rend die vielen hundert burgundischen Gräber bei Charnay nur 20 Beile lieferten und das durchschnittliche Vorkommen der Axt im westlichen Frankreich nur das Verhältnis von 1 auf 36 Gräber erreicht, steigt es bei den Frankengräbern in Belgien auf 1 zu 6, in den Rheinlanden oft auf 1 zu 5 oder selbst 1 zu 4. Bei Gregor von Tours gilt gerade die Axt als das Hauptinstrument des Mordes, was sich wohl zunächst daraus erklärt, dass es jeder Franke ständig bei sich trug. "Als Waffe muss aber die Axt schon gegen das Ende der merovingischen Periode allmählich durch das Schwert verdrängt worden sein. Schon Karl der Grosse führte sie in seiner Verordnung über die vollständige Ausrüstung des Heerbannes nicht mehr auf und im zehnten Jahrhundert war die Wurfaxt nur noch aus den Überlieferungen der Vorzeit bekannt 1)." Dagegen kam die Wurfaxt bei den Angelsachsen erst später in allgemeinen Gebrauch und spielt im Kampfe gegen die Normannen eine wichtige Rolle. Der Beilwurf mit der englischen taper-axe erscheint auch in einer Verordnung des Königs Kanut als das Ausmass für die Bestimmung des Raumes, ähnlich dem Hammer- wurf in Deutschland. Später hiess das Wurfbeil geradezu das eng- lische Beil 2).
Das Messer ist das einfachste und älteste Schneidwerkzeug. Es war auch das erste eiserne Instrument. Ursprünglich für die täg- lichen Bedürfnisse bestimmt, entwickelte es sich bald zur Waffe. Das deutsche Messer, aus dem sich das volkstümliche Kurzschwert ent- wickelte, heisst sax (altd. sahs, angels. seax). Die Messer der älteren Gräber sind etwas nach rückwärts gebogen (Fig. 233), während die Messer der merovingischen Zeit gerade sind, so dass die Spitze ent- weder in der Mitte der Klinge, oder am Ende der Schneide sich befindet (Fig. 234). Die gebogene Form erinnert an die Bronzemesser und dürfte deshalb eine fremdländische Form sein. Das Messer zum Hausgebrauch bildet nur den Übergang zu der starken Hiebwaffe, dem Scramasax.
Lindenschmit unterscheidet drei Hauptgattungen des Sax 3). Die erste ist eine kleinere Art (Fig. 235), durchschnittlich 22 bis 33 cm lang, diente als Dolch und wird oft neben dem grossen Hiebmesser und dem Schwerte gefunden. Sie hat ein langes Heft und diente gewiss auch als Wurfwaffe. Das Messerwerfen, das sich in Tirol und Italien noch erhalten hat, ist ein alter Sport der Germanen. Der alte Hildebrandt schildert, wie Wolfdietrich darin seinen Lehrmeister Bechtung übertraf.
1) Lindenschmit.
2) Fischart, Gargantua.
3) Lindenschmit a. a. O. 206 etc.
Die Germanen.
rend die vielen hundert burgundischen Gräber bei Charnay nur 20 Beile lieferten und das durchschnittliche Vorkommen der Axt im westlichen Frankreich nur das Verhältnis von 1 auf 36 Gräber erreicht, steigt es bei den Frankengräbern in Belgien auf 1 zu 6, in den Rheinlanden oft auf 1 zu 5 oder selbst 1 zu 4. Bei Gregor von Tours gilt gerade die Axt als das Hauptinstrument des Mordes, was sich wohl zunächst daraus erklärt, daſs es jeder Franke ständig bei sich trug. „Als Waffe muſs aber die Axt schon gegen das Ende der merovingischen Periode allmählich durch das Schwert verdrängt worden sein. Schon Karl der Groſse führte sie in seiner Verordnung über die vollständige Ausrüstung des Heerbannes nicht mehr auf und im zehnten Jahrhundert war die Wurfaxt nur noch aus den Überlieferungen der Vorzeit bekannt 1).“ Dagegen kam die Wurfaxt bei den Angelsachsen erst später in allgemeinen Gebrauch und spielt im Kampfe gegen die Normannen eine wichtige Rolle. Der Beilwurf mit der englischen taper-axe erscheint auch in einer Verordnung des Königs Kanut als das Ausmaſs für die Bestimmung des Raumes, ähnlich dem Hammer- wurf in Deutschland. Später hieſs das Wurfbeil geradezu das eng- lische Beil 2).
