Die Sache verhält sich aber in Wirklichkeit ganz anders. Es sind gar nicht selten eiserne Gegenstände neben den allerdings weit besser erhaltenen und kunstvoller gearbeiteten Gegenständen von Bronze ge- funden worden. Ja, solche Eisenfunde sind bekannt aus Zeiten, die der "Bronzeperiode" vorausgehen, die nach dem Schema der nordischen Gelehrten dem "Steinzeitalter" zuzurechnen wären.
In einer 16 Fuss langen Steinkiste bei Banzelwitz auf Rügen, welche 1793 aufgedeckt wurde, fand man 1) mit Feuersteinäxten und einer Bernsteinperle ein altes, stark verrostetes Stück Eisen, das, wie der Augenschein lehrte, vormals geschliffen gewesen war. Die ganze Einrichtung des Grabes und der Fundbestand lassen keinen Zweifel darüber, dass wir es hier mit einem uralten und völlig unberührten Steingrabe zu thun haben 2).
Ferner fand sich im sogenannten Pfennigkasten, einem grossen Steingrabe bei der Stubnitz auf Rügen, Eisenschlacke.
In Norddeutschland sind ähnliche Funde mehrfach beschrieben. Schaaffhausen fand in einem mit Skeletteilen vollgepackten Gangbau neben Feuersteinsachen, durchbohrten Wolfszähnen und Bernstein- korallen auch zwei unförmlich gewordene Stückchen Eisen und einen Streifen Kupfer 3). In den grossen Totenkammern bei Beckum, welche der Steinzeit angehören, fand man neben zahlreichen Stein- und Knochengeräten eine wirtelförmige eiserne Kugel, ein eisernes Messer, einen eisernen Nagel und einen schmalen Streifen Kupferblech, aber keine Bronzen 4). Ebenso fand man Eisen in einem Steingrabe bei Achim in Ostfriesland. Ein völlig unberührtes, 20 bis 30 Fuss langes Steingrab bei Wersabe im Hannöverschen enthielt neben Feuerstein- äxten und fünf Urnen mit verbrannten Knochen auch zwei kleine Eisenstücke, die sich bei der Untersuchung als wirklich metallisches Eisen herausstellten 5).
In den Hünengräbern der Altmark wurden mehrfach Eisengeräte aufgefunden 6).
Lisch berichtete über die Steingräber Mecklenburgs 7): "Das vor- herrschende Material in diesen Gräbern ist allerdings Feuerstein und man hat sie daher einer uralten Zeit zugeschrieben, in welcher der
1) Grümbke, Statistik II, S. 240.
2) Hostmann, zur Geschichte und Kritik des nordischen Systems der drei Kulturperioden; Archiv für Anthropologie, Bd. VIII, Heft 3.
3) Correspondenzblatt d. Anthrop. Ges. 1871, S. 57.
4) Zeitschrift für vaterl. Geschichte und Altertumskunde Westf. 1875, S. 89.
5) Stader Archiv 1875, S. 430.
6) Altm. Jahrbericht I, S. 44; VI, S. 91.
7) Lisch, Andeutungen über die altgermanischen und slavischen Grabaltertümer, Schwerin 1837, S. 25.
Beck, Geschichte des Eisens. 38
Einleitung zum Mittelalter.
Die Sache verhält sich aber in Wirklichkeit ganz anders. Es sind gar nicht selten eiserne Gegenstände neben den allerdings weit besser erhaltenen und kunstvoller gearbeiteten Gegenständen von Bronze ge- funden worden. Ja, solche Eisenfunde sind bekannt aus Zeiten, die der „Bronzeperiode“ vorausgehen, die nach dem Schema der nordischen Gelehrten dem „Steinzeitalter“ zuzurechnen wären.
In einer 16 Fuſs langen Steinkiste bei Banzelwitz auf Rügen, welche 1793 aufgedeckt wurde, fand man 1) mit Feuersteinäxten und einer Bernsteinperle ein altes, stark verrostetes Stück Eisen, das, wie der Augenschein lehrte, vormals geschliffen gewesen war. Die ganze Einrichtung des Grabes und der Fundbestand lassen keinen Zweifel darüber, daſs wir es hier mit einem uralten und völlig unberührten Steingrabe zu thun haben 2).
Ferner fand sich im sogenannten Pfennigkasten, einem groſsen Steingrabe bei der Stubnitz auf Rügen, Eisenschlacke.
In Norddeutschland sind ähnliche Funde mehrfach beschrieben. Schaaffhausen fand in einem mit Skeletteilen vollgepackten Gangbau neben Feuersteinsachen, durchbohrten Wolfszähnen und Bernstein- korallen auch zwei unförmlich gewordene Stückchen Eisen und einen Streifen Kupfer 3). In den groſsen Totenkammern bei Beckum, welche der Steinzeit angehören, fand man neben zahlreichen Stein- und Knochengeräten eine wirtelförmige eiserne Kugel, ein eisernes Messer, einen eisernen Nagel und einen schmalen Streifen Kupferblech, aber keine Bronzen 4). Ebenso fand man Eisen in einem Steingrabe bei Achim in Ostfriesland. Ein völlig unberührtes, 20 bis 30 Fuſs langes Steingrab bei Wersabe im Hannöverschen enthielt neben Feuerstein- äxten und fünf Urnen mit verbrannten Knochen auch zwei kleine Eisenstücke, die sich bei der Untersuchung als wirklich metallisches Eisen herausstellten 5).
