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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Einleitung zum Mittelalter.
arbeiteten Bronzen des Nordens dieser originellen, nordischen Bronze-
industrie ihren Ursprung verdanken. Die Skandinavier hatten in
der Folge nur das Rohmaterial, wie Montelius meint, in der Form
fertiger Bronzebarren aus dem Auslande bezogen. Es ist wohl über-
flüssig, diesen Standpunkt im einzelnen zu bekämpfen. Er beruht
zunächst auf der Unterstellung, dass die in Skandinavien gefundenen
Formen originelle, nordische Formen, sogenannte nordische Typen
seien. Wo dieselben Formen im Süden gefunden werden, müssen sie
aus dem Norden eingeführt sein. Es wird also selbst ein bedeutender
Exporthandel unterstellt. Wo in aller Welt sind aber -- ganz abge-
sehen von der Unmöglichkeit, dass sich ein metallurgisches Kunst-
gewerbe bei einem barbarischen Steinvolk, welches im übrigen in
seiner ganzen Rohheit versunken blieb, so rasch entwickeln konnte --
wo sind die Spuren einer so bedeutenden, selbständigen Industrie ge-
blieben? Für eine solche Technik müssten doch entsprechende Werk-
zeuge, Anlagen, Arbeitsstätten, Warenlager vorausgesetzt werden. Von
alle dem findet sich bei den, nach germanischer Sitte zerstreut woh-
nenden Nordländern keine Spur und bei ihrem ersten Auftreten in der
Geschichte erscheinen die nordischen Germanen noch unkultivierter
und wilder, wie die Germanen des Kontinents. Wohl hat sich allmäh-
lich, wie dies überall da der Fall war, wo Bronzegeräte in Verwendung
standen, eine gewisse metallurgische Technik der Form- und Schmelz-
kunst entwickelt, soweit, dass man im stande war, abgängige Bronze-
geräte, den Bruch, zu den landläufigsten, einfachsten Gegenständen
umzugiessen. Engelhardt konstatiert, dass wohl einige Bronzegegen-
stände im eigenen Lande gefertigt wurden 1), und Lisch ist der Ansicht,
dass einige jüngere Bronzen im Lande selbst gegossen sind, während
die in den Kegelgräbern vorkommenden, mit schönem edlen Rost über-
zogenen, immerhin eingeführte Arbeit sein mögen 2). Dies steht weit
ab von der Behauptung der jetzigen Schule, die Alles und gerade die
besten Arbeiten als Produkte nordischer Industrie erklärt.

Unsere Ansicht geht dahin, dass die durch den Handel und Ver-
kehr angeregte Bronzetechnik des Nordens nur eine beschränkte war,
dass sie sich, wie auch in anderen Gegenden Europas nur mit dem
Umschmelzen von Bronzebruch und dem Giessen der gewöhnlichsten
Geräte befasste, während die kunstvollen Bronzen importierte Waren
sind. Es geht dies schon daraus hervor, dass diese letzteren weit mehr
Tand und Schaugeräte, als Gegenstände notwendigen oder unentbehr-
lichsten Gebrauches waren.


1) Wegweiser 1872, S. 18.
2) Mecklb. Jahrb. XXXIX, S. 127.

Einleitung zum Mittelalter.
arbeiteten Bronzen des Nordens dieser originellen, nordischen Bronze-
industrie ihren Ursprung verdanken. Die Skandinavier hatten in
der Folge nur das Rohmaterial, wie Montelius meint, in der Form
fertiger Bronzebarren aus dem Auslande bezogen. Es ist wohl über-
flüssig, diesen Standpunkt im einzelnen zu bekämpfen. Er beruht
zunächst auf der Unterstellung, daſs die in Skandinavien gefundenen
Formen originelle, nordische Formen, sogenannte nordische Typen
seien. Wo dieselben Formen im Süden gefunden werden, müssen sie
aus dem Norden eingeführt sein. Es wird also selbst ein bedeutender
Exporthandel unterstellt. Wo in aller Welt sind aber — ganz abge-
sehen von der Unmöglichkeit, daſs sich ein metallurgisches Kunst-
gewerbe bei einem barbarischen Steinvolk, welches im übrigen in
seiner ganzen Rohheit versunken blieb, so rasch entwickeln konnte —
wo sind die Spuren einer so bedeutenden, selbständigen Industrie ge-
blieben? Für eine solche Technik müſsten doch entsprechende Werk-
zeuge, Anlagen, Arbeitsstätten, Warenlager vorausgesetzt werden. Von
alle dem findet sich bei den, nach germanischer Sitte zerstreut woh-
nenden Nordländern keine Spur und bei ihrem ersten Auftreten in der
Geschichte erscheinen die nordischen Germanen noch unkultivierter
und wilder, wie die Germanen des Kontinents. Wohl hat sich allmäh-
lich, wie dies überall da der Fall war, wo Bronzegeräte in Verwendung
standen, eine gewisse metallurgische Technik der Form- und Schmelz-
kunst entwickelt, soweit, daſs man im stande war, abgängige Bronze-
geräte, den Bruch, zu den landläufigsten, einfachsten Gegenständen
umzugieſsen. Engelhardt konstatiert, daſs wohl einige Bronzegegen-
stände im eigenen Lande gefertigt wurden 1), und Lisch ist der Ansicht,
daſs einige jüngere Bronzen im Lande selbst gegossen sind, während
die in den Kegelgräbern vorkommenden, mit schönem edlen Rost über-
zogenen, immerhin eingeführte Arbeit sein mögen 2). Dies steht weit
ab von der Behauptung der jetzigen Schule, die Alles und gerade die
besten Arbeiten als Produkte nordischer Industrie erklärt.

