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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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anlasste, gehören die Ausgrabungen bei Bibrakte, der Hauptstadt der
Äduer, welche von Bulliot geleitet und beschrieben wurden 1). Es
wurden dort umfassende Werkstätten freigelegt, welche den Beweis
liefern, dass Bibrakte ein hervorragender Industrie- und Waffen-
platz war.

Die Schmiedewerkstätte von 5,50 m Front und 6,50 m Tiefe be-
stand, wie die meisten anderen Werkstätten aus einem Gebäude aus
Holz und Fachwerk mit Strohdach ohne Fundamentierung. Grosse
behauene Sandsteine, die in den Lehmboden eingelassen waren, bildeten
eine feste Tenne von 60 cm Dicke, angemessen den Bedürfnissen des
Geschäftes. Der Ambossstock des gallischen Schmiedes war in einer
Vertiefung eingesenkt, in welcher nach einer eigentümlichen Sitte die
Aschenreste des Schmiedes nach seinem Tode beigesetzt wurden und
so seine eigenen Überreste die Stelle des wichtigsten Werkzeugs seiner
Arbeit einnahmen. In den Trümmern dieser Schmiede, die jedenfalls
zufällig oder unerwartet abbrannte, fanden sich 11 gallische Münzen
und eine Anzahl Werkzeuge. Die wichtigsten darunter waren das
Bruchstück eines Ambosses, Poliersteine, 4 Wetzsteine, ein Kaltmeissel,
eine grosse Lanze mit hohler Dülle, das Fragment eines Schwertes,
ferner zahlreiche Eisenschlacken mit Holzkohlen geschmolzen, dann
ein Nachschlüssel (Dietrich), Nägel von allen Dimensionen, 22 Bruch-
stücke von Tiegeln, Zangen um das glühende Eisen zu fassen, ähnlich
den Luppenzangen, deren Schenkel durch Ringe zusammengehalten
wurden, entsprechend dem Bilde von Sens (Fig. 119). Aus den galli-
schen Münzen lässt sich auf die Zeit schliessen. Eine Kohlendecke
von 30 cm Dicke war von einer zweiten Erdschicht überdeckt, die
ausser den erwähnten Geräten Bruchstücke von Kiesel enthielt, ferner
einen Ring, 3 Fibeln und die Kugel eines Halsbandes von Bronze, einen
Griffel oder Grabstichel von Eisen, eine Mühle mit drei Füssen von
Stein und Knochen, die durch den Kontakt mit Kupfer grün und
glänzend wie Smaragd geworden waren. Die mannigfaltigsten Glas-
bruchstücke erhöhten das Interesse dieser merkwürdigen Wohnstätte.
Die barbarischsten Stücke waren dicke Deckel aus gelbem Thon,
schlecht gebrannt und modelliert in Gestalt einer Scheibe mit koni-
schem Knopf in der Mitte, von dem unregelmässige Strahlen nach dem
Rande zu liefen. Die zahlreichen Bruchstücke von Thongefässen lassen
vermuten, dass der Schmied gleichzeitig ein Topfflicker war (durch

1) Fouilles de Bibrakte de Bulliot, Revue Archeologique 1869, p. 315 etc.,
bes. Fouilles du mont Beuvray.
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anlaſste, gehören die Ausgrabungen bei Bibrakte, der Hauptstadt der
Äduer, welche von Bulliot geleitet und beschrieben wurden 1). Es
wurden dort umfassende Werkstätten freigelegt, welche den Beweis
liefern, daſs Bibrakte ein hervorragender Industrie- und Waffen-
platz war.

