üppigste Vegetation hervorspriessen, die eine zahlreiche Bevölkerung mühelos zu ernähren imstande ist.
Die regelmässigen Überschwemmungen des Nils waren die wich- tigste Kulturbedingung für die Bewohner Ägyptens. Sie zwangen den Hirten Vorkehrungen zu treffen zur Sicherung seiner Herde, den Land- mann zu genauer Feststellung seiner Ackergrenze. Sie nötigten Vor- räte anzusammeln für die wasserreiche Zeit und zum Verkehr auf dem Wasser in Nachen und Schiffen. Sie führten, nachdem man den Nutzen der Überschwemmungen für die Landwirtschaft erkannt hatte, zu Kanalanlagen, die den fruchtbaren Schlamm auch solchen Landes- teilen zuführten, die von der natürlichen Flut nicht erreicht wurden, während man andererseits Dämme errichtete, um den Absatz des Schlammes zu vermehren oder den Lauf des Flusses zu korrigieren. Solche Unternehmen waren zu umfassend, um das Werk Einzelner sein zu können, sie bedingten das Zusammenwirken einer grossen Zahl von Händen. Dieses führte zur Organisation der Gesellschaft, zu ge- setzlicher Ordnung, gemeinschaftlicher Verwaltung, kurz zu einem geordneten Staatswesen, wie wir es in Ägypten so früh ausgebildet finden.
Die Geschichte Ägyptens beginnt, sowohl nach der übereinstimmen- den Überlieferung der Geschichtsschreiber des Altertums, als der auf- gefundenen Königstafeln, mit der Herrschaft des Menes, aus der Land- schaft This. Doch war bereits lange vor Menes Ägypten von einer Be- völkerung bewohnt, die höherer Kultur teilhaftig war. Wenn dies schon aus der uralten Stammeseinteilung, sowie aus den grossartigen Bau- unternehmungen des Menes, die das Vorhandensein zahlreicher fach- kundiger Arbeitskräfte und Intelligenzen, die Kenntnis der Gewinnung und Bearbeitung der Baumaterialien u. s. w. voraussetzt, geschlossen werden kann, so ist dies auch nachgewiesen durch zahlreiche Bohrungen, die von Altertumsforschern im Nilthal gemacht worden sind. Diese haben in grossen Tiefen aus dem angeschwemmten Boden Krüge, Thon- figuren, Steinmesser, in noch grösserer Tiefe Töpferscherben und Ziegel- stücke ans Licht gebracht. Da die Ablagerung des Nilschlammes in grossen Zeiträumen sehr gleichmässig verläuft, so hat man daraus eine Kultur von über 10000 Jahren berechnet.
Über ein Steinzeitalter Ägyptens wissen wir wenig; dass es existiert hat, lässt sich schliessen sowohl aus den oben erwähnten Funden als auch aus der Verwendung steinerner Werkzeuge in historischer Zeit zu gewissen hieratischen Zwecken, z. B. aus dem Gebrauch steinerner Messer zum Öffnen der Bauchhöhlen der Verstorbenen zum Zweck der
Ägypten.
üppigste Vegetation hervorsprieſsen, die eine zahlreiche Bevölkerung mühelos zu ernähren imstande ist.
Die regelmäſsigen Überschwemmungen des Nils waren die wich- tigste Kulturbedingung für die Bewohner Ägyptens. Sie zwangen den Hirten Vorkehrungen zu treffen zur Sicherung seiner Herde, den Land- mann zu genauer Feststellung seiner Ackergrenze. Sie nötigten Vor- räte anzusammeln für die wasserreiche Zeit und zum Verkehr auf dem Wasser in Nachen und Schiffen. Sie führten, nachdem man den Nutzen der Überschwemmungen für die Landwirtschaft erkannt hatte, zu Kanalanlagen, die den fruchtbaren Schlamm auch solchen Landes- teilen zuführten, die von der natürlichen Flut nicht erreicht wurden, während man andererseits Dämme errichtete, um den Absatz des Schlammes zu vermehren oder den Lauf des Flusses zu korrigieren. Solche Unternehmen waren zu umfassend, um das Werk Einzelner sein zu können, sie bedingten das Zusammenwirken einer groſsen Zahl von Händen. Dieses führte zur Organisation der Gesellschaft, zu ge- setzlicher Ordnung, gemeinschaftlicher Verwaltung, kurz zu einem geordneten Staatswesen, wie wir es in Ägypten so früh ausgebildet finden.
