dem das vorhergehende gehärtet (verstählt) und zerschnitten wer- den kann.
4. Ferrum Indium (bei Anderen indianicum, endanicum, entanicum und andanicum), worunter ursprünglich indischer Stahl verstanden war, der beste Stahl.
Der steirische, kärntnische und krainer Stahl wurde meist als Roh- stahl in Kisten verpackt ausgeführt und an den Fabrikplätzen, nament- lich in den norditalienischen Städten, weiter raffiniert und verarbeitet. Schon als die Römer das cisalpinische Gallien eroberten, existierte diese Stahlindustrie in Comum und Mediolanum. Dasselbe Mailand war es, das im Mittelalter hauptsächlich diese Eisen- und Stahlwaren vertrieb, weshalb im südlichen Europa dieser Stahl auch vielfach als Mailänderstahl in den Handel kam. Durch den Handel der nord- italienischen Seestädte gelangte er früh nach dem Orient. Matthesius erwähnt, die Türken machten aus steirischem Stahl die Schneiden ihrer Klingen, indem sie ihn an ein anderes, weicheres Metall anschweissten. Unter diesem weichen Metalle scheint Matthesius hier nicht weiches Eisen zu verstehen, denn an einem anderen Orte sagt er: "Darum schweisst man vorn an die Schneiden oder Spitzen einen guten Kern- stahel und dahinter ein zähes Eisen, oder wie die türkischen Säbel ein eigen geschmeidig Metall haben, dass die Örter und Klingen nicht so leicht abspringen."
Ebenso ging der deutsche Stahl auch nach dem Westen, nach Frankreich und England. Zum Teil war dies steirischer Stahl, zum Teil westfälischer. Wie oben erwähnt, hatte sich in Westfalen eine eigenartige Stahlindustrie entwickelt, die besonders für den nordischen Handel der Hansa von Wichtigkeit war. Es waren namentlich die Städte Köln, Soest, Attendorn, Minden und Münster, die mit England, den Niederlanden, Skandinavien, Polen und Russland in frühem Ver- kehre standen und mit Stahl handelten.
Zu den ältesten Zunftverbänden gehörte die schon erwähnte Panzergilde in Iserlohn, sowie die Schwertfegergilde in Köln. Kölner Schwerter werden in einem alten Troubadourliede gefeiert. In Aachen waren viele Feinschmiede ansässig und angeblich soll erst der Stadt- brand von Aachen die Büchsenmacher von hier nach Lüttich ver- trieben haben.
Noch höher waren die kunstvollen Stahlarbeiten der flandrischen Städte geschätzt.
Englands eigene Eisenindustrie war im ganzen Mittelalter nicht bedeutend, so dass sie nicht einmal für den eigenen Bedarf genügte;
Stahlfabrikation im Mittelalter.
dem das vorhergehende gehärtet (verstählt) und zerschnitten wer- den kann.
4. Ferrum Indium (bei Anderen indianicum, endanicum, entanicum und andanicum), worunter ursprünglich indischer Stahl verstanden war, der beste Stahl.
Der steirische, kärntnische und krainer Stahl wurde meist als Roh- stahl in Kisten verpackt ausgeführt und an den Fabrikplätzen, nament- lich in den norditalienischen Städten, weiter raffiniert und verarbeitet. Schon als die Römer das cisalpinische Gallien eroberten, existierte diese Stahlindustrie in Comum und Mediolanum. Dasſelbe Mailand war es, das im Mittelalter hauptsächlich diese Eisen- und Stahlwaren vertrieb, weshalb im südlichen Europa dieser Stahl auch vielfach als Mailänderstahl in den Handel kam. Durch den Handel der nord- italienischen Seestädte gelangte er früh nach dem Orient. Matthesius erwähnt, die Türken machten aus steirischem Stahl die Schneiden ihrer Klingen, indem sie ihn an ein anderes, weicheres Metall anschweiſsten. Unter diesem weichen Metalle scheint Matthesius hier nicht weiches Eisen zu verstehen, denn an einem anderen Orte sagt er: „Darum schweiſst man vorn an die Schneiden oder Spitzen einen guten Kern- stahel und dahinter ein zähes Eisen, oder wie die türkischen Säbel ein eigen geschmeidig Metall haben, daſs die Örter und Klingen nicht so leicht abspringen.“
Ebenso ging der deutsche Stahl auch nach dem Westen, nach Frankreich und England. Zum Teil war dies steirischer Stahl, zum Teil westfälischer. Wie oben erwähnt, hatte sich in Westfalen eine eigenartige Stahlindustrie entwickelt, die besonders für den nordischen Handel der Hansa von Wichtigkeit war. Es waren namentlich die Städte Köln, Soest, Attendorn, Minden und Münster, die mit England, den Niederlanden, Skandinavien, Polen und Ruſsland in frühem Ver- kehre standen und mit Stahl handelten.