Das Messer ist das einfachste und älteste Schneidwerkzeug. Es war auch das erste eiserne Instrument. Ursprünglich für die täg- lichen Bedürfnisse bestimmt, entwickelte es sich bald zur Waffe. Das deutsche Messer, aus dem sich das volkstümliche Kurzschwert ent- wickelte, heiſst sax (altd. sahs, angels. seax). Die Messer der älteren Gräber sind etwas nach rückwärts gebogen (Fig. 233), während die Messer der merovingischen Zeit gerade sind, so daſs die Spitze ent- weder in der Mitte der Klinge, oder am Ende der Schneide sich befindet (Fig. 234). Die gebogene Form erinnert an die Bronzemesser und dürfte deshalb eine fremdländische Form sein. Das Messer zum Hausgebrauch bildet nur den Übergang zu der starken Hiebwaffe, dem Scramasax.
Lindenschmit unterscheidet drei Hauptgattungen des Sax 3). Die erste ist eine kleinere Art (Fig. 235), durchschnittlich 22 bis 33 cm lang, diente als Dolch und wird oft neben dem groſsen Hiebmesser und dem Schwerte gefunden. Sie hat ein langes Heft und diente gewiſs auch als Wurfwaffe. Das Messerwerfen, das sich in Tirol und Italien noch erhalten hat, ist ein alter Sport der Germanen. Der alte Hildebrandt schildert, wie Wolfdietrich darin seinen Lehrmeister Bechtung übertraf.
1) Lindenschmit.
2) Fischart, Gargantua.
3) Lindenschmit a. a. O. 206 etc.
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Die Germanen.
rend die vielen hundert burgundischen Gräber bei Charnay nur
20 Beile lieferten und das durchschnittliche Vorkommen der Axt
im westlichen Frankreich nur das Verhältnis von 1 auf 36 Gräber
erreicht, steigt es bei den Frankengräbern in Belgien auf 1 zu 6, in
den Rheinlanden oft auf 1 zu 5 oder selbst 1 zu 4. Bei Gregor von
Tours gilt gerade die Axt als das Hauptinstrument des Mordes, was
sich wohl zunächst daraus erklärt, daſs es jeder Franke ständig bei
sich trug. „Als Waffe muſs aber die Axt schon gegen das Ende der
merovingischen Periode allmählich durch das Schwert verdrängt worden
sein. Schon Karl der Groſse führte sie in seiner Verordnung über die
vollständige Ausrüstung des Heerbannes nicht mehr auf und im zehnten
Jahrhundert war die Wurfaxt nur noch aus den Überlieferungen der
Vorzeit bekannt 1).“ Dagegen kam die Wurfaxt bei den Angelsachsen
erst später in allgemeinen Gebrauch und spielt im Kampfe gegen die
Normannen eine wichtige Rolle. Der Beilwurf mit der englischen
taper-axe erscheint auch in einer Verordnung des Königs Kanut als
das Ausmaſs für die Bestimmung des Raumes, ähnlich dem Hammer-
wurf in Deutschland. Später hieſs das Wurfbeil geradezu das eng-
lische Beil 2).
Das Messer ist das einfachste und älteste Schneidwerkzeug. Es
war auch das erste eiserne Instrument. Ursprünglich für die täg-
lichen Bedürfnisse bestimmt, entwickelte es sich bald zur Waffe. Das
deutsche Messer, aus dem sich das volkstümliche Kurzschwert ent-
wickelte, heiſst sax (altd. sahs, angels. seax). Die Messer der älteren
Gräber sind etwas nach rückwärts gebogen (Fig. 233), während die
Messer der merovingischen Zeit gerade sind, so daſs die Spitze ent-
weder in der Mitte der Klinge, oder am Ende der Schneide sich
befindet (Fig. 234). Die gebogene Form erinnert an die Bronzemesser
und dürfte deshalb eine fremdländische Form sein. Das Messer zum
Hausgebrauch bildet nur den Übergang zu der starken Hiebwaffe, dem
Scramasax.
Lindenschmit unterscheidet drei Hauptgattungen des Sax 3). Die
erste ist eine kleinere Art (Fig. 235), durchschnittlich 22 bis 33 cm
lang, diente als Dolch und wird oft neben dem groſsen Hiebmesser und
dem Schwerte gefunden. Sie hat ein langes Heft und diente gewiſs auch
als Wurfwaffe. Das Messerwerfen, das sich in Tirol und Italien noch
erhalten hat, ist ein alter Sport der Germanen. Der alte Hildebrandt
schildert, wie Wolfdietrich darin seinen Lehrmeister Bechtung übertraf.
1) Lindenschmit.
2) Fischart, Gargantua.
3) Lindenschmit a. a. O. 206 etc.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/732>, abgerufen am 22.11.2024.
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