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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Feuerwaffen.
folgen der Jungfrau von Orleans und zu der raschen Eroberung von
Nordfrankreich bei. Im Jahre 1418 hatte die Belagerung von Rouen
noch 8 Monate, die von Cherbourg sogar 10 Monate in Anspruch
genommen, 1440 lagen die Franzosen noch 4 Monate vor Harfleur,
während im Jahre 1450 die ganze Normandie von Karl VII. in 6 Tagen
erobert wurde, wobei nicht weniger als 60 Städte kapitulierten. Die
Furcht vor den französischen Kanonen war so gross, dass sich manche
Plätze ohne Schuss ergaben. Die grossen Fortschritte verdankte
Frankreich besonders den Gebrüdern Bureau. Um diese Zeit wohl
schon kam der Gebrauch eiserner Kugeln in Frankreich auf, obgleich
dieselben erst unter Ludwig XI. um 1470 zu allgemeiner Anwendung
kamen.

Ludwig XI. und Karl VIII. erwarben sich die grössten Verdienste
um die Ausbildung des französischen Artilleriewesens. Ersterer be-
sonders in seinen Kämpfen gegen Burgund, letzterer in seinem glänzen-
den italienischen Feldzug.

Bei der Belagerung von Konstantinopel 1452 spielte die Artillerie
eine grosse Rolle. Es kam hauptsächlich schwereres Geschütz in An-
wendung. So warfen die Griechen Kugeln von 150 Pfund Gewicht.
Doch sollen diese plumpen Kanonen durch ihre Erschütterung den
Belagerten selbst mehr Schaden gethan haben, als den Belagerern.
Die grösste Kanone war von einem ungarischen Stückgiessermeister
Orban gegossen, es waren 2000 Menschen und 70 Ochsen zum Trans-
port nötig. Sie hatte 34 Zoll Öffnung und sollte Steinkugeln von
850 Pfund werfen und wog 88 Ztr., aber schon beim ersten Schuss
zerplatzte sie und tötete den Künstler.

Deutschland blieb in der Ausbildung des Artilleriewesens nicht
zurück und erwarb sich namentlich Kaiser Maximilian die grössten
Verdienste. Künstler wie Albrecht Dürer arbeiteten an diesem Zweige
der Kriegstechnik. Napoleon giebt folgende Beschreibung des schweren
Geschützes aus dem 16. Jahrhundert: "Der Kaiser (Maximilian) hatte
6 grosse Bombarden von Gusseisen, die nicht auf Lafetten, sondern
auf starken Karren lagen. Wollte man eine Batterie errichten, so hob
man sie ab und legte sie auf einen schweren Holzrahmen. Hinter
diesem war eine Vorrichtung angebracht, um das Rücklaufen des Ge-
schützes zu verhindern. Man schoss grosse Steinkugeln und konnte
aus einem Geschütz höchstens viermal feuern. Über jede Bombarde
war ein Holzdach gebaut, das das Geschütz umgab wie ein Haus, auf
der Vorderseite war eine bewegliche Schartenlade, die beim Abgeben
des Schusses in die Höhe gezogen wurde."


Feuerwaffen.
folgen der Jungfrau von Orleans und zu der raschen Eroberung von
Nordfrankreich bei. Im Jahre 1418 hatte die Belagerung von Rouen
noch 8 Monate, die von Cherbourg sogar 10 Monate in Anspruch
genommen, 1440 lagen die Franzosen noch 4 Monate vor Harfleur,
während im Jahre 1450 die ganze Normandie von Karl VII. in 6 Tagen
erobert wurde, wobei nicht weniger als 60 Städte kapitulierten. Die
Furcht vor den französischen Kanonen war so groſs, daſs sich manche
Plätze ohne Schuſs ergaben. Die groſsen Fortschritte verdankte
Frankreich besonders den Gebrüdern Bureau. Um diese Zeit wohl
schon kam der Gebrauch eiserner Kugeln in Frankreich auf, obgleich
dieselben erst unter Ludwig XI. um 1470 zu allgemeiner Anwendung
kamen.

Ludwig XI. und Karl VIII. erwarben sich die gröſsten Verdienste
um die Ausbildung des französischen Artilleriewesens. Ersterer be-
sonders in seinen Kämpfen gegen Burgund, letzterer in seinem glänzen-
den italienischen Feldzug.