In den Hünengräbern der Altmark wurden mehrfach Eisengeräte aufgefunden 6).
Lisch berichtete über die Steingräber Mecklenburgs 7): „Das vor- herrschende Material in diesen Gräbern ist allerdings Feuerstein und man hat sie daher einer uralten Zeit zugeschrieben, in welcher der
1) Grümbke, Statistik II, S. 240.
2) Hostmann, zur Geschichte und Kritik des nordischen Systems der drei Kulturperioden; Archiv für Anthropologie, Bd. VIII, Heft 3.
3) Correspondenzblatt d. Anthrop. Ges. 1871, S. 57.
4) Zeitschrift für vaterl. Geschichte und Altertumskunde Westf. 1875, S. 89.
5) Stader Archiv 1875, S. 430.
6) Altm. Jahrbericht I, S. 44; VI, S. 91.
7) Lisch, Andeutungen über die altgermanischen und slavischen Grabaltertümer, Schwerin 1837, S. 25.
Beck, Geschichte des Eisens. 38
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Einleitung zum Mittelalter.
Die Sache verhält sich aber in Wirklichkeit ganz anders. Es sind
gar nicht selten eiserne Gegenstände neben den allerdings weit besser
erhaltenen und kunstvoller gearbeiteten Gegenständen von Bronze ge-
funden worden. Ja, solche Eisenfunde sind bekannt aus Zeiten, die
der „Bronzeperiode“ vorausgehen, die nach dem Schema der nordischen
Gelehrten dem „Steinzeitalter“ zuzurechnen wären.
In einer 16 Fuſs langen Steinkiste bei Banzelwitz auf Rügen,
welche 1793 aufgedeckt wurde, fand man 1) mit Feuersteinäxten und
einer Bernsteinperle ein altes, stark verrostetes Stück Eisen, das, wie
der Augenschein lehrte, vormals geschliffen gewesen war. Die ganze
Einrichtung des Grabes und der Fundbestand lassen keinen Zweifel
darüber, daſs wir es hier mit einem uralten und völlig unberührten
Steingrabe zu thun haben 2).
Ferner fand sich im sogenannten Pfennigkasten, einem groſsen
Steingrabe bei der Stubnitz auf Rügen, Eisenschlacke.
In Norddeutschland sind ähnliche Funde mehrfach beschrieben.
Schaaffhausen fand in einem mit Skeletteilen vollgepackten Gangbau
neben Feuersteinsachen, durchbohrten Wolfszähnen und Bernstein-
korallen auch zwei unförmlich gewordene Stückchen Eisen und einen
Streifen Kupfer 3). In den groſsen Totenkammern bei Beckum, welche
der Steinzeit angehören, fand man neben zahlreichen Stein- und
Knochengeräten eine wirtelförmige eiserne Kugel, ein eisernes Messer,
einen eisernen Nagel und einen schmalen Streifen Kupferblech, aber
keine Bronzen 4). Ebenso fand man Eisen in einem Steingrabe bei
Achim in Ostfriesland. Ein völlig unberührtes, 20 bis 30 Fuſs langes
Steingrab bei Wersabe im Hannöverschen enthielt neben Feuerstein-
äxten und fünf Urnen mit verbrannten Knochen auch zwei kleine
Eisenstücke, die sich bei der Untersuchung als wirklich metallisches
Eisen herausstellten 5).
In den Hünengräbern der Altmark wurden mehrfach Eisengeräte
aufgefunden 6).
Lisch berichtete über die Steingräber Mecklenburgs 7): „Das vor-
herrschende Material in diesen Gräbern ist allerdings Feuerstein und
man hat sie daher einer uralten Zeit zugeschrieben, in welcher der
1) Grümbke, Statistik II, S. 240.
2) Hostmann, zur Geschichte und Kritik
des nordischen Systems der drei Kulturperioden; Archiv für Anthropologie,
Bd. VIII, Heft 3.
3) Correspondenzblatt d. Anthrop. Ges. 1871, S. 57.
4) Zeitschrift für vaterl. Geschichte und Altertumskunde Westf. 1875, S. 89.
5) Stader Archiv 1875, S. 430.
6) Altm. Jahrbericht I, S. 44; VI, S. 91.
7) Lisch, Andeutungen über die altgermanischen und slavischen Grabaltertümer,
Schwerin 1837, S. 25.
Beck, Geschichte des Eisens. 38
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/615>, abgerufen am 22.11.2024.
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