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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Ausbildung gebracht sehen. In diesem Lande allein nämlich lässt man
die Gewerbetreibenden sich weder an einer anderen Beschäftigung
noch an politischen Dingen beteiligen; sie dürfen vielmehr nur die vom
Gesetz vorgeschriebene und von den Eltern ererbte Kunst betreiben,
so dass weder der Neid eines Meisters, noch politische Parteizwiste sie
hindern können, ihren ganzen Eifer auf diese zu wenden. Anderwärts
hingegen sieht man den Sinn der Handwerker hierhin und dahin ge-
zogen, und aus Gier, reich zu werden, bleiben sie oft nicht bei ihrer
eigentlichen Beschäftigung: Die einen wenden sich dem Landbau zu,
die anderen betreiben zwei oder drei Geschäfte zugleich und in den de-
mokratischen Staaten laufen die meisten in die Volksversammlungen und
helfen den Staat zu Grunde richten, indem sie sich des Gewinns wegen
in den Dienst solcher geben, die sie bezahlen; wenn aber bei den Ägyp-
tern ein Handwerker sich an politischen Dingen beteiligen oder mehrere
Geschäfte zugleich betreiben würde, so verfiele er in schwere Strafen."

Ausser Ackerbauer und Hirten waren die wichtigsten gewerblichen
Zünfte die der Glas-, Metall-, Holz- und Lederarbeiter, die Lein-
weber, Zeugwirker, Buntsticker, Seiler und Teppichwirker, dann die
Färber, Gerber, Gürtler und Papiermacher, die Zimmerleute, Tischler,
Maurer und Steinmetzen, die Tüncher und Maler, sofern sie nicht
Künstler waren, ferner Musikanten, Sänger, Tänzer und endlich die
Kleinkrämer. Jede gewerbliche Zunft hatte in den grossen Städten ihr
eigenes Quartier, das darnach benannt war, wie z. B. das Quartier der
Goldschmiede, der Lederarbeiter u. s. w. Die einzelnen Handwerke
waren streng getrennt; wenn sie auch nicht geradezu erblich waren,
so blieb doch jeder für Lebzeiten bei seinem Handwerk und ein jeder
wetteiferte mit seinem Nachbar, um es ihm zuvorzuthun. Es standen
Strafen darauf, wenn einer in ein anderes Handwerk pfuschte.

Neben den zünftigen Handwerkern gab es allerdings auch noch
Sklaven, denen gewerbliche Vorrichtungen auferlegt wurden. Es waren
Kriegsgefangene, gekaufte Sklaven oder Verbrecher. Vor dem Gesetze
waren diese ebenso geschützt wie die Freien. Sie wurden zu Diensten
im Hause und zu niedrigen technischen Arbeiten verwendet. Ihre Zahl
nahm zu, als Ägypten ein kriegerischer Staat wurde, und ihre Behand-
lung, die früher sehr human gewesen war, wurde im Laufe der Zeit,
insbesondere mit dem zunehmenden Verfall der alten Ordnung und dem
Einfluss der grausamen Denkweise der Asiaten, härter und unmensch-
licher, wie wir an dem Beispiele der Bergwerkssklaven sehen werden.

Die Ackerbauer interessieren uns bei unserer Untersuchung nur
insofern, als der Ackerbau die Grundlage des Wohlstandes Ägyptens

Ägypten.
Ausbildung gebracht sehen. In diesem Lande allein nämlich läſst man
die Gewerbetreibenden sich weder an einer anderen Beschäftigung
noch an politischen Dingen beteiligen; sie dürfen vielmehr nur die vom
Gesetz vorgeschriebene und von den Eltern ererbte Kunst betreiben,
so daſs weder der Neid eines Meisters, noch politische Parteizwiste sie
hindern können, ihren ganzen Eifer auf diese zu wenden. Anderwärts
hingegen sieht man den Sinn der Handwerker hierhin und dahin ge-
zogen, und aus Gier, reich zu werden, bleiben sie oft nicht bei ihrer
eigentlichen Beschäftigung: Die einen wenden sich dem Landbau zu,
die anderen betreiben zwei oder drei Geschäfte zugleich und in den de-
mokratischen Staaten laufen die meisten in die Volksversammlungen und
helfen den Staat zu Grunde richten, indem sie sich des Gewinns wegen
in den Dienst solcher geben, die sie bezahlen; wenn aber bei den Ägyp-
tern ein Handwerker sich an politischen Dingen beteiligen oder mehrere
Geschäfte zugleich betreiben würde, so verfiele er in schwere Strafen.“

Auſser Ackerbauer und Hirten waren die wichtigsten gewerblichen
Zünfte die der Glas-, Metall-, Holz- und Lederarbeiter, die Lein-
weber, Zeugwirker, Buntsticker, Seiler und Teppichwirker, dann die
Färber, Gerber, Gürtler und Papiermacher, die Zimmerleute, Tischler,
Maurer und Steinmetzen, die Tüncher und Maler, sofern sie nicht
Künstler waren, ferner Musikanten, Sänger, Tänzer und endlich die
Kleinkrämer. Jede gewerbliche Zunft hatte in den groſsen Städten ihr
eigenes Quartier, das darnach benannt war, wie z. B. das Quartier der
Goldschmiede, der Lederarbeiter u. s. w. Die einzelnen Handwerke
waren streng getrennt; wenn sie auch nicht geradezu erblich waren,
so blieb doch jeder für Lebzeiten bei seinem Handwerk und ein jeder
wetteiferte mit seinem Nachbar, um es ihm zuvorzuthun. Es standen
Strafen darauf, wenn einer in ein anderes Handwerk pfuschte.

