Ober- und Mittel-Italiens, im Starenberger See und in den Seeen Norddeutschlands. Daraus ging klar hervor, dass diese Anlagen nicht einem Stamme eigentümlich, sondern dass die dortigen Anlagen im Steinzeitalter allgemein gebräuchlich waren. Es ist durchaus ver- kehrt zu glauben, dass alle Bewohner jener Gegenden, wo sich Pfahlbauten finden, damals ausschliesslich in diesen Wasserdörfern gewohnt hätten, vielmehr waren diese Anlagen zunächst nur Fischer- dörfer, die aber allerdings im Kriege auch als Zufluchtsort benutzt wurden. In diesem Sinne erhielten sie sich denn auch bis in historische Zeiten hinein, als die Bewohner bereits mit den Metallen und Metall- waffen bekannt geworden waren. Bemerkenswert ist, dass bei den Pfahlbauten des Alpengebietes die Bronzefunde derart vorherrschen, dass, wenn man die erhaltenen Objekte als alleiniges Beweismittel nimmt, die unmittelbare Folge einer Bronzezeit auf die Steinzeit und vor der Eisenzeit für jenes Gebiet sehr wahrscheinlich erscheinen würde. Auch ist gerade in der Schweiz eine solche Aufeinanderfolge im gewissen Sinne noch eher denkbar als im Norden. Zunächst ist es klar, dass den Pfahlbauern die Kenntnis der Metalle und die Metall- geräte selbst zuerst von auswärts zugeführt wurde. Der Übergang aus der Stein- in die Metallzeit ist ein so allmählicher, dass nicht angenommen werden kann, dass ein Bronzevolk oder ein Eisenvolk das Steinvolk überwältigt und verdrängt hätte. Metalle und Metallgeräte kamen also durch den Handel nach der Schweiz. Dass dem so war, geht schon daraus hervor, dass die Pfahlbaudörfer der Bronze- und Eisen- zeit sich ausschliesslich in der Westschweiz finden, in dem Gebiete, wo der Handel mit Italien und Frankreich nach Deutschland und dem Norden sich bewegte, während die Pfahlbauansiedelungen der östlichen und nordöstlichen Schweiz alle schon in der Steinperiode untergingen, oder um dies wohl richtiger auszudrücken, dass die Pfahlbaubewohner der Ostschweiz bis zum Untergange ihrer Ansiedelungen so arm blieben, dass sie nie in den Besitz von Metallgeräten gelangten. Die zahlreich- sten Pfahlbauansiedelungen gehören der Steinperiode an. Da es nicht unsere Aufgabe ist, diese näher zu schildern, so verweisen wir auf die gediegenen Berichte über die Pfahlbauten von Ferdinand Keller.
Die Stationen der Bronzezeit finden sich, wie bereits bemerkt, hauptsächlich in der westlichen Schweiz, dann aber auch in den italieni- schen Seeen besonders bei Peschiera am Gardasee und im Würmsee in Bayern. Betrachtet man das reiche Material der Sammlungen, so bekommt man allerdings den Eindruck, als ob die Bewohner der West- schweiz in jener Zeit sich fast ausschliesslich der Bronze zu allen
Einleitung zum Mittelalter.
Ober- und Mittel-Italiens, im Starenberger See und in den Seeen Norddeutschlands. Daraus ging klar hervor, daſs diese Anlagen nicht einem Stamme eigentümlich, sondern daſs die dortigen Anlagen im Steinzeitalter allgemein gebräuchlich waren. Es ist durchaus ver- kehrt zu glauben, daſs alle Bewohner jener Gegenden, wo sich Pfahlbauten finden, damals ausschlieſslich in diesen Wasserdörfern gewohnt hätten, vielmehr waren diese Anlagen zunächst nur Fischer- dörfer, die aber allerdings im Kriege auch als Zufluchtsort benutzt wurden. In diesem Sinne erhielten sie sich denn auch bis in historische Zeiten hinein, als die Bewohner bereits mit den Metallen und Metall- waffen bekannt geworden waren. Bemerkenswert ist, daſs bei den Pfahlbauten des Alpengebietes die Bronzefunde derart vorherrschen, daſs, wenn man die erhaltenen Objekte als alleiniges Beweismittel nimmt, die unmittelbare Folge einer Bronzezeit auf die Steinzeit und vor der Eisenzeit für jenes Gebiet sehr wahrscheinlich erscheinen würde. Auch ist gerade in der Schweiz eine solche Aufeinanderfolge im gewissen Sinne noch eher denkbar als im Norden. Zunächst ist es klar, daſs den Pfahlbauern die Kenntnis der Metalle und die Metall- geräte selbst zuerst von auswärts zugeführt wurde. Der Übergang aus der Stein- in die Metallzeit ist ein so allmählicher, daſs nicht angenommen werden kann, daſs ein Bronzevolk oder ein Eisenvolk das Steinvolk überwältigt und verdrängt hätte. Metalle und Metallgeräte kamen also durch den Handel nach der Schweiz. Daſs dem so war, geht schon daraus hervor, daſs die Pfahlbaudörfer der Bronze- und Eisen- zeit sich ausschlieſslich in der Westschweiz finden, in dem Gebiete, wo der Handel mit Italien und Frankreich nach Deutschland und dem Norden sich bewegte, während die Pfahlbauansiedelungen der östlichen und nordöstlichen Schweiz alle schon in der Steinperiode untergingen, oder um dies wohl richtiger auszudrücken, daſs die Pfahlbaubewohner der Ostschweiz bis zum Untergange ihrer Ansiedelungen so arm blieben, daſs sie nie in den Besitz von Metallgeräten gelangten. Die zahlreich- sten Pfahlbauansiedelungen gehören der Steinperiode an. Da es nicht unsere Aufgabe ist, diese näher zu schildern, so verweisen wir auf die gediegenen Berichte über die Pfahlbauten von Ferdinand Keller.