Bei der Belagerung von Konstantinopel 1452 spielte die Artillerie
eine groſse Rolle. Es kam hauptsächlich schwereres Geschütz in An-
wendung. So warfen die Griechen Kugeln von 150 Pfund Gewicht.
Doch sollen diese plumpen Kanonen durch ihre Erschütterung den
Belagerten selbst mehr Schaden gethan haben, als den Belagerern.
Die gröſste Kanone war von einem ungarischen Stückgieſsermeister
Orban gegossen, es waren 2000 Menschen und 70 Ochsen zum Trans-
port nötig. Sie hatte 34 Zoll Öffnung und sollte Steinkugeln von
850 Pfund werfen und wog 88 Ztr., aber schon beim ersten Schuſs
zerplatzte sie und tötete den Künstler.

Deutschland blieb in der Ausbildung des Artilleriewesens nicht
zurück und erwarb sich namentlich Kaiser Maximilian die gröſsten
Verdienste. Künstler wie Albrecht Dürer arbeiteten an diesem Zweige
der Kriegstechnik. Napoleon giebt folgende Beschreibung des schweren
Geschützes aus dem 16. Jahrhundert: „Der Kaiser (Maximilian) hatte
6 groſse Bombarden von Guſseisen, die nicht auf Lafetten, sondern
auf starken Karren lagen. Wollte man eine Batterie errichten, so hob
man sie ab und legte sie auf einen schweren Holzrahmen. Hinter
diesem war eine Vorrichtung angebracht, um das Rücklaufen des Ge-
schützes zu verhindern. Man schoſs groſse Steinkugeln und konnte
aus einem Geschütz höchstens viermal feuern. Über jede Bombarde
war ein Holzdach gebaut, das das Geschütz umgab wie ein Haus, auf
der Vorderseite war eine bewegliche Schartenlade, die beim Abgeben
des Schusses in die Höhe gezogen wurde.“


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[905/0927] Feuerwaffen. folgen der Jungfrau von Orleans und zu der raschen Eroberung von Nordfrankreich bei. Im Jahre 1418 hatte die Belagerung von Rouen noch 8 Monate, die von Cherbourg sogar 10 Monate in Anspruch genommen, 1440 lagen die Franzosen noch 4 Monate vor Harfleur, während im Jahre 1450 die ganze Normandie von Karl VII. in 6 Tagen erobert wurde, wobei nicht weniger als 60 Städte kapitulierten. Die Furcht vor den französischen Kanonen war so groſs, daſs sich manche Plätze ohne Schuſs ergaben. Die groſsen Fortschritte verdankte Frankreich besonders den Gebrüdern Bureau. Um diese Zeit wohl schon kam der Gebrauch eiserner Kugeln in Frankreich auf, obgleich dieselben erst unter Ludwig XI. um 1470 zu allgemeiner Anwendung kamen. Ludwig XI. und Karl VIII. erwarben sich die gröſsten Verdienste um die Ausbildung des französischen Artilleriewesens. Ersterer be- sonders in seinen Kämpfen gegen Burgund, letzterer in seinem glänzen- den italienischen Feldzug. Bei der Belagerung von Konstantinopel 1452 spielte die Artillerie eine groſse Rolle. Es kam hauptsächlich schwereres Geschütz in An- wendung. So warfen die Griechen Kugeln von 150 Pfund Gewicht. Doch sollen diese plumpen Kanonen durch ihre Erschütterung den Belagerten selbst mehr Schaden gethan haben, als den Belagerern. Die gröſste Kanone war von einem ungarischen Stückgieſsermeister Orban gegossen, es waren 2000 Menschen und 70 Ochsen zum Trans- port nötig. Sie hatte 34 Zoll Öffnung und sollte Steinkugeln von 850 Pfund werfen und wog 88 Ztr., aber schon beim ersten Schuſs zerplatzte sie und tötete den Künstler. Deutschland blieb in der Ausbildung des Artilleriewesens nicht zurück und erwarb sich namentlich Kaiser Maximilian die gröſsten Verdienste. Künstler wie Albrecht Dürer arbeiteten an diesem Zweige der Kriegstechnik. Napoleon giebt folgende Beschreibung des schweren Geschützes aus dem 16. Jahrhundert: „Der Kaiser (Maximilian) hatte 6 groſse Bombarden von Guſseisen, die nicht auf Lafetten, sondern auf starken Karren lagen. Wollte man eine Batterie errichten, so hob man sie ab und legte sie auf einen schweren Holzrahmen. Hinter diesem war eine Vorrichtung angebracht, um das Rücklaufen des Ge- schützes zu verhindern. Man schoſs groſse Steinkugeln und konnte aus einem Geschütz höchstens viermal feuern. Über jede Bombarde war ein Holzdach gebaut, das das Geschütz umgab wie ein Haus, auf der Vorderseite war eine bewegliche Schartenlade, die beim Abgeben des Schusses in die Höhe gezogen wurde.“

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 905. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/927>, abgerufen am 24.11.2024.