Unsere Ansicht geht dahin, daſs die durch den Handel und Ver-
kehr angeregte Bronzetechnik des Nordens nur eine beschränkte war,
daſs sie sich, wie auch in anderen Gegenden Europas nur mit dem
Umschmelzen von Bronzebruch und dem Gieſsen der gewöhnlichsten
Geräte befaſste, während die kunstvollen Bronzen importierte Waren
sind. Es geht dies schon daraus hervor, daſs diese letzteren weit mehr
Tand und Schaugeräte, als Gegenstände notwendigen oder unentbehr-
lichsten Gebrauches waren.


1) Wegweiser 1872, S. 18.
2) Mecklb. Jahrb. XXXIX, S. 127.
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[599/0621] Einleitung zum Mittelalter. arbeiteten Bronzen des Nordens dieser originellen, nordischen Bronze- industrie ihren Ursprung verdanken. Die Skandinavier hatten in der Folge nur das Rohmaterial, wie Montelius meint, in der Form fertiger Bronzebarren aus dem Auslande bezogen. Es ist wohl über- flüssig, diesen Standpunkt im einzelnen zu bekämpfen. Er beruht zunächst auf der Unterstellung, daſs die in Skandinavien gefundenen Formen originelle, nordische Formen, sogenannte nordische Typen seien. Wo dieselben Formen im Süden gefunden werden, müssen sie aus dem Norden eingeführt sein. Es wird also selbst ein bedeutender Exporthandel unterstellt. Wo in aller Welt sind aber — ganz abge- sehen von der Unmöglichkeit, daſs sich ein metallurgisches Kunst- gewerbe bei einem barbarischen Steinvolk, welches im übrigen in seiner ganzen Rohheit versunken blieb, so rasch entwickeln konnte — wo sind die Spuren einer so bedeutenden, selbständigen Industrie ge- blieben? Für eine solche Technik müſsten doch entsprechende Werk- zeuge, Anlagen, Arbeitsstätten, Warenlager vorausgesetzt werden. Von alle dem findet sich bei den, nach germanischer Sitte zerstreut woh- nenden Nordländern keine Spur und bei ihrem ersten Auftreten in der Geschichte erscheinen die nordischen Germanen noch unkultivierter und wilder, wie die Germanen des Kontinents. Wohl hat sich allmäh- lich, wie dies überall da der Fall war, wo Bronzegeräte in Verwendung standen, eine gewisse metallurgische Technik der Form- und Schmelz- kunst entwickelt, soweit, daſs man im stande war, abgängige Bronze- geräte, den Bruch, zu den landläufigsten, einfachsten Gegenständen umzugieſsen. Engelhardt konstatiert, daſs wohl einige Bronzegegen- stände im eigenen Lande gefertigt wurden 1), und Lisch ist der Ansicht, daſs einige jüngere Bronzen im Lande selbst gegossen sind, während die in den Kegelgräbern vorkommenden, mit schönem edlen Rost über- zogenen, immerhin eingeführte Arbeit sein mögen 2). Dies steht weit ab von der Behauptung der jetzigen Schule, die Alles und gerade die besten Arbeiten als Produkte nordischer Industrie erklärt. Unsere Ansicht geht dahin, daſs die durch den Handel und Ver- kehr angeregte Bronzetechnik des Nordens nur eine beschränkte war, daſs sie sich, wie auch in anderen Gegenden Europas nur mit dem Umschmelzen von Bronzebruch und dem Gieſsen der gewöhnlichsten Geräte befaſste, während die kunstvollen Bronzen importierte Waren sind. Es geht dies schon daraus hervor, daſs diese letzteren weit mehr Tand und Schaugeräte, als Gegenstände notwendigen oder unentbehr- lichsten Gebrauches waren. 1) Wegweiser 1872, S. 18. 2) Mecklb. Jahrb. XXXIX, S. 127.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/621>, abgerufen am 22.11.2024.