendung gegossener<lb/>
Eisenkugeln viel weiter zurück. Gegossene Eisenkugeln gehören zu<lb/>
den frühesten Zeugen für die Erfindung des Eisengusses.</p><lb/><p>Als Geschosse dienten ursprünglich Steine, wie es schon bei den<lb/>
Ballisten und Katapulten gebräuchlich gewesen war. Wir haben<lb/>
bereits erwähnt, daſs man auch Brandfackeln und eiserne Bolzen schoſs.<lb/>
Letztere waren nicht von Guſseisen, sondern geschmiedet, meist vier-<lb/>
kantig. So scheinen auch die eisernen Kugeln, welche man bei dem<lb/>
leichteren Geschütz, namentlich den Handfeuerwaffen vor dem Anfange<lb/>
des 15. Jahrhunderts benutzte, geschmiedet gewesen zu sein.</p><lb/><p>Steinkugeln erhielten sich bis in das 16. Jahrhundert. Christine<lb/>
de Pisane, der wir in dem merkwürdigen Buch: Livre des faits d’armes<lb/><figure><head>Fig. 286.</head></figure><lb/>
et de chevalerie die frühesten Nachrichten über<lb/>
das Artilleriewesen verdanken — dies Buch ist<lb/>
gegen das Jahr 1400 geschrieben — weiſs noch<lb/>
nichts von eisernen Kugeln. Sie schildert eine<lb/>
Belagerung jener Zeit folgendermaſsen: Als die<lb/>
Verteidiger geschlagen waren, begannen sie mit<lb/>
ihren Kanonen zu schieſsen und Feuer und groſse<lb/>
Steine zu schleudern. Das Feuer, welches griechisches war, entzündete<lb/>
alsbald den Belagerungsturm. Sie spricht ferner von dem groſsen<lb/>
Lärm der Bombarden und von dem schrecklichen Tone der geschossenen<lb/>
Steine.</p><lb/><p>Aber schon aus den alten Belagerungsmaschinen hatte man<lb/>
glühend gemachte Eisenstücke zum Zweck der Brandstiftung geschleu-<lb/>
dert. Diese waren Schmiedeeisen. Ebenso fing man schon früh an die<lb/>
Steinkugeln dadurch widerstandsfähiger und wirkungsvoller zu machen,<lb/>
daſs man sie mit zwei eisernen Ringen in Kreuzform band (Fig. 286).<lb/>
Die unförmigen Steinkugeln wurden in schweren Karren den Kanonen<lb/>
nachgefahren. Christine von Pisa zählt die für 248 Geschütze erforder-<lb/>
liche Munition auf: „Erstens 150 ganz vollkommen runde Steine für<lb/>
die Kanone von Montfort (groſse Bombarde). Item 120 fertige Steine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[906/0928]
Feuerwaffen.
Unter Kaiser Maximilian bildete sich zuerst eine artilleristische
Wissenschaft aus und haben sich seine bezüglichen Einrichtungen
lange Zeit erhalten. Aus dieser Zeit stammen die ersten, gröſseren
Kanonen aus Guſseisen, während man kleine Büchsen, oder richtiger
Böller, schon früher aus Eisen gegossen hatte.
Von höchster Wichtigkeit für die Geschichte der Artillerie war die
Benutzung des Guſseisens zur Herstellung der Geschosse. Es ist be-
kannt, daſs Ludwig XI. dieselben um das Jahr 1470 bei der französi-
schen Artillerie einführte. Indessen geht die Verwendung gegossener
Eisenkugeln viel weiter zurück. Gegossene Eisenkugeln gehören zu
den frühesten Zeugen für die Erfindung des Eisengusses.
Als Geschosse dienten ursprünglich Steine, wie es schon bei den
Ballisten und Katapulten gebräuchlich gewesen war. Wir haben
bereits erwähnt, daſs man auch Brandfackeln und eiserne Bolzen schoſs.
Letztere waren nicht von Guſseisen, sondern geschmiedet, meist vier-
kantig. So scheinen auch die eisernen Kugeln, welche man bei dem
leichteren Geschütz, namentlich den Handfeuerwaffen vor dem Anfange
des 15. Jahrhunderts benutzte, geschmiedet gewesen zu sein.
Steinkugeln erhielten sich bis in das 16. Jahrhundert. Christine
de Pisane, der wir in dem merkwürdigen Buch: Livre des faits d’armes
[Abbildung Fig. 286.]
et de chevalerie die frühesten Nachrichten über
das Artilleriewesen verdanken — dies Buch ist
gegen das Jahr 1400 geschrieben — weiſs noch
nichts von eisernen Kugeln. Sie schildert eine
Belagerung jener Zeit folgendermaſsen: Als die
Verteidiger geschlagen waren, begannen sie mit
ihren Kanonen zu schieſsen und Feuer und groſse
Steine zu schleudern. Das Feuer, welches griechisches war, entzündete
alsbald den Belagerungsturm. Sie spricht ferner von dem groſsen
Lärm der Bombarden und von dem schrecklichen Tone der geschossenen
Steine.
Aber schon aus den alten Belagerungsmaschinen hatte man
glühend gemachte Eisenstücke zum Zweck der Brandstiftung geschleu-
dert. Diese waren Schmiedeeisen. Ebenso fing man schon früh an die
Steinkugeln dadurch widerstandsfähiger und wirkungsvoller zu machen,
daſs man sie mit zwei eisernen Ringen in Kreuzform band (Fig. 286).
Die unförmigen Steinkugeln wurden in schweren Karren den Kanonen
nachgefahren. Christine von Pisa zählt die für 248 Geschütze erforder-
liche Munition auf: „Erstens 150 ganz vollkommen runde Steine für
die Kanone von Montfort (groſse Bombarde). Item 120 fertige Steine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 906. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/928>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.