Die Eisenerze, aus welchen das Eisen ausgeschmolzen wurde, fanden sich im eigenen Lande und wurden teils an der Oberfläche gesucht und aufgelesen, teils gegraben.
Über den Bergbau der vorkarolingischen und der karolingischen Zeit haben wir nur spärliche Nachrichten. Manche der alten Berg- werke, die schon zur Römerzeit bestanden hatten, wurden von den Germanen fortbetrieben, so scheinen z. B. die norischen Bergwerke nie ganz erlegen zu sein, trotzdem ein germanischer Stamm nach dem anderen in das Land brach. Rugier, Heruler und Alemannen über- fielen im 5. Jahrhundert das Land, bis die Gothen 495 das Land er- oberten. Der ruhige Besitz dauerte aber nur bis zum Jahre 526. Als nach vorübergehenden Einfällen der Hunnen und Avaren dann im 6. und 7. Jahrhundert die Slaven den Ostgothen den Besitz wieder entwunden hatten, lernten auch diese bald das norische Eisen zu ver- arbeiten. Doch wurden sie schon vor dem Beginn des 8. Jahrhunderts von austrasischen Bojuvaren besiegt.
Vom Jahre 712 datiert erst wieder die erste urkundliche Nach- richt des steyrischen Bergbaues und von da ab besteht eine Kontinuität der Überlieferung. Dass aber in der Zeit der gothischen Herrschaft der norische Bergbau nicht ruhte, geht aus den Verordnungen König Theodorichs für seine Waffenschmiede, armorium factores, hervor 1). Ebenso ist es keinem Zweifel unterworfen, dass die norditalienischen Waffenfabriken, welche das Material für ihren Stahl aus Noricum be- zogen, während der Völkerwanderung erhalten blieben, denn nur durch den Besitz dieser alten Industriestädte erlangten die Longobarden ihre vorzügliche, überlegene Bewaffnung, von der Paulus Diaconus sagt 2): "Arma quaeque praecipua sub rege Alboino fabricata fuisse a multis narratur". Dass aber auch die Slaven die reichen Eisenbergwerke im Revier von Vordernberg in Steyermark und von Hüttenberg in Kärnten ausbeuteten, geht nicht nur aus vielen noch heute bestehenden Namen von benachbarten Orten und Bächen hervor, sondern es haben sich sogar bis heute einzelne slavische Namen für technische Verrichtungen und Werkzeuge erhalten 3). Der Überlieferung nach soll früher zu
1) Cassiod. Variar. III, 25, 26; VII, 18, 29.
2) Paul Diacon. hist. O.: Longob. I, 27.
3) Münichsdorfer a. a. O. 9.
Die Germanen.
Der Eisensteinbergbau im frühen Mittelalter.
Die Eisenerze, aus welchen das Eisen ausgeschmolzen wurde, fanden sich im eigenen Lande und wurden teils an der Oberfläche gesucht und aufgelesen, teils gegraben.
Über den Bergbau der vorkarolingischen und der karolingischen Zeit haben wir nur spärliche Nachrichten. Manche der alten Berg- werke, die schon zur Römerzeit bestanden hatten, wurden von den Germanen fortbetrieben, so scheinen z. B. die norischen Bergwerke nie ganz erlegen zu sein, trotzdem ein germanischer Stamm nach dem anderen in das Land brach. Rugier, Heruler und Alemannen über- fielen im 5. Jahrhundert das Land, bis die Gothen 495 das Land er- oberten. Der ruhige Besitz dauerte aber nur bis zum Jahre 526. Als nach vorübergehenden Einfällen der Hunnen und Avaren dann im 6. und 7. Jahrhundert die Slaven den Ostgothen den Besitz wieder entwunden hatten, lernten auch diese bald das norische Eisen zu ver- arbeiten. Doch wurden sie schon vor dem Beginn des 8. Jahrhunderts von austrasischen Bojuvaren besiegt.
