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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Einleitung zum Mittelalter.
einzigen Exemplar einer Spiralfibel und in verschiedenen Ringen,
Knöpfen, Kleiderschliessen und Gürtelhaken. Die technische Behand-
lung erweist sich auch hier als eine vorzügliche und tritt an den
äusserst präzis gearbeiteten, oft ungemein zierlich und fein gerippten
Klingen der Schwerter und Dolche besonders hervor. Das Material
ist vortrefflich und sehr rein; dies bezeugen sowohl die nur so ermög-
lichte reine Ausführung, als auch viele, noch ganz wohl erhaltene
und schleifbare Stücke.

Es scheint nicht, dass man es verstand, die Klingen völlig in Stahl
zu verwandeln (?), wenigstens ist das Innere der noch erhaltenen
weich, und leicht zu schneiden, auch müssen sie sehr biegsam gewesen
sein ohne grosse Elastizität, dies zeigt sich an einer ganz zusammen-
gebogenen Dolchklinge und einer anderen, die beim Biegen nur einen
Riss am Rücken erhielt ohne zu brechen. Klingen aus blossem Eisen
wären aber wenig brauchbar gewesen, auch ist die Oberfläche der
erhaltenen ausserordentlich hart und spröde, es ist daher nicht zu be-
zweifeln, dass man das Eisen zu härten und durch Glühen unter
Kohlen und Ablöschen wenigstens an der Oberfläche zu stählen
wusste, ja die oben erwähnte Klinge zeigt sogar eine Art Damast
Die noch zum Teil ganz scharfen Schneiden geben einen weiteren
Beweis dafür. Die Speerspitzen und Keile mit ihren langen Schaft-
röhren bezeugen die grosse Wissenschaft im Schmiedehandwerk. Auch
die Mannigfaltigkeit der Formen, das Raffinement des Geschmackes,
ebenso wie die Vorzüglichkeit des Materials beweisen eine Technik, die
weit über das barbarische Genügen am Tand und Flitter hinaus ist."

Trotz des Reichtums der Todtenbeigaben hat sich in den Gräbern
weder eine Münze, noch eine Inschrift gefunden, welche eine Zeit-
bestimmung erlaubte. Aber gerade diese Abwesenheit von Münzen
einerseits, wie die Art der Bestattung andererseits beweisen ihr hohes
Alter. v. Sacken hält sie für keltisch und setzt sie in die zweite
Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr., in die Zeit, die der römischen
Herrschaft vorausging. Jedenfalls standen die durch ihren Salzhandel
wohlhabenden Bewohner Hallstadts schon in lebhaftem Handelsverkehr
mit Italien, vor allem mit den Etruskern, wie viele charakteristische
Fundstücke beweisen. Bemerkenswert ist, dass viele der eisernen
Gegenstände sich ganz ähnlich in den Pfahlbauten von La Tene und
in dem Schlachtfelde bei Alesia wiedergefunden haben.

Fragen wir nach der Nationalität der Bestatteten, so ist es am
wahrscheinlichsten, dass es Taurisker waren, welche in der reichen
Salzstadt ansässig gewesen sind. Wir wissen, dass diese in der römi-

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Einleitung zum Mittelalter.
einzigen Exemplar einer Spiralfibel und in verschiedenen Ringen,
Knöpfen, Kleiderschlieſsen und Gürtelhaken. Die technische Behand-
lung erweist sich auch hier als eine vorzügliche und tritt an den
äuſserst präzis gearbeiteten, oft ungemein zierlich und fein gerippten
Klingen der Schwerter und Dolche besonders hervor. Das Material
ist vortrefflich und sehr rein; dies bezeugen sowohl die nur so ermög-
lichte reine Ausführung, als auch viele, noch ganz wohl erhaltene
und schleifbare Stücke.

Es scheint nicht, daſs man es verstand, die Klingen völlig in Stahl
zu verwandeln (?), wenigstens ist das Innere der noch erhaltenen
weich, und leicht zu schneiden, auch müssen sie sehr biegsam gewesen
sein ohne groſse Elastizität, dies zeigt sich an einer ganz zusammen-
gebogenen Dolchklinge und einer anderen, die beim Biegen nur einen
Riſs am Rücken erhielt ohne zu brechen. Klingen aus bloſsem Eisen
wären aber wenig brauchbar gewesen, auch ist die Oberfläche der
erhaltenen auſserordentlich hart und spröde, es ist daher nicht zu be-
zweifeln, daſs man das Eisen zu härten und durch Glühen unter
Kohlen und Ablöschen wenigstens an der Oberfläche zu stählen
wuſste, ja die oben erwähnte Klinge zeigt sogar eine Art Damast
Die noch zum Teil ganz scharfen Schneiden geben einen weiteren
Beweis dafür. Die Speerspitzen und Keile mit ihren langen Schaft-
röhren bezeugen die groſse Wissenschaft im Schmiedehandwerk. Auch
die Mannigfaltigkeit der Formen, das Raffinement des Geschmackes,
ebenso wie die Vorzüglichkeit des Materials beweisen eine Technik, die
weit über das barbarische Genügen am Tand und Flitter hinaus ist.“