Die Geschichte Ägyptens beginnt, sowohl nach der übereinstimmen- den Überlieferung der Geschichtsschreiber des Altertums, als der auf- gefundenen Königstafeln, mit der Herrschaft des Menes, aus der Land- schaft This. Doch war bereits lange vor Menes Ägypten von einer Be- völkerung bewohnt, die höherer Kultur teilhaftig war. Wenn dies schon aus der uralten Stammeseinteilung, sowie aus den groſsartigen Bau- unternehmungen des Menes, die das Vorhandensein zahlreicher fach- kundiger Arbeitskräfte und Intelligenzen, die Kenntnis der Gewinnung und Bearbeitung der Baumaterialien u. s. w. voraussetzt, geschlossen werden kann, so ist dies auch nachgewiesen durch zahlreiche Bohrungen, die von Altertumsforschern im Nilthal gemacht worden sind. Diese haben in groſsen Tiefen aus dem angeschwemmten Boden Krüge, Thon- figuren, Steinmesser, in noch gröſserer Tiefe Töpferscherben und Ziegel- stücke ans Licht gebracht. Da die Ablagerung des Nilschlammes in groſsen Zeiträumen sehr gleichmäſsig verläuft, so hat man daraus eine Kultur von über 10000 Jahren berechnet.
Über ein Steinzeitalter Ägyptens wissen wir wenig; daſs es existiert hat, läſst sich schlieſsen sowohl aus den oben erwähnten Funden als auch aus der Verwendung steinerner Werkzeuge in historischer Zeit zu gewissen hieratischen Zwecken, z. B. aus dem Gebrauch steinerner Messer zum Öffnen der Bauchhöhlen der Verstorbenen zum Zweck der
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Ägypten.
üppigste Vegetation hervorsprieſsen, die eine zahlreiche Bevölkerung
mühelos zu ernähren imstande ist.
Die regelmäſsigen Überschwemmungen des Nils waren die wich-
tigste Kulturbedingung für die Bewohner Ägyptens. Sie zwangen den
Hirten Vorkehrungen zu treffen zur Sicherung seiner Herde, den Land-
mann zu genauer Feststellung seiner Ackergrenze. Sie nötigten Vor-
räte anzusammeln für die wasserreiche Zeit und zum Verkehr auf
dem Wasser in Nachen und Schiffen. Sie führten, nachdem man den
Nutzen der Überschwemmungen für die Landwirtschaft erkannt hatte,
zu Kanalanlagen, die den fruchtbaren Schlamm auch solchen Landes-
teilen zuführten, die von der natürlichen Flut nicht erreicht wurden,
während man andererseits Dämme errichtete, um den Absatz des
Schlammes zu vermehren oder den Lauf des Flusses zu korrigieren.
Solche Unternehmen waren zu umfassend, um das Werk Einzelner
sein zu können, sie bedingten das Zusammenwirken einer groſsen Zahl
von Händen. Dieses führte zur Organisation der Gesellschaft, zu ge-
setzlicher Ordnung, gemeinschaftlicher Verwaltung, kurz zu einem
geordneten Staatswesen, wie wir es in Ägypten so früh ausgebildet
finden.
Die Geschichte Ägyptens beginnt, sowohl nach der übereinstimmen-
den Überlieferung der Geschichtsschreiber des Altertums, als der auf-
gefundenen Königstafeln, mit der Herrschaft des Menes, aus der Land-
schaft This. Doch war bereits lange vor Menes Ägypten von einer Be-
völkerung bewohnt, die höherer Kultur teilhaftig war. Wenn dies schon
aus der uralten Stammeseinteilung, sowie aus den groſsartigen Bau-
unternehmungen des Menes, die das Vorhandensein zahlreicher fach-
kundiger Arbeitskräfte und Intelligenzen, die Kenntnis der Gewinnung
und Bearbeitung der Baumaterialien u. s. w. voraussetzt, geschlossen
werden kann, so ist dies auch nachgewiesen durch zahlreiche Bohrungen,
die von Altertumsforschern im Nilthal gemacht worden sind. Diese
haben in groſsen Tiefen aus dem angeschwemmten Boden Krüge, Thon-
figuren, Steinmesser, in noch gröſserer Tiefe Töpferscherben und Ziegel-
stücke ans Licht gebracht. Da die Ablagerung des Nilschlammes in
groſsen Zeiträumen sehr gleichmäſsig verläuft, so hat man daraus eine
Kultur von über 10000 Jahren berechnet.
Über ein Steinzeitalter Ägyptens wissen wir wenig; daſs es existiert
hat, läſst sich schlieſsen sowohl aus den oben erwähnten Funden als
auch aus der Verwendung steinerner Werkzeuge in historischer Zeit
zu gewissen hieratischen Zwecken, z. B. aus dem Gebrauch steinerner
Messer zum Öffnen der Bauchhöhlen der Verstorbenen zum Zweck der
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/77>, abgerufen am 23.11.2024.
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