Vom Jahre 712 datiert erst wieder die erste urkundliche Nach- richt des steyrischen Bergbaues und von da ab besteht eine Kontinuität der Überlieferung. Daſs aber in der Zeit der gothischen Herrschaft der norische Bergbau nicht ruhte, geht aus den Verordnungen König Theodorichs für seine Waffenschmiede, armorium factores, hervor 1). Ebenso ist es keinem Zweifel unterworfen, daſs die norditalienischen Waffenfabriken, welche das Material für ihren Stahl aus Noricum be- zogen, während der Völkerwanderung erhalten blieben, denn nur durch den Besitz dieser alten Industriestädte erlangten die Longobarden ihre vorzügliche, überlegene Bewaffnung, von der Paulus Diaconus sagt 2): „Arma quaeque praecipua sub rege Alboino fabricata fuisse a multis narratur“. Daſs aber auch die Slaven die reichen Eisenbergwerke im Revier von Vordernberg in Steyermark und von Hüttenberg in Kärnten ausbeuteten, geht nicht nur aus vielen noch heute bestehenden Namen von benachbarten Orten und Bächen hervor, sondern es haben sich sogar bis heute einzelne slavische Namen für technische Verrichtungen und Werkzeuge erhalten 3). Der Überlieferung nach soll früher zu
1) Cassiod. Variar. III, 25, 26; VII, 18, 29.
2) Paul Diacon. hist. O.: Longob. I, 27.
3) Münichsdorfer a. a. O. 9.
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[730/0752]
Die Germanen.
Der Eisensteinbergbau im frühen Mittelalter.
Die Eisenerze, aus welchen das Eisen ausgeschmolzen wurde, fanden
sich im eigenen Lande und wurden teils an der Oberfläche gesucht
und aufgelesen, teils gegraben.
Über den Bergbau der vorkarolingischen und der karolingischen
Zeit haben wir nur spärliche Nachrichten. Manche der alten Berg-
werke, die schon zur Römerzeit bestanden hatten, wurden von den
Germanen fortbetrieben, so scheinen z. B. die norischen Bergwerke nie
ganz erlegen zu sein, trotzdem ein germanischer Stamm nach dem
anderen in das Land brach. Rugier, Heruler und Alemannen über-
fielen im 5. Jahrhundert das Land, bis die Gothen 495 das Land er-
oberten. Der ruhige Besitz dauerte aber nur bis zum Jahre 526. Als
nach vorübergehenden Einfällen der Hunnen und Avaren dann im
6. und 7. Jahrhundert die Slaven den Ostgothen den Besitz wieder
entwunden hatten, lernten auch diese bald das norische Eisen zu ver-
arbeiten. Doch wurden sie schon vor dem Beginn des 8. Jahrhunderts
von austrasischen Bojuvaren besiegt.
Vom Jahre 712 datiert erst wieder die erste urkundliche Nach-
richt des steyrischen Bergbaues und von da ab besteht eine Kontinuität
der Überlieferung. Daſs aber in der Zeit der gothischen Herrschaft
der norische Bergbau nicht ruhte, geht aus den Verordnungen König
Theodorichs für seine Waffenschmiede, armorium factores, hervor 1).
Ebenso ist es keinem Zweifel unterworfen, daſs die norditalienischen
Waffenfabriken, welche das Material für ihren Stahl aus Noricum be-
zogen, während der Völkerwanderung erhalten blieben, denn nur durch
den Besitz dieser alten Industriestädte erlangten die Longobarden ihre
vorzügliche, überlegene Bewaffnung, von der Paulus Diaconus sagt 2):
„Arma quaeque praecipua sub rege Alboino fabricata fuisse a multis
narratur“. Daſs aber auch die Slaven die reichen Eisenbergwerke im
Revier von Vordernberg in Steyermark und von Hüttenberg in Kärnten
ausbeuteten, geht nicht nur aus vielen noch heute bestehenden Namen
von benachbarten Orten und Bächen hervor, sondern es haben sich
sogar bis heute einzelne slavische Namen für technische Verrichtungen
und Werkzeuge erhalten 3). Der Überlieferung nach soll früher zu
1) Cassiod. Variar. III, 25, 26; VII, 18, 29.
2) Paul Diacon. hist. O.:
Longob. I, 27.
3) Münichsdorfer a. a. O. 9.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/752>, abgerufen am 22.11.2024.
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