Die Stationen der Bronzezeit finden sich, wie bereits bemerkt, hauptsächlich in der westlichen Schweiz, dann aber auch in den italieni- schen Seeen besonders bei Peschiera am Gardasee und im Würmsee in Bayern. Betrachtet man das reiche Material der Sammlungen, so bekommt man allerdings den Eindruck, als ob die Bewohner der West- schweiz in jener Zeit sich fast ausschlieſslich der Bronze zu allen
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Einleitung zum Mittelalter.
Ober- und Mittel-Italiens, im Starenberger See und in den Seeen
Norddeutschlands. Daraus ging klar hervor, daſs diese Anlagen nicht
einem Stamme eigentümlich, sondern daſs die dortigen Anlagen im
Steinzeitalter allgemein gebräuchlich waren. Es ist durchaus ver-
kehrt zu glauben, daſs alle Bewohner jener Gegenden, wo sich
Pfahlbauten finden, damals ausschlieſslich in diesen Wasserdörfern
gewohnt hätten, vielmehr waren diese Anlagen zunächst nur Fischer-
dörfer, die aber allerdings im Kriege auch als Zufluchtsort benutzt
wurden. In diesem Sinne erhielten sie sich denn auch bis in historische
Zeiten hinein, als die Bewohner bereits mit den Metallen und Metall-
waffen bekannt geworden waren. Bemerkenswert ist, daſs bei den
Pfahlbauten des Alpengebietes die Bronzefunde derart vorherrschen,
daſs, wenn man die erhaltenen Objekte als alleiniges Beweismittel
nimmt, die unmittelbare Folge einer Bronzezeit auf die Steinzeit und
vor der Eisenzeit für jenes Gebiet sehr wahrscheinlich erscheinen
würde. Auch ist gerade in der Schweiz eine solche Aufeinanderfolge
im gewissen Sinne noch eher denkbar als im Norden. Zunächst ist es
klar, daſs den Pfahlbauern die Kenntnis der Metalle und die Metall-
geräte selbst zuerst von auswärts zugeführt wurde. Der Übergang aus
der Stein- in die Metallzeit ist ein so allmählicher, daſs nicht angenommen
werden kann, daſs ein Bronzevolk oder ein Eisenvolk das Steinvolk
überwältigt und verdrängt hätte. Metalle und Metallgeräte kamen
also durch den Handel nach der Schweiz. Daſs dem so war, geht
schon daraus hervor, daſs die Pfahlbaudörfer der Bronze- und Eisen-
zeit sich ausschlieſslich in der Westschweiz finden, in dem Gebiete, wo
der Handel mit Italien und Frankreich nach Deutschland und dem
Norden sich bewegte, während die Pfahlbauansiedelungen der östlichen
und nordöstlichen Schweiz alle schon in der Steinperiode untergingen,
oder um dies wohl richtiger auszudrücken, daſs die Pfahlbaubewohner
der Ostschweiz bis zum Untergange ihrer Ansiedelungen so arm blieben,
daſs sie nie in den Besitz von Metallgeräten gelangten. Die zahlreich-
sten Pfahlbauansiedelungen gehören der Steinperiode an. Da es nicht
unsere Aufgabe ist, diese näher zu schildern, so verweisen wir auf die
gediegenen Berichte über die Pfahlbauten von Ferdinand Keller.
Die Stationen der Bronzezeit finden sich, wie bereits bemerkt,
hauptsächlich in der westlichen Schweiz, dann aber auch in den italieni-
schen Seeen besonders bei Peschiera am Gardasee und im Würmsee
in Bayern. Betrachtet man das reiche Material der Sammlungen, so
bekommt man allerdings den Eindruck, als ob die Bewohner der West-
schweiz in jener Zeit sich fast ausschlieſslich der Bronze zu allen
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/629>, abgerufen am 26.06.2024.
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