Zu den ältesten Zunftverbänden gehörte die schon erwähnte Panzergilde in Iserlohn, sowie die Schwertfegergilde in Köln. Kölner Schwerter werden in einem alten Troubadourliede gefeiert. In Aachen waren viele Feinschmiede ansässig und angeblich soll erst der Stadt- brand von Aachen die Büchsenmacher von hier nach Lüttich ver- trieben haben.
Noch höher waren die kunstvollen Stahlarbeiten der flandrischen Städte geschätzt.
Englands eigene Eisenindustrie war im ganzen Mittelalter nicht bedeutend, so daſs sie nicht einmal für den eigenen Bedarf genügte;
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[831/0853]
Stahlfabrikation im Mittelalter.
dem das vorhergehende gehärtet (verstählt) und zerschnitten wer-
den kann.
4. Ferrum Indium (bei Anderen indianicum, endanicum, entanicum
und andanicum), worunter ursprünglich indischer Stahl verstanden
war, der beste Stahl.
Der steirische, kärntnische und krainer Stahl wurde meist als Roh-
stahl in Kisten verpackt ausgeführt und an den Fabrikplätzen, nament-
lich in den norditalienischen Städten, weiter raffiniert und verarbeitet.
Schon als die Römer das cisalpinische Gallien eroberten, existierte
diese Stahlindustrie in Comum und Mediolanum. Dasſelbe Mailand
war es, das im Mittelalter hauptsächlich diese Eisen- und Stahlwaren
vertrieb, weshalb im südlichen Europa dieser Stahl auch vielfach als
Mailänderstahl in den Handel kam. Durch den Handel der nord-
italienischen Seestädte gelangte er früh nach dem Orient. Matthesius
erwähnt, die Türken machten aus steirischem Stahl die Schneiden ihrer
Klingen, indem sie ihn an ein anderes, weicheres Metall anschweiſsten.
Unter diesem weichen Metalle scheint Matthesius hier nicht weiches
Eisen zu verstehen, denn an einem anderen Orte sagt er: „Darum
schweiſst man vorn an die Schneiden oder Spitzen einen guten Kern-
stahel und dahinter ein zähes Eisen, oder wie die türkischen Säbel
ein eigen geschmeidig Metall haben, daſs die Örter und Klingen
nicht so leicht abspringen.“
Ebenso ging der deutsche Stahl auch nach dem Westen, nach
Frankreich und England. Zum Teil war dies steirischer Stahl, zum
Teil westfälischer. Wie oben erwähnt, hatte sich in Westfalen eine
eigenartige Stahlindustrie entwickelt, die besonders für den nordischen
Handel der Hansa von Wichtigkeit war. Es waren namentlich die
Städte Köln, Soest, Attendorn, Minden und Münster, die mit England,
den Niederlanden, Skandinavien, Polen und Ruſsland in frühem Ver-
kehre standen und mit Stahl handelten.
Zu den ältesten Zunftverbänden gehörte die schon erwähnte
Panzergilde in Iserlohn, sowie die Schwertfegergilde in Köln. Kölner
Schwerter werden in einem alten Troubadourliede gefeiert. In Aachen
waren viele Feinschmiede ansässig und angeblich soll erst der Stadt-
brand von Aachen die Büchsenmacher von hier nach Lüttich ver-
trieben haben.
Noch höher waren die kunstvollen Stahlarbeiten der flandrischen
Städte geschätzt.
Englands eigene Eisenindustrie war im ganzen Mittelalter nicht
bedeutend, so daſs sie nicht einmal für den eigenen Bedarf genügte;
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 831. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/853>, abgerufen am 22.11.2024.
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