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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Eisenbereitung im Mittelalter.
ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts wurden solche Bauernöfen noch
betrieben zu Lima, Serna, Orsa und an anderen Orten in Westerdalen in
Schweden, sowie in Aamods und anderen Kirchspielen in Osterdalen
in Norwegen 1). Im Jahre 1828 waren noch Bauernöfen in Nordbotten
im Gange und noch heute betreibt man diese Art Öfen in Finnland,
wo sie merkwürdigerweise öfter in friedlicher Eintracht neben Hoch-
öfen stehen.

Die Eisengewinnung ist in den angeführten nordischen Ländern
uralt. Man findet die Reste alter Schmelzstätten und Schlackenhalden,
auf denen mächtige Bäume gewachsen sind. Solche alte Reste nennen
die Bauern Heidenschmieden ("Hedninge Bläster"), während sie bei
den Finnen "Lappen" oder auch "Harko raudan raviot" heissen,
woraus hervorgeht, dass die Erinnerung des Volkes diese alten Schmelz-
stätten den früheren Ureingeborenen, die von den germanischen und
finnischen Eroberern in den äussersten Norden Europas gedrängt
wurden, zuschreibt.

Alte isländische Runen 2) beschreiben schon deutlich die Ver-
wendung der Morasterze und die Ursachen der ungleichen Eigenschaften
des Eisens. Ebenso erwähnen bereits die ältesten heidnischen Runen
Finnlands der Sumpf- und Morasterze, ja es wird dort bereits an-
geführt, dass man aus dem Sumpfeisen auch Stahl machen kann 3).
Die alten finnischen Öfen waren höchst primitiv und bestanden aus
nicht viel mehr als einem Loch im Boden. Statt der Bälge kamen da-
bei grosse Fächer als Gebläse in Anwendung. Im grauesten Altertum
hatten die Schweden schon Eisenwaffen und im frühen Mittelalter
waren die Goten durch ihre Waffen berühmt. Bis in die fernste
Sagenzeit verliert sich die Kunde der Eisenbereitung. So erzählt die
Sage von Smidur, dem Sohne des Bauern Tuar, der durch seine
Schmiedekunst so berühmt war, dass der Herse von Noatum, der
Bruder des Königs Bose und der Freund des Ostgotenkönigs Herauder,
nicht anstand, ihm seine Tochter zum Weibe zu geben.

Schon im 7. Jahrhundert heisst Schweden "Järnbäraland"
d. h. Mutterland des Eisens
.

In jenen alten Zeiten wurde das Eisen nur aus den Sumpf- und
Morasterzen dargestellt, die nicht durch Bergbau gewonnen zu werden
brauchten. Der Bergbau auf das berühmte schwedische Magneteisen-

1) Blumhofs Einleitung zu Ole Evenstads Abhandl. über die Sumpf- und
Morasterze in Norwegen. Göttingen 1801, p. V.
2) Ganaders, Mythologia
fennica.
3) Indicia mineralogica in Fennia subgentilismo §. III, Praes. Gadd.
Abö 1767.

Eisenbereitung im Mittelalter.
ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts wurden solche Bauernöfen noch
betrieben zu Lima, Serna, Orsa und an anderen Orten in Westerdalen in
Schweden, sowie in Aamods und anderen Kirchspielen in Osterdalen
in Norwegen 1). Im Jahre 1828 waren noch Bauernöfen in Nordbotten
im Gange und noch heute betreibt man diese Art Öfen in Finnland,
wo sie merkwürdigerweise öfter in friedlicher Eintracht neben Hoch-
öfen stehen.

Die Eisengewinnung ist in den angeführten nordischen Ländern
uralt. Man findet die Reste alter Schmelzstätten und Schlackenhalden,
auf denen mächtige Bäume gewachsen sind. Solche alte Reste nennen
die Bauern Heidenschmieden („Hedninge Bläster“), während sie bei
den Finnen „Lappen“ oder auch „Harko raudan raviot“ heiſsen,
woraus hervorgeht, daſs die Erinnerung des Volkes diese alten Schmelz-
stätten den früheren Ureingeborenen, die von den germanischen und
finnischen Eroberern in den äuſsersten Norden Europas gedrängt
wurden, zuschreibt.