Neben den zünftigen Handwerkern gab es allerdings auch noch
Sklaven, denen gewerbliche Vorrichtungen auferlegt wurden. Es waren
Kriegsgefangene, gekaufte Sklaven oder Verbrecher. Vor dem Gesetze
waren diese ebenso geschützt wie die Freien. Sie wurden zu Diensten
im Hause und zu niedrigen technischen Arbeiten verwendet. Ihre Zahl
nahm zu, als Ägypten ein kriegerischer Staat wurde, und ihre Behand-
lung, die früher sehr human gewesen war, wurde im Laufe der Zeit,
insbesondere mit dem zunehmenden Verfall der alten Ordnung und dem
Einfluſs der grausamen Denkweise der Asiaten, härter und unmensch-
licher, wie wir an dem Beispiele der Bergwerkssklaven sehen werden.

Die Ackerbauer interessieren uns bei unserer Untersuchung nur
insofern, als der Ackerbau die Grundlage des Wohlstandes Ägyptens

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[63/0085] Ägypten. Ausbildung gebracht sehen. In diesem Lande allein nämlich läſst man die Gewerbetreibenden sich weder an einer anderen Beschäftigung noch an politischen Dingen beteiligen; sie dürfen vielmehr nur die vom Gesetz vorgeschriebene und von den Eltern ererbte Kunst betreiben, so daſs weder der Neid eines Meisters, noch politische Parteizwiste sie hindern können, ihren ganzen Eifer auf diese zu wenden. Anderwärts hingegen sieht man den Sinn der Handwerker hierhin und dahin ge- zogen, und aus Gier, reich zu werden, bleiben sie oft nicht bei ihrer eigentlichen Beschäftigung: Die einen wenden sich dem Landbau zu, die anderen betreiben zwei oder drei Geschäfte zugleich und in den de- mokratischen Staaten laufen die meisten in die Volksversammlungen und helfen den Staat zu Grunde richten, indem sie sich des Gewinns wegen in den Dienst solcher geben, die sie bezahlen; wenn aber bei den Ägyp- tern ein Handwerker sich an politischen Dingen beteiligen oder mehrere Geschäfte zugleich betreiben würde, so verfiele er in schwere Strafen.“ Auſser Ackerbauer und Hirten waren die wichtigsten gewerblichen Zünfte die der Glas-, Metall-, Holz- und Lederarbeiter, die Lein- weber, Zeugwirker, Buntsticker, Seiler und Teppichwirker, dann die Färber, Gerber, Gürtler und Papiermacher, die Zimmerleute, Tischler, Maurer und Steinmetzen, die Tüncher und Maler, sofern sie nicht Künstler waren, ferner Musikanten, Sänger, Tänzer und endlich die Kleinkrämer. Jede gewerbliche Zunft hatte in den groſsen Städten ihr eigenes Quartier, das darnach benannt war, wie z. B. das Quartier der Goldschmiede, der Lederarbeiter u. s. w. Die einzelnen Handwerke waren streng getrennt; wenn sie auch nicht geradezu erblich waren, so blieb doch jeder für Lebzeiten bei seinem Handwerk und ein jeder wetteiferte mit seinem Nachbar, um es ihm zuvorzuthun. Es standen Strafen darauf, wenn einer in ein anderes Handwerk pfuschte. Neben den zünftigen Handwerkern gab es allerdings auch noch Sklaven, denen gewerbliche Vorrichtungen auferlegt wurden. Es waren Kriegsgefangene, gekaufte Sklaven oder Verbrecher. Vor dem Gesetze waren diese ebenso geschützt wie die Freien. Sie wurden zu Diensten im Hause und zu niedrigen technischen Arbeiten verwendet. Ihre Zahl nahm zu, als Ägypten ein kriegerischer Staat wurde, und ihre Behand- lung, die früher sehr human gewesen war, wurde im Laufe der Zeit, insbesondere mit dem zunehmenden Verfall der alten Ordnung und dem Einfluſs der grausamen Denkweise der Asiaten, härter und unmensch- licher, wie wir an dem Beispiele der Bergwerkssklaven sehen werden. Die Ackerbauer interessieren uns bei unserer Untersuchung nur insofern, als der Ackerbau die Grundlage des Wohlstandes Ägyptens

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/85>, abgerufen am 23.11.2024.