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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Einleitung zum Mittelalter.
Eisenalter in den nordischen Museen erhalten ist, bietet für unsere
metallurgische Untersuchung wenig Veranlassung zu Erörterungen.
In den Erklärungen der nordischen Gelehrten macht sich auch hier
wieder die Sucht bemerklich, Alles und namentlich das Beste einer
einheimischen Industrie zuzuschreiben. Wir haben dies bereits bei den
zu Nidam gefundenen römischen Schwertern oben erwähnt, die, ob-
gleich sie römische Namen der Verfertiger und Fabrikzeichen trugen,
doch nordischen Künstlern zugeschrieben worden sind.

Werfen wir nun einen kurzen Blick auf die in Nordeuropa ge-
fundenen eisernen Geräte, so finden wir, dass die Eisenverarbeitung im
Norden schon in sehr früher Zeit bekannt war. Dies wird durch die
Originalität gewisser häufig vorkommender Formen bestätigt. Es gilt
dies ganz besonders von einer oft wiederkehrenden halbmond- oder
halbringförmigen Form eiserner Messer (Wiegemesser) (Fig. 165 bis 170),
die einerseits in die Form eines Hackmessers (Fig. 171 u. 172), andererseits
in die Säbelform übergehen (Fig. 173 bis 175), von denen einige aller-
dings wieder an bekannte altetruskische (Fig. 173) und ägyptische
(Fig. 174 u. 175) erinnern 1). Der Schaftkelt (Fig. 176) ähnelt den Formen
von Hallstadt; ebenso die eisernen Messer mit Bronzegriff (Fig. 177).
Charakteristisch sind ferner die eisernen Pincetten (Fig. 178), der eiserne
Halbring (Fig. 179) und die eisernen Armringe (Fig. 180). Die Lanzen-
spitzen (Fig. 181) gleichen bekannten Formen. Geradezu als importiert
sind die Schwerter von dem berühmten Moorfund von Vimose (Fig. 182)
zu betrachten, von denen die (Fig. 182) abgebildeten mit denen von
Hallstadt übereinstimmen, während die in Jütland ausgegrabenen voll-
ständig die Form der Schwerter von la Tene (Marin) zeigen.

Der Übergang aus der Bronzezeit in die Eisenzeit war durch-
aus kein plötzlicher, wie dies besonders auf der Insel Bornholm nach-
zuweisen ist, von der Einwanderung eines Eisenvolkes, das die Bronze-
kultur plötzlich vernichtete, kann also gar nicht die Rede sein. Vom
zweiten Jahrhundert ab wurden die Skandinavier in Krieg mit Rom
verwickelt, da hörte die eigentliche Handelsverbindung, der Bezug der
Bronzewaren auf, andererseits drückte die Kriegsnot den Nordländern das
eiserne Schwert in die Hände und zwang sie zu vermehrter Beschaffung
dieses Metalls aus eigenen Quellen und zu erhöhten Leistungen auf dem
Gebiete der Eisenverarbeitung und damit war die Bronzezeit begraben.


1) Die betreffenden Abbildungen sind dem neuen Werke von Dr. Ingvald
Undset, Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa. Deutsch von J. Mestorf,
Hamburg 1882, entnommen.

Einleitung zum Mittelalter.
Eisenalter in den nordischen Museen erhalten ist, bietet für unsere
metallurgische Untersuchung wenig Veranlassung zu Erörterungen.
In den Erklärungen der nordischen Gelehrten macht sich auch hier
wieder die Sucht bemerklich, Alles und namentlich das Beste einer
einheimischen Industrie zuzuschreiben. Wir haben dies bereits bei den
zu Nidam gefundenen römischen Schwertern oben erwähnt, die, ob-
gleich sie römische Namen der Verfertiger und Fabrikzeichen trugen,
doch nordischen Künstlern zugeschrieben worden sind.

Werfen wir nun einen kurzen Blick auf die in Nordeuropa ge-
fundenen eisernen Geräte, so finden wir, daſs die Eisenverarbeitung im
Norden schon in sehr früher Zeit bekannt war. Dies wird durch die
Originalität gewisser häufig vorkommender Formen bestätigt. Es gilt
dies ganz besonders von einer oft wiederkehrenden halbmond- oder
halbringförmigen Form eiserner Messer (Wiegemesser) (Fig. 165 bis 170),
die einerseits in die Form eines Hackmessers (Fig. 171 u. 172), andererseits
in die Säbelform übergehen (Fig. 173 bis 175), von denen einige aller-
dings wieder an bekannte altetruskische (Fig. 173) und ägyptische
(Fig. 174 u. 175) erinnern 1). Der Schaftkelt (Fig. 176) ähnelt den Formen
von Hallstadt; ebenso die eisernen Messer mit Bronzegriff (Fig. 177).
Charakteristisch sind ferner die eisernen Pincetten (Fig. 178), der eiserne
Halbring (Fig. 179) und die eisernen Armringe (Fig. 180). Die Lanzen-
spitzen (Fig. 181) gleichen bekannten Formen. Geradezu als importiert
sind die Schwerter von dem berühmten Moorfund von Vimose (Fig. 182)
zu betrachten, von denen die (Fig. 182) abgebildeten mit denen von
Hallstadt übereinstimmen, während die in Jütland ausgegrabenen voll-
ständig die Form der Schwerter von la Têne (Marin) zeigen.