Die Schmiedewerkstätte von 5,50 m Front und 6,50 m Tiefe be-
stand, wie die meisten anderen Werkstätten aus einem Gebäude aus
Holz und Fachwerk mit Strohdach ohne Fundamentierung. Groſse
behauene Sandsteine, die in den Lehmboden eingelassen waren, bildeten
eine feste Tenne von 60 cm Dicke, angemessen den Bedürfnissen des
Geschäftes. Der Amboſsstock des gallischen Schmiedes war in einer
Vertiefung eingesenkt, in welcher nach einer eigentümlichen Sitte die
Aschenreste des Schmiedes nach seinem Tode beigesetzt wurden und
so seine eigenen Überreste die Stelle des wichtigsten Werkzeugs seiner
Arbeit einnahmen. In den Trümmern dieser Schmiede, die jedenfalls
zufällig oder unerwartet abbrannte, fanden sich 11 gallische Münzen
und eine Anzahl Werkzeuge. Die wichtigsten darunter waren das
Bruchstück eines Amboſses, Poliersteine, 4 Wetzsteine, ein Kaltmeiſsel,
eine groſse Lanze mit hohler Dülle, das Fragment eines Schwertes,
ferner zahlreiche Eisenschlacken mit Holzkohlen geschmolzen, dann
ein Nachschlüssel (Dietrich), Nägel von allen Dimensionen, 22 Bruch-
stücke von Tiegeln, Zangen um das glühende Eisen zu fassen, ähnlich
den Luppenzangen, deren Schenkel durch Ringe zusammengehalten
wurden, entsprechend dem Bilde von Sens (Fig. 119). Aus den galli-
schen Münzen läſst sich auf die Zeit schlieſsen. Eine Kohlendecke
von 30 cm Dicke war von einer zweiten Erdschicht überdeckt, die
auſser den erwähnten Geräten Bruchstücke von Kiesel enthielt, ferner
einen Ring, 3 Fibeln und die Kugel eines Halsbandes von Bronze, einen
Griffel oder Grabstichel von Eisen, eine Mühle mit drei Füſsen von
Stein und Knochen, die durch den Kontakt mit Kupfer grün und
glänzend wie Smaragd geworden waren. Die mannigfaltigsten Glas-
bruchstücke erhöhten das Interesse dieser merkwürdigen Wohnstätte.
Die barbarischsten Stücke waren dicke Deckel aus gelbem Thon,
schlecht gebrannt und modelliert in Gestalt einer Scheibe mit koni-
schem Knopf in der Mitte, von dem unregelmäſsige Strahlen nach dem
Rande zu liefen. Die zahlreichen Bruchstücke von Thongefäſsen lassen
vermuten, daſs der Schmied gleichzeitig ein Topfflicker war (durch

1) Fouilles de Bibrakte de Bulliot, Revue Archeologique 1869, p. 315 etc.,
bes. Fouilles du mont Beuvray.
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[659/0681] Gallien. anlaſste, gehören die Ausgrabungen bei Bibrakte, der Hauptstadt der Äduer, welche von Bulliot geleitet und beschrieben wurden 1). Es wurden dort umfassende Werkstätten freigelegt, welche den Beweis liefern, daſs Bibrakte ein hervorragender Industrie- und Waffen- platz war. Die Schmiedewerkstätte von 5,50 m Front und 6,50 m Tiefe be- stand, wie die meisten anderen Werkstätten aus einem Gebäude aus Holz und Fachwerk mit Strohdach ohne Fundamentierung. Groſse behauene Sandsteine, die in den Lehmboden eingelassen waren, bildeten eine feste Tenne von 60 cm Dicke, angemessen den Bedürfnissen des Geschäftes. Der Amboſsstock des gallischen Schmiedes war in einer Vertiefung eingesenkt, in welcher nach einer eigentümlichen Sitte die Aschenreste des Schmiedes nach seinem Tode beigesetzt wurden und so seine eigenen Überreste die Stelle des wichtigsten Werkzeugs seiner Arbeit einnahmen. In den Trümmern dieser Schmiede, die jedenfalls zufällig oder unerwartet abbrannte, fanden sich 11 gallische Münzen und eine Anzahl Werkzeuge. Die wichtigsten darunter waren das Bruchstück eines Amboſses, Poliersteine, 4 Wetzsteine, ein Kaltmeiſsel, eine groſse Lanze mit hohler Dülle, das Fragment eines Schwertes, ferner zahlreiche Eisenschlacken mit Holzkohlen geschmolzen, dann ein Nachschlüssel (Dietrich), Nägel von allen Dimensionen, 22 Bruch- stücke von Tiegeln, Zangen um das glühende Eisen zu fassen, ähnlich den Luppenzangen, deren Schenkel durch Ringe zusammengehalten wurden, entsprechend dem Bilde von Sens (Fig. 119). Aus den galli- schen Münzen läſst sich auf die Zeit schlieſsen. Eine Kohlendecke von 30 cm Dicke war von einer zweiten Erdschicht überdeckt, die auſser den erwähnten Geräten Bruchstücke von Kiesel enthielt, ferner einen Ring, 3 Fibeln und die Kugel eines Halsbandes von Bronze, einen Griffel oder Grabstichel von Eisen, eine Mühle mit drei Füſsen von Stein und Knochen, die durch den Kontakt mit Kupfer grün und glänzend wie Smaragd geworden waren. Die mannigfaltigsten Glas- bruchstücke erhöhten das Interesse dieser merkwürdigen Wohnstätte. Die barbarischsten Stücke waren dicke Deckel aus gelbem Thon, schlecht gebrannt und modelliert in Gestalt einer Scheibe mit koni- schem Knopf in der Mitte, von dem unregelmäſsige Strahlen nach dem Rande zu liefen. Die zahlreichen Bruchstücke von Thongefäſsen lassen vermuten, daſs der Schmied gleichzeitig ein Topfflicker war (durch 1) Fouilles de Bibrakte de Bulliot, Revue Archeologique 1869, p. 315 etc., bes. Fouilles du mont Beuvray. 42*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/681>, abgerufen am 22.11.2024.