Trotz des Reichtums der Todtenbeigaben hat sich in den Gräbern
weder eine Münze, noch eine Inschrift gefunden, welche eine Zeit-
bestimmung erlaubte. Aber gerade diese Abwesenheit von Münzen
einerseits, wie die Art der Bestattung andererseits beweisen ihr hohes
Alter. v. Sacken hält sie für keltisch und setzt sie in die zweite
Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr., in die Zeit, die der römischen
Herrschaft vorausging. Jedenfalls standen die durch ihren Salzhandel
wohlhabenden Bewohner Hallstadts schon in lebhaftem Handelsverkehr
mit Italien, vor allem mit den Etruskern, wie viele charakteristische
Fundstücke beweisen. Bemerkenswert ist, daſs viele der eisernen
Gegenstände sich ganz ähnlich in den Pfahlbauten von La Têne und
in dem Schlachtfelde bei Alesia wiedergefunden haben.

Fragen wir nach der Nationalität der Bestatteten, so ist es am
wahrscheinlichsten, daſs es Taurisker waren, welche in der reichen
Salzstadt ansässig gewesen sind. Wir wissen, daſs diese in der römi-

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[627/0649] Einleitung zum Mittelalter. einzigen Exemplar einer Spiralfibel und in verschiedenen Ringen, Knöpfen, Kleiderschlieſsen und Gürtelhaken. Die technische Behand- lung erweist sich auch hier als eine vorzügliche und tritt an den äuſserst präzis gearbeiteten, oft ungemein zierlich und fein gerippten Klingen der Schwerter und Dolche besonders hervor. Das Material ist vortrefflich und sehr rein; dies bezeugen sowohl die nur so ermög- lichte reine Ausführung, als auch viele, noch ganz wohl erhaltene und schleifbare Stücke. Es scheint nicht, daſs man es verstand, die Klingen völlig in Stahl zu verwandeln (?), wenigstens ist das Innere der noch erhaltenen weich, und leicht zu schneiden, auch müssen sie sehr biegsam gewesen sein ohne groſse Elastizität, dies zeigt sich an einer ganz zusammen- gebogenen Dolchklinge und einer anderen, die beim Biegen nur einen Riſs am Rücken erhielt ohne zu brechen. Klingen aus bloſsem Eisen wären aber wenig brauchbar gewesen, auch ist die Oberfläche der erhaltenen auſserordentlich hart und spröde, es ist daher nicht zu be- zweifeln, daſs man das Eisen zu härten und durch Glühen unter Kohlen und Ablöschen wenigstens an der Oberfläche zu stählen wuſste, ja die oben erwähnte Klinge zeigt sogar eine Art Damast Die noch zum Teil ganz scharfen Schneiden geben einen weiteren Beweis dafür. Die Speerspitzen und Keile mit ihren langen Schaft- röhren bezeugen die groſse Wissenschaft im Schmiedehandwerk. Auch die Mannigfaltigkeit der Formen, das Raffinement des Geschmackes, ebenso wie die Vorzüglichkeit des Materials beweisen eine Technik, die weit über das barbarische Genügen am Tand und Flitter hinaus ist.“ Trotz des Reichtums der Todtenbeigaben hat sich in den Gräbern weder eine Münze, noch eine Inschrift gefunden, welche eine Zeit- bestimmung erlaubte. Aber gerade diese Abwesenheit von Münzen einerseits, wie die Art der Bestattung andererseits beweisen ihr hohes Alter. v. Sacken hält sie für keltisch und setzt sie in die zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr., in die Zeit, die der römischen Herrschaft vorausging. Jedenfalls standen die durch ihren Salzhandel wohlhabenden Bewohner Hallstadts schon in lebhaftem Handelsverkehr mit Italien, vor allem mit den Etruskern, wie viele charakteristische Fundstücke beweisen. Bemerkenswert ist, daſs viele der eisernen Gegenstände sich ganz ähnlich in den Pfahlbauten von La Têne und in dem Schlachtfelde bei Alesia wiedergefunden haben. Fragen wir nach der Nationalität der Bestatteten, so ist es am wahrscheinlichsten, daſs es Taurisker waren, welche in der reichen Salzstadt ansässig gewesen sind. Wir wissen, daſs diese in der römi- 40*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/649>, abgerufen am 16.06.2024.