Der Übergang aus der Bronzezeit in die Eisenzeit war durch-
aus kein plötzlicher, wie dies besonders auf der Insel Bornholm nach-
zuweisen ist, von der Einwanderung eines Eisenvolkes, das die Bronze-
kultur plötzlich vernichtete, kann also gar nicht die Rede sein. Vom
zweiten Jahrhundert ab wurden die Skandinavier in Krieg mit Rom
verwickelt, da hörte die eigentliche Handelsverbindung, der Bezug der
Bronzewaren auf, andererseits drückte die Kriegsnot den Nordländern das
eiserne Schwert in die Hände und zwang sie zu vermehrter Beschaffung
dieses Metalls aus eigenen Quellen und zu erhöhten Leistungen auf dem
Gebiete der Eisenverarbeitung und damit war die Bronzezeit begraben.


1) Die betreffenden Abbildungen sind dem neuen Werke von Dr. Ingvald
Undset, Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa. Deutsch von J. Mestorf,
Hamburg 1882, entnommen.
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[602/0624] Einleitung zum Mittelalter. Eisenalter in den nordischen Museen erhalten ist, bietet für unsere metallurgische Untersuchung wenig Veranlassung zu Erörterungen. In den Erklärungen der nordischen Gelehrten macht sich auch hier wieder die Sucht bemerklich, Alles und namentlich das Beste einer einheimischen Industrie zuzuschreiben. Wir haben dies bereits bei den zu Nidam gefundenen römischen Schwertern oben erwähnt, die, ob- gleich sie römische Namen der Verfertiger und Fabrikzeichen trugen, doch nordischen Künstlern zugeschrieben worden sind. Werfen wir nun einen kurzen Blick auf die in Nordeuropa ge- fundenen eisernen Geräte, so finden wir, daſs die Eisenverarbeitung im Norden schon in sehr früher Zeit bekannt war. Dies wird durch die Originalität gewisser häufig vorkommender Formen bestätigt. Es gilt dies ganz besonders von einer oft wiederkehrenden halbmond- oder halbringförmigen Form eiserner Messer (Wiegemesser) (Fig. 165 bis 170), die einerseits in die Form eines Hackmessers (Fig. 171 u. 172), andererseits in die Säbelform übergehen (Fig. 173 bis 175), von denen einige aller- dings wieder an bekannte altetruskische (Fig. 173) und ägyptische (Fig. 174 u. 175) erinnern 1). Der Schaftkelt (Fig. 176) ähnelt den Formen von Hallstadt; ebenso die eisernen Messer mit Bronzegriff (Fig. 177). Charakteristisch sind ferner die eisernen Pincetten (Fig. 178), der eiserne Halbring (Fig. 179) und die eisernen Armringe (Fig. 180). Die Lanzen- spitzen (Fig. 181) gleichen bekannten Formen. Geradezu als importiert sind die Schwerter von dem berühmten Moorfund von Vimose (Fig. 182) zu betrachten, von denen die (Fig. 182) abgebildeten mit denen von Hallstadt übereinstimmen, während die in Jütland ausgegrabenen voll- ständig die Form der Schwerter von la Têne (Marin) zeigen. Der Übergang aus der Bronzezeit in die Eisenzeit war durch- aus kein plötzlicher, wie dies besonders auf der Insel Bornholm nach- zuweisen ist, von der Einwanderung eines Eisenvolkes, das die Bronze- kultur plötzlich vernichtete, kann also gar nicht die Rede sein. Vom zweiten Jahrhundert ab wurden die Skandinavier in Krieg mit Rom verwickelt, da hörte die eigentliche Handelsverbindung, der Bezug der Bronzewaren auf, andererseits drückte die Kriegsnot den Nordländern das eiserne Schwert in die Hände und zwang sie zu vermehrter Beschaffung dieses Metalls aus eigenen Quellen und zu erhöhten Leistungen auf dem Gebiete der Eisenverarbeitung und damit war die Bronzezeit begraben. 1) Die betreffenden Abbildungen sind dem neuen Werke von Dr. Ingvald Undset, Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa. Deutsch von J. Mestorf, Hamburg 1882, entnommen.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/624>, abgerufen am 16.06.2024.