Alte isländische Runen 2) beschreiben schon deutlich die Ver-
wendung der Morasterze und die Ursachen der ungleichen Eigenschaften
des Eisens. Ebenso erwähnen bereits die ältesten heidnischen Runen
Finnlands der Sumpf- und Morasterze, ja es wird dort bereits an-
geführt, daſs man aus dem Sumpfeisen auch Stahl machen kann 3).
Die alten finnischen Öfen waren höchst primitiv und bestanden aus
nicht viel mehr als einem Loch im Boden. Statt der Bälge kamen da-
bei groſse Fächer als Gebläse in Anwendung. Im grauesten Altertum
hatten die Schweden schon Eisenwaffen und im frühen Mittelalter
waren die Goten durch ihre Waffen berühmt. Bis in die fernste
Sagenzeit verliert sich die Kunde der Eisenbereitung. So erzählt die
Sage von Smidur, dem Sohne des Bauern Tuar, der durch seine
Schmiedekunst so berühmt war, daſs der Herse von Noatum, der
Bruder des Königs Bose und der Freund des Ostgotenkönigs Herauder,
nicht anstand, ihm seine Tochter zum Weibe zu geben.

Schon im 7. Jahrhundert heiſst Schweden „Järnbäraland“
d. h. Mutterland des Eisens
.

In jenen alten Zeiten wurde das Eisen nur aus den Sumpf- und
Morasterzen dargestellt, die nicht durch Bergbau gewonnen zu werden
brauchten. Der Bergbau auf das berühmte schwedische Magneteisen-

1) Blumhofs Einleitung zu Ole Evenstads Abhandl. über die Sumpf- und
Morasterze in Norwegen. Göttingen 1801, p. V.
2) Ganaders, Mythologia
fennica.
3) Indicia mineralogica in Fennia subgentilismo §. III, Praes. Gadd.
Abö 1767.
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[804/0826] Eisenbereitung im Mittelalter. ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts wurden solche Bauernöfen noch betrieben zu Lima, Serna, Orsa und an anderen Orten in Westerdalen in Schweden, sowie in Aamods und anderen Kirchspielen in Osterdalen in Norwegen 1). Im Jahre 1828 waren noch Bauernöfen in Nordbotten im Gange und noch heute betreibt man diese Art Öfen in Finnland, wo sie merkwürdigerweise öfter in friedlicher Eintracht neben Hoch- öfen stehen. Die Eisengewinnung ist in den angeführten nordischen Ländern uralt. Man findet die Reste alter Schmelzstätten und Schlackenhalden, auf denen mächtige Bäume gewachsen sind. Solche alte Reste nennen die Bauern Heidenschmieden („Hedninge Bläster“), während sie bei den Finnen „Lappen“ oder auch „Harko raudan raviot“ heiſsen, woraus hervorgeht, daſs die Erinnerung des Volkes diese alten Schmelz- stätten den früheren Ureingeborenen, die von den germanischen und finnischen Eroberern in den äuſsersten Norden Europas gedrängt wurden, zuschreibt. Alte isländische Runen 2) beschreiben schon deutlich die Ver- wendung der Morasterze und die Ursachen der ungleichen Eigenschaften des Eisens. Ebenso erwähnen bereits die ältesten heidnischen Runen Finnlands der Sumpf- und Morasterze, ja es wird dort bereits an- geführt, daſs man aus dem Sumpfeisen auch Stahl machen kann 3). Die alten finnischen Öfen waren höchst primitiv und bestanden aus nicht viel mehr als einem Loch im Boden. Statt der Bälge kamen da- bei groſse Fächer als Gebläse in Anwendung. Im grauesten Altertum hatten die Schweden schon Eisenwaffen und im frühen Mittelalter waren die Goten durch ihre Waffen berühmt. Bis in die fernste Sagenzeit verliert sich die Kunde der Eisenbereitung. So erzählt die Sage von Smidur, dem Sohne des Bauern Tuar, der durch seine Schmiedekunst so berühmt war, daſs der Herse von Noatum, der Bruder des Königs Bose und der Freund des Ostgotenkönigs Herauder, nicht anstand, ihm seine Tochter zum Weibe zu geben. Schon im 7. Jahrhundert heiſst Schweden „Järnbäraland“ d. h. Mutterland des Eisens. In jenen alten Zeiten wurde das Eisen nur aus den Sumpf- und Morasterzen dargestellt, die nicht durch Bergbau gewonnen zu werden brauchten. Der Bergbau auf das berühmte schwedische Magneteisen- 1) Blumhofs Einleitung zu Ole Evenstads Abhandl. über die Sumpf- und Morasterze in Norwegen. Göttingen 1801, p. V. 2) Ganaders, Mythologia fennica. 3) Indicia mineralogica in Fennia subgentilismo §. III, Praes. Gadd. Abö 1767.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 804. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/826>, abgerufen am 22.11.2024.